Ogorek, JuS 2013, 639: Referendarexamensklausur – Öffentliches Recht: Polizeirecht – Wissen schaffen ohne Waffen!
Urte.Huesch
2013-07-18 10:36Das Führen von Anscheinswaffen ist laut WaffG grundsätzlich verboten. Aber was gilt, wenn Kunst ins Spiel kommt? Diskutieren Sie live und kostenlos direkt mit dem Autor: Freitag, 26. 7. 2013, 14–16 Uhr
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11 Kommentare
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Schöner komplexer Fall, hat mir gut gefallen!
MM kommentiert am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Ogorek,
zunächst vielen Dank für den interessanten und aktuellen Fall.
Ich hätte eine Frage zum Klage des A gegen die Vollstreckung:
Hätte man die Rechtswidrigkeit des Vollstreckung nicht schon i.R.d. allg. Vollstreckungsvoraussetzungen wegen der Rechtswidrigkeit des VA annehmen können und nicht erst unter "b) Art und Weise der Vollstreckung"? Denn die Rspr. fordert doch dann (für § 6 I VwVG Bund) einen rechtmäßigen VA, wenn wegen der schnellen Erledigung des GrundVA Rechtsschutz auf Primärebene nicht einmal im einstweiligen Rechtsschutz möglich war. Mit Blick auf Art. 19 IV GG muss dann auf Sekundärebene die Rechtmäßigkeit des VA inzident geprüft werden.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Ogorek kommentiert am Permanenter Link
Lieber Leser,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage. Ob die Rechtmäßigkeit des Grund-VA im Rahmen der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen zu prüfen ist, wird in Rspr. und Lit. uneinheitlich beurteilt. Zum Teil wird mit Hinweis auf den Wortlaut des § 50 I PolG NRW - der ein Rechtmäßigkeitserfordernis nicht vorsieht - lediglich ein wirksamer VA gefordert. Hierfür spricht auch ein Vergleich mit § 50 II PolG NRW, der mit dem Merkmal "innerhalb ihrer Befugnisse" nach allg. Ansicht die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer hypothetischen/fiktiven Grundverfügung verlangt.
Andere postulieren dagegen einen Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen Grund-VA und Vollstreckung. Mit anderen Worten: Die Vollstreckung soll bereits dann rechtswidrig sein, wenn der Grund-VA rechtswidrig ist. Hierfür könnte meines Erachtens sprechen, dass durch die Vollstreckung eines rechtswidrigen VA das behördlicherseits begangene Unrecht vertieft wird. Darüber hinaus lässt sich argumentieren, dass die Vollstreckung vor Bestandskraft des VA immer nur vorläufig zulässig (und damit rechtmäßig ist). Schließlich kann - wie Sie es vorschlagen - auf Art. 19 IV GG Bezug genommen werden. Aufgrund der raschen zeitlichen Abfolge kann es nämlich bei der Vollstreckung im Polizeirecht zu einer Rechtsschutzeinbuße kommen. Diese Rechtsschutzeinbuße wollen einige dadurch ausgleichen, dass sie die Rechtmäßigkeit der Vollstreckung von der Rechtmäßigkeit der Grundverfügung abhängig machen (hiergegen lässt sich freilich geltend machen, dass die Rechtsschutzeinbuße lediglich eine Konsequenz der "Situationsgebundenheit" polizeilichen Handelns ist).
Vorgeschlagen wird auch, danach zu differenzieren, ob ein VA bereits bestandskräftig ist. Ein Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen Grund-VA und Vollstreckung soll nach dieser Auffassung nur dann bestehen, wenn die Verwaltung einen (noch nicht unanfechtbaren) VA vollstreckt, der nach § 80 II VwGO sofort vollziehbar ist. Hierfür könnte sprechen, dass eine gerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle der Grundverfügung noch nicht stattgefunden hat und bei lediglich nach § 80 II VwGO vollstreckbaren Verwaltungsakten noch erfolgen kann. Die Verwaltung vollstreckt also, wenn Sie den Eintritt der Bestandskraft nicht abwartet, gewissermaßen auf eigenes Risiko.
Wenn Sie einen Rechtmäßigkeitszusammenhang zwischen Grund-VA und Vollstreckung bejahen, müssen Sie die Rechtmäßigkeit des Grund-VA im Rahmen der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen prüfen. Der von Ihnen vorgeschlagene Lösungsweg ist also durchaus gangbar.
Achmed kommentiert am Permanenter Link
Interessante Überlegungen! Sehr lehrreich!
Gast1 kommentiert am Permanenter Link
Sie schreiben: "Wenn man einen Rechtmäßigkeitszusammenhang zwischen Grund-VA und Vollstreckung bejaht, muss man in der Tat die Rechtmäßigkeit des Grund-VA im Rahmen der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen prüfen. Der von Ihnen vorgeschlagene Lösungsweg ist also durchaus gangbar."
Also gibt es mehrere Aufbaumöglichkeiten.
Damit habe ich nun (auch in vergleichbaren Konstellationen) folgendes Problem:
Man darf ja den eigenen Aufbau nicht kommentieren. Wie kann man sich gegen die Gefahr absichern, dass der Korrektor auf Grund einer anderen Hintergrundtheorie den davon abweichenden (obwohl vertretbaren) Aufbau für falsch erklärt?
Prof. Dr. Ogorek kommentiert am Permanenter Link
Lieber Leser,
in meinem Fall war die Frage nach dem Rechtswidrigkeitszusammenhang nicht entscheidungserheblich, weil die Vollstreckung im gestreckten Verfahren jedenfalls wegen der fehlenden Androhung rechtswidrig war. Im Einzelfall mag das aber anders sein. Auch dann wird Ihnen aber niemand einen Strick daraus drehen, wenn Sie sich anders als die "Musterlösung" entscheiden.
Generell gilt: Sie sollten "Aufbaufragen" nicht überbewerten. Wenn Sie im Rahmen der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen die Frage aufwerfen, ob die Rechtmäßigkeit des Grund-VA zu prüfen ist, dann haben Sie das eigentliche Problem bereits benannt. Ob Sie dann der einen oder der anderen Ansicht folgen, spielt für die Bewertung keine Rolle. Entscheidend ist, dass Sie argumentativ Stellung nehmen. Im Examen werden Ihre Klausuren von erfahrenen Praktikern und Hochschullehrern durchgesehen. Nach meiner Erfahrung sind diese weitaus weniger auf einen bestimmten Lösungsweg fixiert als die (teilweise noch sehr jungen) Korrekturassistenten an der Universität, die sich häufig sehr stark an einer Lösungsskizze orientieren.
MM kommentiert am Permanenter Link
@Gast1:
Wenn man erklärt, weshalb, trotz des Wortlauts des Abs. I und der systematischen Stellung zu Abs. II, ein rechtmäßiger VA vorliegen muss (kein vertieftes Unrecht, Art. 19 IV GG, etc.), dann erklärt sich die anschließende Inzidentprüfung m.E. völlig legitim von selbst (im Gr. ist man im "normalen" Gutachtenstil. Also vergleichbar mit: "Dazu müsste ein VA vorliegen...Voraussetzeung dafür ist...").
Prof. Dr. Ogorek kommentiert am Permanenter Link
Genau! Wenn man die Frage des Rechtswidrigkeitszusammenhangs diskutiert und dann zu dem Ergebnis gelangt, dass die RMK des VA zu prüfen ist, dann hat man in gewisser Weise die weitere Prüfung "erklärt". Genau genommen handelt sich in diesem Fall nicht nur um eine Aufbaufrage, sondern auch um eine inhaltliche Frage. Sie klären ja, wie der Maßstab für die Prüfung der RMK der Vollstreckungsmaßnahme aussieht.
Gast1 kommentiert am Permanenter Link
Danke für die beruhigende Antwort zur Aufbauthematik.
Nun noch eine Frage zu den Fußnoten:
Muss man beim Durcharbeiten einer solchen Fall-Lösung alles lesen (und behalten), was in den Fußnoten zitiert wird oder sind das Vertiefungshinweise?
Prof. Dr. Ogorek kommentiert am Permanenter Link
Das sind (natürlich!) nur Vertiefungshinweise. Manchmal finden sich in den Fn. allerdings auch inhaltliche Aussagen (was man als Autor vermeiden sollte, es klappt aber nicht immer). Daher würde ich auf jeden Fall einmal einen kurzen Blick auf die Fußnoten werfen, um nicht einen (alternativen) Lösungsansatz oder Gedanken des Autors zu übersehen, der im eigentlichen Text nicht erwähnt wird. Die Nachweise in den Fußnoten würde ich nachschlagen, wenn irgendetwas besonders interessant oder vielleicht unklar geblieben ist.
Übrigens: Ich finde es wirklich ganz toll, dass Sie sich die Zeit nehmen, um Probeklausuren zu lösen. Meines Erachtens ist dies der einzige Weg, das Examen zu meistern. Das Klausurenschreiben mag oft zwar frustrierend sein. Im Examen zahlt es sich aber ganz sicher aus, schon wegen der Zeitenteilung, die eingeübt werden muss. Außerdem gilt: Einen Fehler, den man in einer Probeklausur gemacht hat, begeht man im Examen nicht mehr!
Prof. Dr. Ogorek kommentiert am Permanenter Link
Liebe Gesprächsrunde,
Ich bedanke mich für Ihr Interesse und wünsche Ihnen für Ihr weiteres Studium und Ihr Examen alles Gute!
Ihr
Markus Ogorek