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Carmen F. zu Sicherungsverwahrung verurteilt

Meyer-Falk

2015-01-01 14:45

Am 11. Dezember 2014 verurteilte das Landgericht Ravensburg Frau F. zu 6 ½ Jahren und anschließender Unterbringung in der Sicherungsverwahrung.

Zur Vorgeschichte

Vor sechs Jahren ordnete ein Gericht die nachträgliche Unterbringung von Frau F. in der Sicherungsverwahrung an. Obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte schon 2009 entschied, dass die nachträgliche SV gegen die Menschenrechtskonvention verstoße, dauerte es im Fall von Frau F. bis November 2013, bis eine Freilassung erfolgte. Ohne jegliche Vorbereitung wurde sie dann aus der Haft, wo sie die letzten Jahre in strenger Einzelhaft verbracht hatte, auf die Straße gesetzt.

 

Frau F. taucht unter

 

Wiewohl auf freien Fuß gesetzt, stand Frau F. unter Führungsaufsicht, musste u.a. eine sogenannte elektronische Fußfessel tragen, durfte nachts das Zimmer in der Pension, in der sie lebte, nicht verlassen, sowie außerhalb des Hauses kein Feuerzug mit sich führen, da sie ursprünglich wegen Brandstiftung inhaftiert war.

Nach wenigen Wochen tauchte Frau F. unter, sie schnitt die elektronische Fußfessel ab und wanderte durch Feld und Flur.

 

Erneute Festnahme am 30.12.2013

 

Wegen des Verdachts u.a. einen Supermarkt in Brand gesetzt zu haben, wurde Frau F. am vorletzten Tag des Jahres 2013 erneut festgenommen und in die JVA Ravensburg eingeliefert.

 

Das Urteil

 

Nach neun Prozesstagen verurteilte nun das Landgericht Ravensburg Carmen F. zu 6 ½ Jahren Freiheitsstrafe und ordnete die anschließende Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an. Ihr Verteidiger, Dr. Ahmed kündigte umgehend an, Revision einlegen zu wollen, da u.a. der psychiatrische Sachverständige voreingenommen gewesen sei und gegen wesentliche Vorgaben, was die Erstattung eines Prognosegutachtens angeht, verstoßen habe. Im übrigen sei das Gericht fehlerhaft besetzt gewesen.

Der Sachverständige hatte ausgesagt, bei Frau F. bestehe eine exorbitant hohe Rückfallgefahr, auch deshalb, weil sie wegen 46 Brandlegungen vorbestraft sei.

Der 2013 in Brand gesetzte REWE-Supermarkt sei hier auch „herausragend“, so dann das Gericht, da 150.000 Euro Sachschaden entstanden sei.

Zuzugestehen sei, so das Gericht, eine psychische Belastung nach der Haftentlassung, insbesondere durch die elektronische Fußfessel. So hatte die Betreiberfirma einräumen müssen, dass „Fehlalarme“ möglich seien, insbesondere der Akku Mängel aufgewiesen habe. Nur, dies habe dann aus Sicht der Gerichte nichts zu tun mit der Brandlegung, d.h. es scheide eine Einschränkung der Steuerungsfähigkeit aus. Gleichfalls liege keine Persönlichkeitsstörung vor.

 

Ausblick

 

Seit ihrer Festnahme sitzt Frau F. in Einzelhaft und trägt die Situation mit Fassung. Sie pflegt Brieffreundschaften und erhält auch Besuch. Trotz allem hat ihr Schicksal eine tragische Note. Denn bei aller Eigenverantwortlichkeit für ihr Tun weist gerade ihre Entwicklung auf die Mißstände im Strafvollzug hin; wegschließen, viele Jahre in strenger Einzelhaft (die in einem anderen Fall in Baden-Württemberg erst kürzlich zu einem Hungertod führte) und dann auf die Straße gesetzt.

 

Sodann primär als „Gefahrenherd“ betrachtet, von der Polizei auch nachts in der Pension „belästigt“. Frau F. saß menschenrechtswidrig vier Jahre in Sicherungsverwahrung, ein Aspekt, der viel zu sehr unbeachtet blieb. So zeigt der Fall auch, wie beliebig mit elementaren Freiheitsrechten in diesem Land umgegangen wird.

Für die Medien und viele BürgerInnen bleibt Carmen lediglich eine „notorische Brandstifterin“, die am besten auch noch lebenslang weggesperrt gehört. Sich auf einen Dialog einlassen, schauen, weshalb sie so agiert wie geschehen, das tun die Wenigsten.

Und so steht zu befürchten, dass Frau F. viele Jahre ihres Lebens weggesperrt und dann „verwahrt“ werden wird, wie ein „Gefahrgutstück“.

 

Thomas Meyer-Falk, z. Zt. JVA (SV)

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4 Kommentare

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Gefaehrlich ist sie ja und bestraft wird sie dafuer durch eine Sicherheitsverwahrung noch nicht. Die Sicherheitsverwahrung ist eine Art Administrativhaft wie Guantanamo und es stellt sich nur die Frage der Verhaeltnismaessigkeit. 

Sehr geehrter Herr Meyer-Falk,

Ihr Mitgefühl mit der Betroffenen ist ehrenwert, aber die Reaktion der Gesellschaft auf jemanden, der seine (hier: ihre) Freiheit dazu nutzt, Gebäude anzuzünden und damit nicht nur Sachwerte zerstört, sondern auch Menschen  gefährdet, ist verständlich. Die (Fortsetzung der) Sicherungsverwahrung für Frau F. wurde nach meinen Informationen damals trotz entgegenstehender Gutachten abgelehnt, weil das Gericht dies als unverhältnismäßig einschätzte. Sicherlich war es falsch, die Frau ganz ohne Vorbereitung zu entlassen, aber es ist auch nicht jede/r Gefangene bereit, an Therapien und "Übungen" in die Freiheit mitzuwirken. Wie es im Fall F. war, dazu weiß ich nichts. Ja, es ist auch falsch, einen Menschen als "Gefahrenherd", oder wie es lt.  Zeitungen seitens der Polizei hieß: als "tickende Zeitbombe", zu bezeichnen. Aber leider sehen sich nun diejenigen, die das behaupten, auch noch bestätigt.

Die Fußfessel ist problematisch, wenn deren technische Mängel dem Beaufsichtigten angelastet werden. Ich habe auch noch ein gewisses Verständnis dafür, dass jemand sich daraufhin die "Freiheit" verbotenerweise nimmt, die Fußfessel abzulegen und "unterzutauchen". Aber nun kommen wir wieder an den Punkt der Brandstiftung, die hier ja offenbar zwanghaft begangen wurde. Möglicherweise liegt ja doch eine krankhafte Störung vor, die aber eben auch nur eine Maßregel (diesmal nach § 63 StGB)  veranlassen würde, also weiteren Freiheitsentzug.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

a) Frage zu den letzten Sätzen: "offenbar zwanghaft " , aber nur "Möglicherweise liegt ja doch eine krankhafte Störung vor"? Läge diesem Urteil sonst eine zwanghaft begangene Tat ohne krankhafte Störung zugrunde? Indiz?

b) Der Unterschied zwischen Freiheitsentzug zwecks Strafe oder zwecks Sicherung muss wachsen. Das erfodert auch gewaltige Bauinvestitionen. Sind Investitionen in die Verbesserung der Technologie der el. Fußfessel menschlich (und ökonomisch) sinnvoller?

c) Sollte das StGB weitestgehende Einschränkungen des Datenschutzes in Verbindung mit Vorratsdatenspeicherung ermöglichen? Die wäre in solchem Fall dann wohl nicht die untersagte "anlasslose Vorratsdatenspeicherung".

Sehr geehrter Herr Schwarz,

zu a)

ich räume ein, dass das widersprüchlich klingt. Die unklare Ausdrucksweise ist aber der Tatsache geschuldet, dass ich mit dem Fall überhaupt nicht vertraut bin und auch nicht zu viel spekulieren wollte. Nur rein theoretisch: Die erneute Brandstiftung könnte den "zwanghaften" Charakter dieser Handlungsweisen offenbaren, ohne dass es für eine bestehende krankhafte Störung zuvor schon hinreichende Anhaltspunkte gab.

zu b)

beides kann sinnvoll sein. Fraglich ist, ob die Verbesserungen im Vollzug der Sicherungsverwahrung ("Abstandsgebot") nicht eigentlich allen Strafgefangenen zugute kommen müssten. Aber dann würde wieder kein "Abstand" bestehen...

zu c)

der Datenschutz ist im Strafrecht schon sehr eingeschränkt.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

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