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Der Sonnenuntergang findet zwei Jahre später statt oder auch nicht?

ProfessorChristianWolf

2010-07-30 12:08

Der Sonnenuntergang findet zwei Jahre später statt oder auch nicht?

Inzwischen steht es im Bundesgesetzblatt: BGBl. I Nr. 39. vom 29. Juli 2010, S. 977, 979. Die Gültigkeitsdauer des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz ist um zwei Jahre bis zum 31. Oktober 2012 verlängert worden. In Art 9 Abs. 2 wurden die Angabe "2010" durch die Angabe "2012" ersetzt. So steht es in Art. 5 des Gesetzes zur Einführung einer Musterwiderrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge. Ist die Anwendung des KapMuG daher bis einschließlich dem 31. Oktober 2012 verlängert worden?

Die Frage aufzuwerfen ist alles andere als trivial. Das KapMuG sollte, so die ursprüngliche Intension des Gesetzgebers von 2005, nur befristet gelten, damit der Gesetzgeber von 2010 eine bewusste Entscheidung über die Verlängerung des KapMuG zu treffen hat. Hierzu hat der Gesetzgeber an zwei Stellen eine "Sunset Klausel" eingefügt, nämlich in Art. 9 des Einführungsgesetzes und in § 20 KapMuG. Beide Bestimmungen waren aufeinander abgestimmt. Art. 9 des Einführungsgesetzes enthält die eigentliche „Sunset-Klausel“, welche anordnete dass das KapMuG zum 1.11.2010 außer Kraft trete. § 20 KapMuG enthält die hingegen die Übergangsregelung (Vgl. Wolf in Vorwerk/Wolf, KapMuG, § 20 Rdnr. 3 und 4 f.).

Die Übergangsregelung besagt:

 20 KapMuG: "Auf Verfahren, in denen vor dem 1. November 2010 ein  Musterfeststellungsantrag gestellt wurde, finden dieses Gesetz und die  durch die Artikel 2 bis 8 des Gesetzes zur Einführung von  Kapitalanleger-Musterverfahren geänderten Rechtsvorschriften in der vor  dem 1. November 2010 geltenden Fassung weiterhin Anwendung."

Das Gesetzes zur Einführung einer Musterwiderrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge (BGBl. I 2010, 979) hat aber nur Art. 9 des Einführungsgesetzes des KapMuGs geändert, nicht jedoch § 20 KapMuG. Hier ist die Angabe 2010 nicht durch die Angabe 2012 ersetzt worden.

Nimmt man die gesetzliche Änderung wörtlich bedeutet dies: Das KapMuG gilt zwar bis zum 31. Oktober 2012, jedoch findet es nur auf Verfahren Anwendung, in denen bis zum 31. Oktober 2010 ein Musterfeststellungsantrag gestellt wurde. Wird nach dem 31. Oktober 2010 ein Musterfeststellungsantrag gestellt - so jedenfalls kann man § 20 KapMuG lesen - gilt das Gesetz zwar noch weiter, ist aber nicht mehr anzuwenden.

Der Widerspruch zwischen der jetzigen Fassung von Art. 9 des Einführungsgesetz und § 20 KapMuG lässt sich vielleicht noch durch Interpretation auflösen. Immerhin sagt § 20 KapMuG explizit nicht, was für Musterfeststellungsanträge gelten soll, welche nach dem 31. Oktober 2012 gestellt werden. Der Umkehrschluss, dass für diese Verfahren das KapMuG nicht mehr angewendet werden soll, liegt zwar nahe und war vom Gesetzgeber (2005) ursprünglich auch so verstanden worden. Durch die Änderung von Art. 9 Einführungsgesetz - so kann man argumentieren - ist § 20 KapMuG so zu lesen, dass auch auf Verfahren, in den nach dem 31. Oktober 2010 der Musterfeststellungsantrag gestellt wird, das KapMuG anzuwenden ist. § 20 KapMuG wäre damit obsolet.

Schon alleine wegen der mit Musterverfahren verbundenen wirtschaftlichen Bedeutung der Rechtsstreitigkeiten ist in Musterverfahren zwischen den Parteien häufig mehr umstritten als sonst. Der Gesetzgeber sollte die Frage, wie § 20 KapMuG nach dem 31. Oktober 2010 zu lesen ist, nicht erst einer gerichtlichen Klärung durch den BGH überantworten, sondern so schnell wie möglich nachbessern. Zumal es in jedem Fall für die Zeit nach dem 31.10.2012 an einer Übergangsregelung fehlt.

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