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EuGH-Generalanwältin: Wann gilt im Online-Handel ausländisches Verbraucherschutzrecht?

foehlisch

2010-07-29 15:07

Durch eine Ausrichtung des Online-Shops auf Verbraucher mit Sitz im Ausland laufen viele Händler Gefahr, das Verbraucherschutzrecht des Ziellandes beachten zu müssen und im Streitfall im Staat des Verbrauchers verklagt zu werden. Aber anhand welcher Kriterien kann man beurteilen, ob ein Shop auf das Ausland ausgerichtet ist? EuGH-Generalanwältin Trstenjak hat nun einen solchen Kriterienkatalog vorgelegt.

Im Ausgangsverfahren C-585/08 stehen sich ein Kläger mit Wohnsitz in Österreich und eine beklagte Reederei mit Sitz in Deutschland wegen Rückzahlung eines Betrages gegenüber.

Die erste Instanz erklärte sich für international und örtlich zuständig, da der Vertrag ein Verbraucher- bzw. ein Pauschalreisevertrag sei, da die Vermittlergesellschaft über die Website ihre Werbetätigkeit in Österreich auch für die Beklagte entfaltet hatte. Der Oberste Gerichtshof von Österreich setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

1. "Stellt eine „Frachtschiffsreise“ eine Pauschalreise im Sinne des Art. 15 Abs. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 dar?
2. Bei Bejahung von Frage 1: Reicht für das „Ausrichten“ der Tätigkeit im Sinne von Art. 15 Abs. 1 lit. c der Verordnung Nr. 44/2001 aus, dass eine Website eines Vermittlers im Internet abrufbar ist?"

Im Ausgangsverfahren C-144/09 stehen ein Hotel (die Klägerin) mit Sitz in Österreich und der beklagte Verbraucher mit Wohnsitz in Deutschland wegen Zahlung eines Betrags von 5.248,30 Euro für die Inanspruchnahme von Hotelleistungen gegenüber.

Der Verbraucher wurde von dem Hotel in Österreich auf Zahlung der restlichen Summe verklagt. Der Beklagte rügte die internationale und örtliche Zuständigkeit des Gerichts. Das österreichische Gericht setzte dieses Verfahren ebenfalls aus und legte dem EuGH die folgenden Frage zur Vorabentscheidung vor:

"Reicht für das „Ausrichten“ der Tätigkeit im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 aus, dass eine Website des Vertragspartners des Verbrauchers im Internet abrufbar ist?"

Generalanwältin Trstenjak stellt sie eine Reihe von Kriterien auf, um das internationale Ausrichten von Websiten bewerten zu können. Dabei unterscheidet sie zwischen sog. passiven Webseiten und interaktiven Webseiten, also z.B. Online-Shops.

Zunächst muss der Inhalt der Website auf Indizien, die für eine internationale Ausrichtung sprechen, überprüft werden. Diese sind z.B.

* Angabe der Internationalen Vorwahl bei Telefon- und Faxnummer,
* Hinweis auf eigene Servicenummer für Verbraucher aus dem Ausland,
* Wegbeschreibung von anderen Mitgliedstaaten zum Ort, an dem der Unternehmer seine Tätigkeiten ausübt,
* Möglichkeit der Abfrage, ob weitere Ware auf Lager ist oder ob eine Dienstleistung erbracht werden kann,
* Möglichkeit für Verbraucher aus anderen Mitgliedstaaten, einen Newsletter über Dienstleistungen und Waren im Angebot des Unternehmers zu abbonieren
* bei interaktiven Websites, also z.B. OnlineShops: Möglichkeit des Verbrauchers im Bestellprozess verschiedene Länder als Lieferländer auszuwählen.

Die bloße Angabe einer E-Mail-Adresse auf der Website reicht dagegen nicht aus (da dies eine Pflichtinformation aus der e-Commerce-Richtlinie ist).

Weitere Kriterien: Geschäfte der Vergangenheit, Verwendete Sprache, Verwendete Top-Level-Domain, Art der Angebotenen Tätigkeiten, Werbung im Ausland.

Die Generalanwältin schlägt dem EuGH vor, auf die Vorlagefragen wie folgt zu antworten:

"...2. Für das "Ausrichten" der Tätigkeit im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 44/2001 reicht es nicht aus, dass die Website des Vertragspartners, der eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt, im Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers im Internet abrufbar ist. Das nationale Gericht hat unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles zu beurteilen, ob der Vertragspartner, der eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt, seine Tätigkeit auf den Wohnsitzmitgliedsstaat des Verbrauchers ausrichtet. Wichtige Beurteilungsfaktoren sind insbesondere der Inhalt der Website, die bisherige Geschäftstätigkeit des Vertragspartners, der eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt, die Art der verwendeten Internetdomain und die Nutzung der Möglichkeiten, über das Internet oder auf sonstige Weise zu werben."

http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/form.pl?lang=DE&Submit=Submit&numa...
http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/form.pl?lang=DE&Submit=Submit&numa...
http://www.shopbetreiber-blog.de/2010/07/29/eugh-generalanwaltin-wann-gi...
Siehe auch: Clausnitzer: Gerichtsstands- und Rechtswahlfreiheit bei grenzüberschreitenden Onlineverträgen - – Anmerkungen zur mündlichen Verhandlung der Vorabentscheidungsverfahren C-144/09 (Hotel Alpenhof) sowie C-585/08 (Pammer) – EuZW 2010, 374

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Wohl (+), wenn „der Internetauftritt sich auch bestimmungsgemäß in Deutschland auswirken soll“ (BGH, Urteil vom 30.06.2006, Az.: I ZR 24/03). Der „wirtschaftlich relevante Inlandsbezug“ (BGH, Urteil vom 13.10.2004, Az.: I ZR 163/02) muss gegeben sein.

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