Problematische Vollzugsbedingungen der U-Haft gegen Beate Z.

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 07.01.2012

Wie ernst es dem Staat mit der Rechtsstaatlichkeit und Beachtung  der Menschenrechte ist, zeigt sich  daran, wie die vermeintlich härtesten Feinde des Rechtsstaats in der Untersuchungshaft behandelt werden. Eine menschliche Behandlung unter Beachtung der Unschuldsvermutung muss bei allen Untersuchungshäftligen gewährleistet sein, seien sie auch mörderischer Anschläge oder des Terrorismus verdächtig.

Wenn stimmt, was die Verteidiger der vor einigen Monaten in U-Haft genommenen Beate Z. mitteilen (Bericht der SZ), bewegen sich die Anstaltsleitung (JVA Köln-Ossendorf) im Falle der Untersuchungshaftbedingungen gegen diese Frau am Rande dessen, was rechtlich und tatsächlich noch als akzeptabel gelten kann.

In einem zehnseitigen Schreiben bemängeln die beiden Verteidiger Wolfgang Stahl (Koblenz) und Wolfgang Heer (Köln) insgesamt sechs Bereiche, in denen es bei der Untersuchungshaft von Beate Zschäpe Probleme geben soll. So werde Frau Zschäpe bei ihrem Hofgang von anderen Mitgefangenen beschimpft, bedroht und bespuckt. „Ihre Menschenwürde wird mit Füßen getreten“ schreiben die beiden Anwälte an die Leiterin der JVA Köln. Es gebe Probleme bei den Telefonaten mit den Verteidigern, Unkorrektheiten bei der regelmäßigen Zellendurchsuchung und Behinderung bei der Körperpflege.

Obwohl Frau Zschäpe 23 Stunden am Tag allein in ihrer Zelle verbingen müsse, habe sie in den vergangenen Wochen mehrfach auf ihre Stunde Hofgang verzichtet, weil Mitgefangene sie bedroht hätten, sagt ihr Verteidiger Wolfgang Heer: „Der tägliche Hofgang ist für meine Mandantin eine echte Tortur, sie ist enormen Anfeindungen ausgesetzt, sie wird von Mitgefangenen aus den umliegenden Zellenfenstern bedroht und bespuckt“ (Bericht von Holger Schmidt)

Mehr als erstaunlich ist es  wenn ein Sprecher die Zuständigkeit der Anstalt für diese Haftbedingungen der Bundesanwaltschaft zuschiebt (Holger Schmidt). Selbstverständlich gilt das UVollzG NRW auch für Fälle, in denen der Generalbundesanwalt die Ermittlungen gegen einen Verdächtigen führt. Und dass dieser die nächtliche Dauerbeleuchtung angeordnet hat, die angeblich zur Verhinderung eines Suizides notwendig ist, kann man sich kaum vorstellen.

Dass die Verdächtige 23 Stunden in ihrer Zelle eingesperrt ist, ist im nordrhein-westfälischen Untersuchungshaftvollzug (lt. Angaben von Vollzugsexperten) ohnehin keineswegs normal. Dies ist möglicherweise dem außergewöhnlichen Tatvorwurf geschuldet, es werden aber "anstaltsinterne Gründe" dafür angegeben (SZ-Bericht).

Und dass die Verdächtige genötigt ist, ihre (isolierte) Freistunde im Hof so nahe am Gebäude zu absolvieren, dass sie dort von anderen Gefangenen bespuckt werden kann, sind Bedingungen, die dem UVollzG NRW kaum entsprechen dürften und für die der Generalbundesanwalt nicht zuständig sein dürfte.

Sehr wohl zuständig  ist die Bundesanwaltschaft aber für ihre Öffentlichkeitsarbeit in diesem Ermittlungsverfahren. Wiederum, wenn zutrifft, was die Verteidiger sagen, wurden in Pressekonferenzen der Öffentlichkeit Details mitgeteilt, zu denen man den Verteidigern die Akteneinsicht bisher verweigert. Für eine derartige Pressearbeit der Staatsanwaltschaften fehlt meines Erachtens die rechtliche Grundlage.

 

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7 Kommentare

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"... am Rande dessen, was rechtlich und tatsächlich noch als akzeptabel gelten kann..."

Sie meinen demnach, das sei noch innerhalb rechtsstaatlichen Handelns?

Oder ist es nur eine unglückliche Formulierung?

 

 

 

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Na ja, dass sie von Mitinsassen beleidigt wird (wie oft und wie das geschehen konnte, ergibt sich nicht aus dem Bericht), ist allgemeines Lebens /Haftrisiko. Oder soll man die Mitinsassen in den Bunker schicken, während Frau Z. ihren Hofspaziergang macht, um präventiv etwaige Beleidigungen zu unterbinden? Natürlich kann man - nachdem Beleidigungen gefallen sind - gegenüber den "Tätern", wenn sie denn namentlich bekannt /ermittelbar sind,  disziplinarisch vorgehen. Und Begegnungen mit anderen Insassen, die aufgrund ihres Migrationshintergrundes vielleicht keine Sympathien für mutmaßliche Neonazis soweit möglich vermeiden.  Aber Frau Z. in Watte zu packen und alle anderen Insassen nicht nur physisch, sondern auch akustisch abzuschotten, damit die Dame  nicht einmal böse, böse Worte  hören muss, dürfte wohl etwas zu weit gehen. 

Will man Frau Z. vor Suizid schützen, passt es ihr nicht und die Augenbinde sitzt zu eng, schützt man sie vor Beleidigungen nicht  (Gehörschutz für sie beim Hofgang?, das wäre dann wieder sensory deprivation und wieder Folter..)  ausreichend, passt es auch wieder nicht.

 

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@Matthias,

meine etwas zurückhaltende Bewertung (bzw. "unglückliche Formulierung") beruht darauf, dass es (bis auf das Leugnen der Zuständigkeit) bisher inhaltlich keine Reaktion der Anstaltsleitung gibt; möglicherweise ergibt sich ja eine Rechtfertigung für diese Maßnahmen aus uns bislang unbekannten Hintergründen.

@meine5cent,

tatsächlich wird man solche Beleidigungen durch andere Insassen  seitens der Anstaltsleitung nicht effektiv unterbinden können, das Bespucken allerdings schon. Ich wage zudem die Behauptung, dass eine Suizidprophylaxe auch ohne dauerhafte Neon-Beleuchtung über Nacht möglich ist.
"In Watte packen" fordert sicherlich niemand, aber die auch bei diesem schweren Vorwurf gegebene Unschuldsvermutung zu beachten und jedenfalls die Verrdächtige nicht schlechter zu behandeln als andere U-Häftlinge.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

Dass sich das Verfahren gegen Zschäpe mehr schlecht als recht vor sich hindümpelt, ist ja für jedermann sichtbar. Der zusätzliche Erkenntnisgewinn zu ihrer Mittäterschaft geht mittlerweile gegen Null. Doch nun plant das Gericht diesbezüglich den Befreiungsschlag: da wird doch tatsächlich ein Brief in das Verfahren eingeführt, den die Angeklagte während ihrer U-Haft 2013 geschrieben hat, um zu beweisen, dass sie von 1999 bis 2008 nicht etwa das brave Hausmütterchen war, sondern energisch und dominant als Mittäterin agierte. Wobei sie in dem Brief ja nicht etwa die Taten beschrieb, sondern ganz allgemein an einen Mit-Nazi mit Wut über Gott und die Welt geschrieben hat.

Der Brief soll nunmehr einem Psychiater als Arbeitsmittel dienen, nachdem Zschäpe die Exploration verweigerte. Das erinnert fast etwas an Mollath. Eine bewährte bayerische Methode vor Gericht?

Auch über den Sinn der U-Haft lässt sich spekulieren. Wenn die Beweise zur Mittäterschaft etwas dünn sind, dann sperre man den Menschen nur lang genug in U-Haft weg, dann wird er irgendwann in einem Brief schon seinen wahren boshaften Charakter offenbaren. Hier jedenfalls ist das Gericht offenbar heilfroh, dass es die U-Haft gibt und auch die Briefzensur. Sonst hätte man ja gar nichts, was man dem Sachverständigen als Ersatz für die verweigerte Exploration anbieten könnte. Und ohne Gutachten wären wohl auch die Beweise für eine aktive Mittäterschaft etwas dünn.

An was erinnert mich das alles nur?

 

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Woran erkennt man schlechten Journalismus? Schlechten Journalismus erkennt man vor allem an der Themenwahl. (Juristische) Journalisten, die sich aus einem überaus komplexen und überaus vielgestaltigen Geschehen genau denjenigen Mikro-Aspekt herauspicken, der mit Riesen-Abstand am unwichtigsten ist und den unwichtigsten Mikro-Aspekt anschließend zum Mega-Thema aufblasen, sind schlicht und ergreifend schlechte (juristische) Journalisten.    

So, wie sich das für mich als außenstehenden Zeitungsleser darstellt, wird es in ferner Zukunft dereinst heißen: Außer (sehr hohen) Spesen nchts gewesen.

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