BGH: Insolvenzrechtliche Gleichstellung einer mehr als drei Monate gestundeten Forderung mit einem Gesellschafterdarlehen

von Ulrike Wollenweber, veröffentlicht am 30.08.2019

Der BGH hat mit Urteil vom 11. Juli 2019 (IX ZR 210/18, BeckRS 2019, 18566) entschieden, dass eine mehr als drei Monate gestundete Forderung eines Gesellschafters aus einem Austauschgeschäft insolvenzrechtlich einem Gesellschafterdarlehen nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO gleichzustellen ist. Nach den Ausführungen des Senats entsprechen Forderungen aus Austauschgeschäften, die rechtlich oder faktisch gestundet werden, einem Darlehen, wenn die Stundung wirtschaftlich einer Darlehensgewährung gleichkommt. Entscheidend sei, ob die Stundung den zeitlichen Bereich im Geschäftsleben gebräuchlicher Stundungsvereinbarungen eindeutig überschreite.

Bezüglich des Dreimonatszeitraums verweist der Senat zunächst auf § 271a Abs. 1 BGB, der eine Höchstgrenze von 60 Tagen für vereinbarte Zahlungsfristen für Entgeltforderungen vorsieht. Nach Ablauf dieser Frist stehe jedoch noch nicht zweifelsfrei fest, dass statt der Austauschbeziehung die Finanzierungsfunktion in den Vordergrund trete. Der Senat zieht dann § 488 Abs. 3 Satz 2 BGB heran, nach dem bei Darlehensverträgen unbestimmter Dauer eine ordentliche Kündigungsfrist von drei Monaten gilt. Da die Gesellschaft nach einer dreimonatigen Stundung ebenso stehe, wie wenn ihr ein Darlehen mit ordentlicher Kündigungsfrist gewährt worden wäre, erhalte eine entsprechende Forderung nach Verstreichen der Dreimonatsfrist typischerweise Darlehenscharakter. Durch die längere Stundung gebe der Gläubiger in der Regel zu erkennen, der Gesellschaft eine darlehensgleiche Forderung zu belassen.

Im entschiedenen Fall hatte der Gesellschafter die Forderung vor der Begleichung mindestens sechs Monate stehen gelassen. Damit war sie als darlehensgleich zu qualifizieren und die Rückzahlung insolvenzrechtlich nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar.

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