Sehr praxisrelevant: BGH zur Einziehung – Teil 4 (hier Berechnung des Tatertrages)

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 27.07.2019

Teil 4 meiner Serie zur Einziehung: Bereits in Teil 2 habe ich darauf hingewiesen, dass Erlöse aus Rauschgiftgeschäften grds. nicht nach § 33 S. 1 BtMG i.V.m. § 74 StGB eingezogen werden, da sie keine Tatobjekte sind (s. hier). Es kommt aber die Anordnung der Tatertragseinziehung (§ 73 StGB, dem früheren Verfall) in Betracht. Befindet sich das Geld nicht mehr im Besitz des Händlers, so ist die Einziehung eines Geldbetrages anzuordnen, der dem Wert des Erlangten entspricht (§ 73c StGB).

Um eine Tatertragseinziehung und um die Frage, wie die Höhe des Tatertrages zu berechnen ist, geht es in folgender Entscheidung des BGH (BGH, Urt. v. 7.3.2019, 5 StR 569/18 = BeckRS 2019, 3713):

Der in diesem Verfahren angeklagte Betäubungsmittelhändler verkaufte in den Jahren 2013 und 2014 gewinnbringend Ecstasy, Amphetamin und Marihuana. Den Ankauf der Betäubungsmittel i.H.v. 30.600 Euro finanzierte er aus eigenen Mitteln. Aus dem Verkauf erzielte er einen Erlös i.H.v. 35.000 Euro, mithin einen Gewinn von 4.400 Euro. In einem weiteren Fall erhielt er den Kaufpreis von 5.000 Euro von dem Abnehmer vorab, wovon er 2.000 Euro zurückzahlte, nachdem es ihm nicht gelungen war, das ursprünglich bestellte Marihuana zu beschaffen, und das ersatzweise gelieferte Ecstasy lediglich einen Verkaufswert von 3.000 Euro besaß. Hier belief sich der Gewinn des Händlers auf 500 Euro.

Der Betäubungsmittelhändler wurde vom Landgericht wegen dieser Betäubungsmitteldelikte zu einer Gesamtstrafe von zwei Jahren unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt, zudem wurde Einziehung gem. „§ 33 BtMG, §§ 73 Abs. 1, § 73 c, § 73 d StGB“ von 4.900 Euro angeordnet. Für die Höhe der Anordnung hat das Landgericht nur den aus den Betäubungsmittelgeschäften erzielten Gewinn „nach Abzug der Erwerbskosten“ herangezogen („Nettoprinzip“).

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hob der BGH das Urteil des Landgerichts auf und änderte es dahin, dass gegen den Händler die Einziehung des Wertes des Tatertrages i.H.v. 40.000 Euro angeordnet wird (5.000 Euro aus dem vorfinanzierten Geschäft und 35.000 Euro aus den übrigen Geschäften). Hierzu führte der BGH aus:

„,Durch‘ die Tat erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB ist jeder Vermögenswert, der dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs derart zugeflossen ist, dass er seiner faktischen Verfügungsgewalt unterliegt. Da es sich bei dem Erlangen um einen tatsächlichen Vorgang handelt, kommt es auf zivilrechtliche Besitz- oder Eigentumsverhältnisse nicht an (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 2018 - 4 StR 78/18, NStZ-RR 2019, 22). Unerheblich ist es daher auch, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Täter eine durch die Tat gewonnene Verfügungsmacht später aufgibt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2018 - 5 StR 645/17, NStZ-RR 2018, 278, 279).

Danach hat - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - der Angeklagte durch die Tat [Anm.: Die Tat mit den vorfinanzierten Ecstasys] nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG den gesamten Kaufpreis von 5.000 Euro erlangt. Dabei ist es ohne Belang, dass sein Abnehmer in Vorleistung getreten ist. Denn ein vollendetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln liegt bereits dann vor, wenn der Verkäufer dem Kaufinteressenten - wie hier - ein verbindliches und ernsthaftes Verkaufsangebot unterbreitet; dass es nicht zu dem ursprünglich vereinbarten Umsatzgeschäft gekommen ist, steht dem nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 2004 - 2 StR 232/04, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 61). Rechtlich unerheblich ist es danach auch, dass der Angeklagte 2.000 Euro an den Abnehmer zurückgezahlt hat, da der vereinnahmte Kaufpreis von 5.000 Euro seinem Vermögen so zugeflossen war, dass er jedenfalls vorübergehend die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Geldbetrag ausüben konnte (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 2018 - 4 StR 78/18, aaO).

Zudem ist dem Landgericht in allen Fällen bei der Bestimmung des Wertes des Tatertrages ein durchgreifender Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten unterlaufen. Zwar ist es zutreffend davon ausgegangen, dass der Wert des Taterlangten aufgrund der Übergangsvorschrift des Art. 316h Satz 1 StGB gemäß § 73d Abs. 1 StGB in der Fassung des Gesetzes über die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I 872) zu bestimmen war. Es hat aber das Abzugsverbot für Tataufwendungen des § 73d Abs. 1 Satz 2 StGB verkannt und den Wert des Erlangten daher rechtsfehlerhaft nach dem „Nettoprinzip“ bestimmt.

Mit § 73d Abs. 1 StGB hat der Gesetzgeber das „Bruttoprinzip“ konkretisiert (BT-Drucks. 18/9525, S. 55, 67 ff.). Eine Abkehr von diesem seit 1992 normierten Grundsatz der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung (vgl. BT-Drucks. 12/1134, S. 12) hat er damit nicht verbunden (vgl. BT-Drucks. 18/9525, [10] S. 62; 18/11640, S. 78 f.). Danach sind nur solche Aufwendungen des Täters nach § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB abzugsfähig, die weder für die Begehung noch für die Vorbereitung der Tat angefallen sind (§73d Abs. 1 Satz 2 StGB). Erwerbskosten für verkaufte Betäubungsmittel dürfen mithin auch nach der Neufassung der §§ 73 ff. StGB nicht vom Verkaufserlös abgezogen werden (vgl. BT- Drucks. 18/9525, S. 55, 68; BGH, Beschluss vom 22. März 2018 - 3 StR 577/17, wistra 2018, 427). Daran hat auch die Streichung des § 73c StGB aF nichts geändert, weil der Schutz vor unverhältnismäßigen Eingriffen im neuen Recht durch die vollstreckungsrechtliche Vorschrift des § 459g Abs. 5 StPO gewährleistet ist (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 2018 - 4 StR 78/18, aaO S. 23).

Angesichts dieser durchgreifenden Rechtsfehler kann es dahinstehen, ob das Urteil zudem darauf beruht, dass Landgericht die Einziehungsentscheidung rechtsfehlerhaft (auch) auf die ausschließlich für Tatobjekte im Sinne des § 74 Abs. 2 StGB (z.B. gehandelte Betäubungsmittel) geltende Ermessensvorschrift des § 33 BtMG gestützt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2010 - 2 StR 519/09, NStZ-RR 2010, 141, 142; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 73 Rn. 25, § 74 Rn. 17).

Da die Anordnung nach §§ 73, § 73 c StGB bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen rechtlich zwingend ist, kann der Senat - dem Antrag des Generalbundesanwalts entsprechend - auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen analog § 354 Abs. 1 StPO die Einziehung des Wertes des Tatertrages von 40.000 Euro selbst anordnen (vgl. LR-Franke, StPO, 26. Aufl., § 354 Rn. 12).“

Fazit: Beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln bestimmt sich der Tatertrag nach § 73 StGB in der Regel aus dem erzielten Erlös. Aufwendungen für den Erwerb der Betäubungsmittel sind nicht abzugsfähig. Abgezogen werden können nur solche Aufwendungen des Täters, die weder für die Begehung noch für die Vorbereitung der Tat angefallen sind (§ 73d Abs. 1 Satz 2 StGB). 

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