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Neue Grenzwerte für Medikamente nach BtMG

Juergen.Graf

2010-11-15 13:18

Gerade für den Internethandel mit Medikamenten ist wichtig, dass der BGH nunmehr mit Urteil vom 2.11.2010 (1 StR 581/09) erstmals Grenzwerte für Medikamente festgelegt hat, deren Ein- und Aus- und Durchfuhr gem. Anlage III zum BtMG verboten ist.

Für die in diesen Fällen anzuwendenden Vorschriften der §§ 29 ff. BtMG gelten nach dem vorbezeichneten Urteil folgende Mengen als nicht geringe Menge:

Diazepam:        2400 mg

Alprazolam:         240 mg    

Clonazepam:     480 mg   

Lorazepam:         480 mg   

Lormetazepam:    360 mg   

Midazolam:        1.800 mg   

Oxazepam:        7200 mg   

Temazepam:        4800 mg

Tetrazepam:         4800 mg   

Triazolam:        120 mg   

Zolpidem:         4800 mg   

Die schriftlichen Urteilsgründe werden allerdings erst Anfang Dezember 2010 vorliegen.

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4 Kommentare

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Das Urteil liegt jetzt vor.

 

Ihre Aussage "Medikamente festgelegt hat, deren Ein- und Aus- und Durchfuhr gem. Anlage III zum BtMG verboten ist." ist falsch.

 

Die Ausfuhr von Medikamenten ist nicht verboten. Das BtMG verlangt bei diesen ausgenommenen Zubereitungen nur eine §11 Erlaubnis (wenn man den Spiegelstrich in Anlage III findet und mal wirklich liest). Das ausschließliche Fehlen einer § 11 Erlaubnis ist jedoch nach §32 nur eine OWi.  Lt. Zeugin im Verfahren gibt es jährlich 1000de solcher Fälle, die, zu Recht nach Gesetzeswortlaut, als Owi geahndet werden.

 

Die Auslegung des Gesetzeswortlautes

"Für ausgenommene Zubereitungen ... gelten jedoch die betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften über die Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr."

durch den Senat mit:

"bei Handlungen der Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr sollen (sämtliche) betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften weiterhin Anwendung finden" ist unsinnig. Analog könnte man den Wortlaut Anlage III für Codein fehlübersetzen mit " bei Handlungen der Verschreibung an Patienten sollen (sämtliche) betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften weiterhin Anwendung finden"

 

 

Interessant ist die Art der Bestimmung der nicht geringen Menge. Hat der BGH bisher immer die Ausrichtung an therapeutischen Dosen und Mengen verneint und auch sonst auf den ungewohnten Konsumenten verwiesen (Urteil - vom 24. April 2007 -  1 StR 52/07 und Hügel/Junge/Lander/Winkler aaO Rdn. 4.3.4, 4.3.6 a.E.) , so geht der Senat nun erstmals den Weg, sich an therapeutischen Dosen und Reichweiten zu orientieren.

Weiterhin wiederspricht sich der Senat selbst, wenn er die Gefährlichkeit der Benzodiazepine als geringer als die von Heroin (Maßzahl 150) , Opioiden (Maßzahlen 45-120) und Kokain, aber höher als die von Cannabis (Maßzahl 500) beurteilt, jedoch dann die therapeutische Maßzahl 60 festlegt, obwohl er vorher das Spektrum anhand der Gefährlichkeit mit 150 bis 500 festlegt. Hier irrt er sich um den Faktor 3-7.

Auch scheint der Senat den Begriff der nicht geringen Menge nicht verstanden zu haben, wenn er das Qualifikationsmerkmal ausschließlich an der "Grenze des Missbrauchs" festmacht. Im Umkehrschluß gibt es keine geringe Menge und keinen § 29 da dort ja kein Missbrauch vorliegt.

 

Übrigens bleibt der Senat eine Antwort darauf schuldig, warum er nicht die bisherige Methode der Bestimmung der nicht geringen Menge nutzt, da Zolpidom und Bromazepam, gefährliche Dosen besitzen (lt. Gutachter).

sorry, da habe ich den Kommentar zu früh abgesendet:

 

Der Senat scheint sich mit der Materia nicht richtig Beschäftigt zu haben. Er hätte mal den "nicht geringe Mengen"-Experten am BGH, Hr. Winkler, hinzuziehen sollen, der zu Recht immer wieder darauf verweist, dass bei der Anzahl der Senate nicht jeder Kenntnisse bei der Bestimmung der nicht geringen Menge haben kann.

Wieviel "Mühe" sich der Senat gemacht hat, sieht man daran, dass er seine Entscheidung zum Teilakt des Handeltreibens auf  BGH Urteil vom 24. November 1982 - 3 StR 384/ 82, BGHSt 31, 163, 165 zur Einfuhr als Teilakt des Handeltreibens, stützt. Ein Urteil von 1982, obwohl genau die aktuellen Passagen (29-30a) im BTMG mit Blick auf die Einfuhr erst 10 Jahre später geändert wurden!!!!

 

Dabei erscheint das Gesetz dem logisch denkenden Menschen als klar, leider nicht so, wie es BGH und OLG sehen.
Bei allen Stoffen handelt es sich um zugelassene Medikamente, die nach Anlage III BTMG als "ausgenommene Zubereitungen" anzusehen sind. Diese hat der Gesetzgeber u.a. zum Schutze der Patienten und derjenigen, die mit Medikamenten umgehen, definiert.

Nach §1 (1) und §2 (1) 3. sind Betäubungsmittel jene Stoffe und Zubereitungen, die in Anlagen I-III aufgeführt sind und "ausgenommene Zubereitungen" jene, die in den Anlagen ausgenommen sind. Ausgenommene Zubereitungen sind nach §2 (1) 3. ganz (oder teilweise) von den BTM-Vorschriften ausgenommen. Ergo können für eine ausgenommene Zubereitung nicht alle BTM-Vorschriften gelten, da sie per def. mindestens zum Teil ausgenommen sind. Somit erwartet der Leser, dass das Gesetz bestimmt, welche Zubereitungen ausgenommen sind und falls sie nicht gänzlich ausgenommen ist, welcher Teil der Vorschrift gelten soll. Die vom OLG und BGH aufgenommene Behauptung, im Ausfuhrfall sind ausgenommene Zubereitungen vollwertige Betäubungsmittel und es gelten alle Vorschriften, widerspricht dieser Definition der § 1 und 2 BTMG. Dass sich der Senat mit den Begriffen und Definitionen schwer tut liest man schon in:

"ei den von den Angeklagten versendeten Medikamenten handelt es sich jeweils um - verkehrs- und verschreibungsfähige - Betäubungsmittel, da sämtliche der darin enthaltenen oben genannten Wirkstoffe in der Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG aufgeführt sind." - Es sind gerade keine Betäubungsmittel, sondern ausgenommene Zubereitungen, für die nur die Herstellung erlaubnispflichtig und strafbar ist.

Für Diazepam, z.B., lautet dann Anlage III:

Diazepam            -                           7-Chlor-1-methyl-5-phenyl-
                                                1,3-dihydro-2H-1,4-benzo-
                                                diazepin-2-on
                                               
- ausgenommen in Zubereitungen, die ohne einen weiteren Stoff der Anlagen
  I bis III bis zu 1 vom Hundert als Sirup oder Tropflösung, jedoch nicht
  mehr als 250 mg je Packungseinheit, oder je abgeteilte Form bis zu
  10 mg Diazepam enthalten -
...
- die Zubereitungen der in dieser Anlage aufgeführten Stoffe, wenn sie nicht
  ...
  b) besonders ausgenommen sind. Für ausgenommene Zubereitungen - außer
     solchen mit Codein oder Dihydrocodein - gelten jedoch die
     betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften über die Einfuhr, Ausfuhr und
     Durchfuhr. Nach Buchstabe b der Position Barbital ausgenommene
     Zubereitungen können jedoch ohne Genehmigung nach § 11 des
     Betäubungsmittelgesetzes ein-, aus- oder durchgeführt werden, wenn
     nach den Umständen eine missbräuchliche Verwendung nicht zu
     befürchten ist.

Nach den obigen Ausführungen liegen ausgenommene Zubereitungen bei Tabletten (10mg je abgeteilte Form) vor. Diese sind aber nicht komplett ausgenommen, sondern es gelten die "Vorschriften über die Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr".  Als logisch denkender Leser nehme ich nun an, dass Diazepam von den Vorschriften ausgenommen ist. Es gilt nur der Teil über die Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr, also Dritter Abschnitt § 11. Diazepam ist also vom BTMG augenommen, es ist aber bei Ausfuhr eine Erlaubnis nach § 11 nötig.  Diesen Schluss bekräftigt der in Anlage III nachfolgende Satz, da die laut BGH gefährlicheren Barbiturate, auch ohne diese Genehmigung ausgeführt werden können, es also explizit auf diese Genehmigung gezielt wird. Diazepam bleibt aber immer noch eine ausgenommene Zubereitung, womit nur die Herstellung erlaubnispflichting nach §3 und unerlaubt zu bestrafen ist.

Leider ist das Gesetzt bei den Strafvorschriften etwas unkonkret, der Regelungswille läßt sich aber schließen:

§3 Einer Erlaubnis des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte bedarf, wer
1.    Betäubungsmittel anbauen, herstellen, mit ihnen Handel treiben, sie, ohne mit ihnen Handel zu treiben, einführen, ausführen, abgeben, veräußern, sonst in den Verkehr bringen, erwerben oder
2.    ausgenommene Zubereitungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) herstellen
will.

Selbigen Wortlaut findet man 1:1 in den Straftaten des §29 (und folgende):

Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1.    Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.   eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,

Wenn der Gesetzgeber hier von "unerlaubt" spricht, bezieht er sich dem Wortlaut nach nur auf die Erlaubnis nach § 3, welche nur für die Herstellung von ausgenommenen Zubereitungen erforderlich ist.
Die Einfuhr und Ausfuhr ohne § 11 Erlaubnis, wenn man es überhaupt auf ausgenommene Zubereitungen anwenden kann, findet sich nur in der Ordnungswidrigkeit §32 (1) 5.  Somit ist das Fehlen der § 11 Erlaubnis eine OWi, wie es auch bis zu diesem Verfahren gehandhabt wurde. Sollte die Bezeichnung "unerlaubt" im § 29 die fehlende §11 Erlaubnis mit einschließen, ergibt der Rest keinen Sinn. Weil sonst jeder Fall der Ordnungswidrigkeitdes §32 (1)  gleichzeitig ein Fall des § 29 wäre, also OWi und Straftat.

So lese ich das BTMG für Diazepam Tabletten!

Nun die Auslegung des OLG:
Die Formulierung der Anlage III (b): "Für ausgenommene Zubereitungen... gelten jedoch die betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften über die Einfuhr, Ausfuhr und  Durchfuhr." bedeute nach OLG und BGH, dass "für die Handlungen der Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr derartiger Zubereitungen ... die betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften auch weiterhin Anwendung finden sollen."
"Für eine ge-nerelle Anwendbarkeit der §§ 29 ff. BtMG in Fällen der vorliegenden Art spricht bereits der - insoweit eindeutige - Wortlaut der in Anlage III zweiter Gedanken-strich lit. b Satz 2 zu § 1 Abs. 1 BtMG enthaltenen Regelung, da dort ohne jede Einschränkung auf (sämtliche) betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften verwiesen wird." Leider steht in Anlage III davon nichts.
Dieses "ohne jegliche Einschränkung auf sämtliche betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften" kann ich nicht dem Wortlaut entnehmen. Insbesondere steht eher das Gegendteil, dass nur die eine Vorschrift zu beachten ist. Wie ausgeführt, können für eine ausgenommene Zubereitung niemals alle betäubungsrechtlichen Vorschriften gelten (§2 BtMG).

OLG und BGH sprechen hier von einer "Ausnahme von der Ausnahme", also dass ausgenommene Zubereitungen in diesem Ausnahmefall der Ausfuhr wieder volle BTM, nicht mehr ausgenommen, sein sollen.

Folgt man jedoch dieser Lesart des BGH, so wird das BTMG sehr widersprüchlich. Dann müsste man bei Codein lesen:

Gesetzestext:


Codein                      4,5alpha-Epoxy-3-methoxy-
                    (3-Methylmorphin)           17-methylmorphin-7-en-
                                                6alpha-ol
- ausgenommen in Zubereitungen, die ohne einen weiteren Stoff der Anlagen
  I bis III bis zu 2,5 vom Hundert oder je abgeteilte Form bis zu 100 mg
  Codein, berechnet als Base, enthalten. Für ausgenommene Zubereitungen,
  die für betäubungsmittel- oder alkoholabhängige Personen verschrieben
  werden, gelten jedoch die Vorschriften über das Verschreiben und die
  Abgabe von Betäubungsmitteln. -
 
  bedeutet nach BGH-Lesart: Codein ist eine ausgenommene Zubereitung. Für Handlungen der Abgabe und des Verschreibens an betäubungsmittel- oder alkoholabhängige Personen derartiger Zubereitungen sollen alle betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften auch weiterhin Anwendung finden , da in Anlage III ohne jegliche Einschränkung auf sämtliche betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften verwiesen wird.
 
Folgt man dieser OLG-Lesart, gerät das BTM in weitere Probleme:
Bestimmtheit und Normenklarheit:

"Ausnahme der Ausnahme"
Von den in Anlage III rund 40 für den Patientenschutz und Medikamentenverkehr ausgenommenen Zubereitungen sollen nur Codein und Dihydrocodein wirklich ausgenommen sein. Somit ist die "Ausnahme der Ausnahme" eigentlich der im letzten Spiegelstrich der Anlage III des Gesetzes erst definierte versteckte Regelfall, den man nicht erwarten kann, liest man das BTMG von vorn, wonach nur die Herstellung der ausgenommenen Zubereitungen nach Definition des Gesetzes (BTMG §3) erlaubnispflichtig ist. In diese Falle tappen jetzt nähmlich die Pharmagroßhändler, die bisher nur mit zugelassenen Arzneimitteln handelten, weil sie sonstige BTM eben gar nicht führen, sich also nicht mit dem BTGM beschäftigen müssen, da für ausgenommenen Zubereitungen, die kein BTM sind, auch keine BTM-Verschreibung notwendig ist. Hintergrund der Entstehung: Es sollte eine internationale Richtlinie zur Dokumentation und Kontrolle umgesetzt werden. Da man das AMG und BTMG nicht auf die Schnelle anpassen konnte und wollte blieb nur die Anlage III, da diese regelmäßig geändert werden darf. Der Senat zitiert hier auch aus einem Schreiben zur Gesetzesfindung und spricht von "Verschärfter Kontrolle". Hätte der Senat bei mir studiert, hätte er in den Erstsemestervorlesungen von mir ordentlich Punkte abgezogen bekommen, wenn er Kontrolle, Steuerung, Controlling nicht auseinander halten kann. Kontrolle beinhaltet nicht Strafe und Steuerung! Es sollte der Handel auch nur überwacht werden, nicht gesteuert und nicht bestraft.

"Wahl der Erlaubnis":
Es kann nicht sein, dass ein Normadressat anhand der möglichen missbräuchlichen Verwendung bei Barbituraten entscheiden soll, ob
es volles ein BTM ist oder komplett frei gehandhabt werden darf:
"Nach Buchstabe b der Position Barbital ausgenommene Zubereitungen können jedoch ohne Genehmigung nach § 11 des Betäubungsmittelgesetzes ein-, aus- oder durchgeführt werden, wenn nach den Umständen eine missbräuchliche Verwendung nicht zu befürchten ist. "
Es geht hier um Verbrechen, da muss das Gesetz deutlich sein.

Normenklarheit:
Den fehlinterpretierten Zusatz gibt es in den Anlagen I und II nicht. Anlagen I -II enthalten aber die nichtverscheibungsfähigen BTM. Jedoch gibt es den Zusatz über Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr dort nicht. D.h. für nicht verkehrsfähige und nicht verschreibungsfähige ausgenommene Zubereitungen gilt keine Vorschrift des BTMG. Nur bei den verschreibungsfähigen ausgenommenen Zubereitungen kann ein Verbrechen vorliegen. Das kann der Normadressat nicht so erwarten.

Gleichheitsgrundsatz:
Für ausgenommene Zubereitungen gelten nach gängiger aktueller Rechtssprechung nicht die §§ 31a und 35, da hier nur von Betäubungsmitteln die Rede ist. Abhängige von Heroin und Cannabis können diese §§ für sich in Anspruch nehmen, ein Benzodiazepinabhängiger nicht, obwohl er in §§29-30 die gleiche Strafandrohung hat.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich im  Hinblick auf den § 35 dahingeäußert, dass es keine Ungleichheit ist, wenn nicht im BTMG erwähnte Abhängigkeiten (z.B. Alkohol) nicht zum §35 führen, da diese Stoffe ja auch keine Strafandrohung nach BTMG haben. Dies dürfte mit der BGH Entscheidung zu ausgenommenen Zubereitungen anders sein.

 

 

Weiter Punkte im Urteil:

Verbotsirrtum:
Gegen einen Angeklagten lief 2004 schon ein  Ermittlungsverfahren mit identischem Sachverhalt. Da das OLG eine Bande konstruierte, wurde auch angenommen, dass natürlich alle Angeklagten von dem Verfahren gewusst haben müssen, weshalb alle von der Strafbarkeit wussten. Liebe Juristen! Selbst wenn ich davon gewusst hätte, dass es eine Ermittlung gab und diese dann nach § 153 eingestellt wurde, gehe ich als Nichtjurist erst einmal davon aus, dass wohl keine Strafbarkeit vorliegt, wenn die STA den Sachverhalt prüfte und die entsprechende Person wie gehabt weitermacht, sogar neue Großhandelslizenzen erteilt wurden. Zumindest aber nicht, dass das Gleiche bei fortwährender regelmäßiger Kontrolle der Arzneimittellizenz durch die Regierung von Oberbayern, drei Jahre später als Verbrechen angeklagt wird, was vorher eingestellt wurde.

Bestimmtheit:
Angeblich ist das Gesetz eindeutig und bestimmt. Zum Zeitpunkt des "Tatbeginn" kommentierte Körner, dass die Ein-, Ausfuhr von ausgenommenen Zubereitungen nicht dem BTM unterliegt und erlaubnisfrei sei. Das AMG erlaubt auch die erlaubnisfreie Ausfuhr dieser Medikamente. Erst nach Beginn dieses Verfahrens wurde der Körner geändert.
Die StA war sich über Jahre nicht sicher, ob die Ausfuhr von "ausgenommenen Zubereitungen" strafbar ist. Die ersten Haftbefehle lauteten auch auf Handeltreiben mit Betäubungsmittel. Erst bei der 6-Monatsprüfung wies das Gericht die STA darauf hin, dass nur die Ausfuhr relevant sein könne. Erst Monate nach den ersten Überwachungen, Verhaftungen usw. holte die STA ein Gutachten ein, ob die Ausfuhr von ausgenommenen Zubereitungen strafbar sein könnte.
Die im Prozess geladene Zeugen der Bundesopiumstelle sagte wie schon geschrieben, dass es 1000e Fälle jährlich gibt, in denen die Mengen höher sind, die aber alle eingestellt werden.

Und jetzt liest der BGH das Gesetz anders als OLG und anders als jeder Normadressat.

Widerspruch im Urteil des BGH:
Der Senat legt die ngM auf Konsumeinheit (Tagesdosis)  x Maßzahl 60 fest. Sagt aber im Urteil, dass Benzodiazepine weniger gefährlich als Opioide (45-120 KE), Heroin (150 KE), Kokain und Barbiturate und gefährlicher als Cannabis (500 KE) sind. Damit also die Rangfolge der Gefährlichkeit gewahrt bleibt, muss die Maßzahl folglich zwischen 150 - 500 liegen. Sinnvoll ist nach der Gefährlichkeitseinordnung des OLG - Gutachters eine Einordnung bei Ampheamin oder Ecstasy also bei 200-250 KE. Es ist also vollkommen unsinnig, einen Bereich zur Einordnung der Gefährlichkeitsmaßzahl festzulegen und diesen dann doch nicht zu beachten und nur an der therapeutischen Anwendungsdauer auszurichten.

Verweigerung der rechtlichen Argumente zur ngM:
Der Senat hat sich schon bei der Einholung der Gutachten auf die Ermittlung der ngM mittels Ermittlung der ngM für Diazepam anhand des Tagesverbrauches eines typischen Abhängigen und Ableitung aller anderen Stoffe anhand von Wirkstoffäquivalenten festgelegt. Das OLG ist im Verfahren, der Senat in der Revisionsschrift und der Gutachterbefragung auf folgendes hingewiesen worden:
- Diazepam taugt nicht als Leitsubstanz, da es die größte Halbwertzeit und einen abweichenden Metabolitenzerfall aufweist. Weiterhin gibt es für Diazepam keine letale Dosis.
- Die Ermittlung der ngM anhand des Tagesverbrauches eines typischen Abhängigen widerspricht der bisherigen Rechtsprechung zur ngM. Da z.B. ein gefährlicheres BTM mit einer hohen Abhängigkeit und Toleranz einen hohen Tagesverbrauch beim Abhängigen bewirkt, hat es somit trotzdem eine hohe ngM, obwohl es gefährlicher ist.
- Nach gängiger Rechtssprechung darf bei Ermittlung der ngM nur die Konsumeinheit oder gefährliche Dosis eines ungewohnten Konsumenten verwendet werden, um Toleranzen nicht zu belohnen.
- Für Zolpidem und das Benzodiazepin Bromazepam gibt es letale Dosen. Diese hat u.a. der Gutachter S. des BGH veröffentlicht. Man kann also die ngM anhand der gefährlichen (letalen) Dosis bestimmen und dann auf die andern Medikamente umrechnen, wenn man sich davon befreit, unbedingt Diazepam als Leitsubstanz zu wählen. Dadurch erhält man ngM die deutlich höher liegen.

- Weiterhin beschreibt der BGH bei Zolpidem als Folge von Monointoxikationen Atemdepression. Atemdepressionen sind aber genau die gefährlichen Auswirkungen, die eine gefährliche Dosis definieren. Der Gutachter S. des BGH hat sogar noch 2009 eine Arbeit über Monointoxikationen und letale Dosen von Zolpidem betreut, in der die letale Dosis bestätigt wurde.

Diese Fakten wurden dem OLG und BGH vorgelegt, fanden aber kein (rechtliches) Gehör. Der Senat besaß sogar die Frechheit, den Betroffenen eine Kopie der Gutachtenanforderung zu schicken, in denen ausschließlich Gutachten zur Ermittlung des "Tagesbedarfes eines typischen Abhängigen" bei den Gutachtern beauftragt wurden, damit man schon vor dem ersten Gutachten weiß, worauf sich der Senat festgelegt hat.

Die Bestimmung der ngM mit therapeutischen Dosen und therapeutischen Reichweiten hielt der BGH bisher für verfehlt:
BGH 1 StR 52/07 - Urteil vom 24. April 2007 (LG München I):
"Schließlich ist es verfehlt, die Konsumeinheit bei verkehrs- und verschreibungsfähigen Betäubungsmitteln allein an einer möglichen legalen Anwendung auszurichten (Hügel/Junge/Lander/Winkler aaO Rdn. 4.3.4, 4.3.6 a.E.)."

 

Aber leider kann ich gegen ein Urteil des BGHs nicht vorgehen. Oder kann man einen Richter des BGHs wg. (absichtlichter) Gesetzes- und Rechtsprechungsfehlinterpretation abmahnen lassen? Kann ich gegen BGH-Richter Dienstaufsichtsbeschwerde einlegen?
Als Betroffener sieht man natürlich alles anders. Falls jemand einen Denkfehler in meiner Gesetzeslesart sieht, lasse ich mich gern aufklären.  Aber logisch erklären konnte/wollte bisher kein Richter und Anwalt die Widersprüche.

 

Weiterhin hat es der Senat vollkommen außer Acht gelassen, dass der Akt der Ausfuhr über Apotheker, die NICHT angeklagt und Mitkglieder der Bande waren, erfolgte. Gerade aber Apotheke und auch die Bande als Vermittler und Besorger sind aber nach BTMG §4 von der §3 Erlaubnis ausgenommen, so dass nur §11 in Frage kommt, was wiederum eine OWi ist.

Aus meiner Sicht sieht es hier wieder nach den Krähen aus, die sich nicht weh tun wollen. Hätte man nämlich die Auslegung des Gesetzes, dass hier wie in tausenden anderen Fällen nur eine OWi vorliegt, angewendet, hätte die Münchner Justiz keinen Verfall anordnet können. Das hätte jetzt Probleme gegeben, nachdem man bereits vor dem ersten Prozess die Vermögensgegenstände der Angeklagten versteigert hatte. Mit dem Urteil des BGH wird die Revision nur soweit zugelassen, dass die Strafen jetzt verringert werden müssen und die Angeklagten doch bitte schön froh sein sollen, dass mit der U-Haft dann wohl das meiste abgesessen ist.

 

Ich finde es sehr schade, wenn hier in den Foren von Juristen die Urteile reflektionslos übernommen werden. Sie hätten sich das Urteil und das BTMG vor einem Kommentar mal durchlesen sollen.

@ anwender: nachdem Sie offenbar einer der beschuldigten in dem verfahren waren, - anders kann die kenntnis von einzelheiten, welche sich nur aus den akten ergeben, nicht beurteilt werden - verbietet sich insoweit jede weitere diskussion mit Ihnen - erst recht nach den diffamierenden und in keiner weise näher begründeten formalbeleidigungen in dem 3. post...

 

Für alle Nutzer sei aber ergänzend noch darauf hingewiesen, dass die von verschiedenen Angeklagten erhobenen Verfassungsbeschwerden durch Beschluss vom 28.04.2011 nicht zur Entscheidung angenommen worden sind!

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

wir freuen uns über Ihre sachlichen Kommentare. Einige Kommentare des Nutzers "Anwender" überschritten klar die Grenze hin zu beleidigenden Äußerungen. Wir haben diese daher entsprechend unserer Richtlinien und unseres Qualitätsanspruchs gelöscht.

 

Danke für Ihr Verständnis.

 

 

 

 

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