Gehaltserhöhung durch betriebliche Übung?

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 12.08.2019
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|4547 Aufrufe

Lange Zeit entsprach es ständiger Rechtsprechung des BAG, dass durch betriebliche Übung ein Anspruch auf Weitergewährung einer übertariflichen Zulage praktisch nicht entstehen kann. Der Arbeitgeber entscheide bei jeder Tariflohnerhöhung neu, ob er die Zulage weiter zahlen wolle. Diese werde "aufgesogen", nicht "aufgestockt". Nur bei "deutlichen Anhaltspunkten" könne das gegenteilige Ergebnis in Betracht kommen (zuletzt BAG, Urt. vom 24.2.2016 - 4 AZR 990/13, NZA 2016, 557). Davon ist der 5. Senat bereits im Urteil vom 19.9.2018 teilweise abgerückt. Eine betriebliche Übung kann damit nunmehr deutlich leichter möglich sein:

Weil es für das Entstehen einer betrieblichen Übung grundsätzlich unerheblich ist, ob der Arbeitgeber bei seinem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen handelt (oben Rn. 16), kommt diese (Ausnahme-)Rechtsprechung, auf die das LAG seine Entscheidung zuungunsten des Kl. gestützt hat, nur zur Anwendung, wenn der Wille des Arbeitgebers, sich für die Zukunft nicht binden zu wollen, für die Arbeitnehmer erkennbar ist.

BAG, Urt. vom 19.9.20185 AZR 439/17, NZA 2019, 106 RdNr. 18 (Hervorhebung diesseits)

Diese Überlegungen überträgt der Senat nunmehr auf Gehaltserhöhungen von außertariflichen (AT-)Angestellten. Trotz des restriktiv formulierten Orientierungssatzes war die Revision des Klägers erfolgreich, das BAG hat ihm die begehrte Zulage zuerkannt.

Hebt ein Arbeitgeber die Gehälter von AT-Angestellten über Jahre hinweg entsprechend den Tarifsteigerungen des vertraglich in Bezug genommenen einschlägigen Tarifvertrags an, dürfen diese Arbeitnehmer nur bei Vorliegen zusätzlicher, konkreter Anhaltspunkte im Verhalten des Arbeitgebers annehmen, dieser habe sich verpflichten wollen, auch in Zukunft die Gehälter stets in gleicher Weise wie bisher zu erhöhen, und sich dadurch der Möglichkeit begeben, veränderten Umständen in freier Entscheidung Rechnung zu tragen. Derartige konkrete Anhaltspunkte sind in einer Gesamtschau zu bewerten.

BAG, Urt. vom 27.2.2019 - 5 AZR 354/18, NZA 2019, 989 (Os.)

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