BRAO-Eckpunkte des BMJV: Heuschrecken in der Rechtspflege?

von Martin Fries, veröffentlicht am 20.09.2019
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Legal Tech erwischt das anwaltliche Berufsrecht: Das BMJV hat im August ein Eckpunktepapier (pdf) für eine neuerliche Reform der Bundesrechtsanwaltsordnung vorgelegt. Hauptsächlich geht es um eine vorsichtige Liberalisierung der Regeln zur beruflichen Zusammenarbeit von Anwälten mit Angehörigen anderer Berufe. Für die Legal-Tech-Branche besonders spannend sind die Überlegungen des BMJV zu externen Kapitalbeteiligungen für Kanzleien. Sind die Heuschrecken im Anflug auf das Anwaltsgeschäft?

Venture Capital: Eine Ausnahme für Legal Tech?

Die Haltung des Justizministeriums ist im Grundsatz konservativ: Der Gewinn aus dem Anwaltsgeschäft soll weiterhin Anwälten vorbehalten bleiben. Ausnahmen sind dem BMJV zufolge denkbar, sie sollen allerdings gut begründet sein und eng begrenzt bleiben. Als eine solche Ausnahme nennt das Eckpunktepapier anwaltliche Legal-Tech-Dienstleister, die für neue Rechtsdienstleistungsangebote hohe Anfangsinvestitionen aufbringen müssen und  sich daher zur Aufnahme von Wagniskapital gezwungen sehen. Damit zeigt das BMJV mehr Offenheit als der Deutsche Anwaltverein, der externen Kapitalbeteiligungen per se kritisch gegenüber steht. Gleichzeitig verzichtet das Papier des Ministeriums auf eine Festlegung hinsichtlich der konkreten Regelung – und lässt damit Raum für eine Diskussion über Für und Wider einer behutsamen Liberalisierung der Kapitalregeln.

Wie viel darf’s denn sein?

Die erste zentrale Frage in dieser Diskussion ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut des ministeriellen Papiers: Wann gilt ein Rechtsdienstleistungsangebot als neu? Und wann sind Anfangsinvestitionen hoch genug, um eine Ausnahme vom Venture-Capital-Verbot zu rechtfertigen? Geht es um absolut hohe Beträge oder um Geschäftsmodelle mit langer Amortisationszeit? Überhaupt: Sollen externe Kapitalbeteiligungen auf einen bestimmten Prozentsatz der Gesellschafts- bzw. Gewinnanteile beschränkt bleiben oder soll man bis zum Anschlag wagnisfinanzieren dürfen? Der Verdacht liegt nahe, dass die meisten gegenwärtig marktführenden Legal-Tech-Dienstleister mit einem externen Eigenkapitalanteil von 25% oder 50% nicht weit gekommen wären.

Wie unabhängig ist die Anwaltschaft?

Ein zweiter Punkt: Je restriktiver man externe Kapitalbeteiligungen regelt, desto mehr zementiert man das anwaltliche Rechtsberatungsmonopol. Es gibt viele gute Gründe, die für ein solches Monopol sprechen. Es gibt aber auch viele gute Gründe, die dagegen sprechen. Das BMJV beruft sich bei seinen recht monopolfreundlichen Überlegungen auf die anwaltliche Unabhängigkeit. Das ist im Grundsatz ein schlüssiges Argument: Die anwaltliche Unabhängigkeit nach § 1 BRAO soll Anwälte als Organe der Rechtspflege frei machen von staatlicher Beeinflussung und vom Diktat des Geldes. Nur: Inwieweit dieses Zielbild noch der Realität entspricht, wird durchaus kontrovers diskutiert. Manch andere die Unabhängigkeit sichernde Regel des anwaltlichen Berufsrechts – namentlich das weitgehende Verbot von Erfolgshonoraren nach § 49b Abs. 2 S. 1 BRAO, § 4a Abs. 1 S. 1 RVG und das Verbot von Vermittlungsprovisionen nach § 49b Abs. 3 S. 1 BRAO – haben die zur Rechtsdurchsetzung berufenen Anwaltskammern faktisch längst aufgegeben. Wenn der Gesetzgeber das Anwaltsmonopol nun neuerlich bestätigen möchte, müsste man im Sinne eines stimmigen Gesamtkonzepts eigentlich auch über eine effektivere Durchsetzung des geltenden Berufsrechts nachdenken.

Und das Rechtsdienstleistungsgesetz?

Zum guten Schluss: Die Sache mit der Inkassoerlaubnis. Die heutigen Legal-Tech-Dienstleister nutzen sie als Krücke, um das soeben beschriebene, eigentlich im Bereich der externen Kapitalbeteiligung angesiedelte Problem zu lösen. Es ist insofern gut, wenn das BMJV die Kapitalproblematik dort bewältigen möchte, wo sie ursprünglich herrührt. Ob Legal-Tech-Unternehmer weiter als Inkassodienstleister operieren dürfen, wird ohnehin bald der BGH entscheiden. Derweil könnte sich der Gesetzgeber freilich eine andere Inkohärenz des jugendlichen Rechtsdienstleistungsgesetzes einmal vornehmen: Seit Jahren bewegen sich Anbieter innovativer Dokumenten- und Vertragsgeneratoren gemessen an den Vorgaben des RDG in einem schattigen Dunkelgraubereich, weil sie nicht von Anwälten betrieben werden. Dient das wirklich der Sicherung von Rechtsberatungsqualität, die das RDG sich zum Ziel gesetzt hat? Womöglich könnte der Gesetzgeber hier einmal ganz ergebnisoffen fragen, ob Anbieter solcher Softwarelösungen wirklich auch dann aus der Anwaltschaft kommen müssen, wenn sie sicherstellen können, dass die inhaltliche Gestaltung ihrer Software aus der Feder einer Volljuristin stammt und Beratungsfehler angemessen versichert sind. Was meinen Sie?

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