Schimmelpilz in Neubauten - deutliche und wichtige Worte des OLG Naumburg (Urt. v. 11.7.2019, 1 U 116/18)

von Dr. Michael Selk, veröffentlicht am 03.10.2019
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtBau- und Architektenrecht|3492 Aufrufe

Der Klassiker in der anwaltlichen Beratungspraxis: Mandanten schildern einen Wasserschaden in ihrer neu erworbenen Wohnung, eigentlich sei nun alles in Ordnung, alles sei getrocknet und wiederhergestellt.  Alles gut?

Nein, ist es nicht. Denn in der Regel verbleiben auch nach der Trocknung Schimmelpilzsporen in der Dämmung (oft Styropor) unter dem Estrich. Dort führen sie quasi ein Eigenleben, oft lange unerkannt, aber es kann insbesondere zu Raumluftbeeinträchtigungen auch noch nach Jahren kommen. Denn aufgrund der  Randfugen des Fußbodenaufbaus (zwingend etwa, um die Übertragung von Trittschall in anderer Geschosse zu vermeiden) handelt es sich bei der Estrichdämmung keineswegs um ein "geschlossenes System", vielmehr können Sporen noch immer in die Raumluft gelangen und können dort die Bewohner beeinträchtigen.

Sachverständige, die nicht die Interessen der Bau- oder Versicherungswirtschaft vertreten, warnen daher eindringlich davor, nach Wasserschäden den Estrich und die Dämmung nicht auszutauschen. Nun finden sie Unterstützung durch ein neues Urteil des OLG Naumburg (BeckRS 2019, 19037). Das OLG hat zutreffend entschieden, dass eine neu errichtete Eigentumswohnung mangelhaft ist, wenn es dort zu einem Nässeeintrag kommt, der über die normale Hintergrundbelastung hinaus Schimmelpilzwachstum auslöst (über 10.000 KBE/g). Schon das potenzielle Gesundheitsrisiko, das in einer so belasteten Dämmung des Estrichs "stecke", genüge, damit man von einem Mangel der Sache ausgehen kann. Angesichts der Gesundheitsrisiken könne von einer Unverhältnismäßigkeit der Mängelbeseitigungskosten nicht ausgegangen werden, so dass der Bauunternehmer entsprechend nachzubessern hat.

Das Urteil ist zu begrüßen und sollte sich herumsprechen. Tatsächlich gilt die Entscheidung zunächst formal nur für Neubauten, ist aber auch von Bedeutung für ältere Wohnungen und Versicherungsfälle etwa durch Leitungswasserschäden. Die Argumentation ist auch dort ohne Weiteres übertragbar. Für Neubauten indes gilt ohnehin, dass sich Käufer nicht all zu schnell mit einer "schnellen Trockung" zufriedengeben sollten, zumal der Schimmelpilz in der Dämmung im späteren Verkaufsfall zu einem merkantilen Minderwert des Objekts führt, auf den der Eigentümer die Erwerber hinweisen muss. 

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