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Amnestie bei Thyssen-Krupp

joachim.kretschmer

2013-04-18 15:08

Thyssen-Krupp bietet seinen Mitarbeitern ein Amnestieprogramm, wenn sie über Korruptionsvorwürfe und Kartellverstöße umfassend und wahrheitsgemäß berichten. Darüber wird in diesen Tagen in vielen Medein berichtet. TK steht derzeit im Mittelpunkt vieler vermeintlicher Affären. So durchsuchte das Bundeskartellamt im Februar diesen Jahres Geschäftsräume wegen eines angeblichen Kartellverstoßes bei der Lieferung von Autostahl.

Wie soll sich nun ein Mitarbeiter verhalten, der von solchen Vorwürfen Kenntnis hat, vor allem wenn er sich an solchen auch strafrechtlich relevanten Geschehnissen selbst beteiligt hat? Das berührt die derzeit hoch aktuelle Diskussion der Problematik interner Ermittlungen in Unternehmen. Der Buchmarkt floriert. Kaum eine Zeitschrift, die keinen Beitrag zu dem Thema hat, zuletzt im StraFo. Hier nur einige Stichworte: Im Rahmen privater Ermittlungen in einem Unternehmen gelten die rechtsstaatlichen Schutzrechte wie eine Belehrung nach § 136 StPO oder § 136a StPO und die Selbstbelastungsfreiheit gerade nicht. Das ist die Leitlinie bei aller Kritik. Es herrscht das Regime des Arbeits- und Zivilrechts, es herrscht eine arbeitsvertragliche Auskunftspflicht gegenüber dem Arbeitgeber auch über eigenes Fehlverhalten. Egal, mag man sagen: TK bietet ja eine Amnestie. Aber: Es ist davon auszugehen und das wird vielfach empfohlen, dass die Unternehmen mit den Strafverfolgungsbehörden kooperieren. Koopertation ist strafmildernd, vor allem auch bei der Bemessung etwaiger Geldbußen auch als Verbandsgeldbuße nach § 30 OWiG. Die privaten Ermittlungen stehen demnach im mittelbaren Dienst der Strafverfolgung, ohne dass dieses private Handeln dem Staat direkt zuzurechnen ist. Ein feister Trick! In der privaten Ermittlung ist der Mitarbeiter arbeitsrechtlich verpflichtet, Auskunft zu geben, keine Belehrung, keine Selbstbelastungsfreiheit, kein Anwalt schützt ihn. Nach Weitergabe der Ermittlungen an die Strafverfolgungsbehörde hat der Betroffene diese rechtsstaatlichen Schutzrechte, aber jetzt ist es zu spät, weil die StA schon alles weiß.

Die Lösungsvorschläge sind bekannt: Belehrungspflichten auch bei den privaten Ermittlungen und/oder vor allem ein Beweisverwertungsverbot im Strafverfahren parallel zum Insolvenzrecht. Aber das sind eben nur Vorschläge. Die Praxis sieht anders aus.

Eine Amnestie, die keine ist.

Was soll ein Mitarbeiter tun?

Sagt er intern aus, drohen im bei angenommener Koopertation des Unternehmens mit den Strafverfolgungsbehörden trotzdem strafrechtliche Konsequenzen, da die private Amnestie natürlich den Staat nicht bindet.

Schweigt er, drohen ihm arbeitsrechtliche Konsequenzen und bei Aufdecken der Taten auch noch strafrechtliche Folgen.

Ein Mittelweg, der auch die Freiheitsinteressen des Mitarbeiters und dessen rechtsstaatlichen Schutz bei der berechtigten Aufklärung von Verstößen im Unternehmen berücksichtigt, besteht nicht, oder kennen Sie einen?

 

Privatdozent und Rechtsanwalt Dr. Joachim Kretschmer, Berlin/Bremen

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