Im Ort 106 km/h statt erlaubter 50 km/h: OLG Düsseldorf findet Annahme von Vorsatz rechtsfehlerhaft

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 28.04.2016

Na, es war eine vierspurige Straße. Verteidiger wird`s freuen:

Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene mit seinem Fahrzeug am 22. Oktober 2013 gegen 20:48 Uhr in S. die K.A.-Straße in Fahrtrichtung Wu. In Höhe des W.-Marktes, wo die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 50 km/h beschränkt ist, „betrug die von ihm gefahrene Geschwindigkeit unter Abzug eines Töleranzabzuges 106 km/h“ Die Messung erfolgte mittels eines Messgerätes Einseitensensor ES 3.0 des Herstellers ESO GmbH.

Nach den Urteilsfeststellungen handelte der Betroffene vorsätzlich, „da er erkennen musste, dass er unter Berücksichtigung der Tageszeit und der Fahrbahnverhältnisse die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als einhundert Prozent überschritten hat. Es handelt sich bei der K.A.-Straße an der Messstelle um eine in Fahrtrichtung Wu. vierspurig geführte Straße, wobei eine der Fahrspuren breiter als 3,50 m ist. Das ergibt sich zudem daraus, dass der Betroffene nach der Messung zu der Messstelle zurückgekehrt ist, um die tatsächlich von Ihnen erreichte Geschwindigkeit zu erfahren.“
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen:

Die amtsgerichtlichen Feststellungen tragen den Schuldspruch der vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb geschlossener Ortschaften um 56 km/h nicht.
Zwar teilt der Amtsrichter das angewandte Messverfahren mit, bei dem es sich um ein standardisiertes Messverfahren handelt. Es fehlen jedoch vollständige Angaben zu dem vorgenommenen Toleranzabzug. Dem Urteil ist lediglich zu entnehmen, dass überhaupt ein Toleranzabzug vorgenommen worden ist. Angaben zu dessen Höhe fehlen dagegen. Dem Senat ist es somit nicht möglich zu überprüfen, ob mögliche Fehlerquellen ausreichend berücksichtigt worden sind. Ohne entsprechende Angaben zur Höhe des Toleranzwertes kann das Rechtsbeschwerdegericht aber nicht beurteilen, ob der Schuldspruch wegen vorsätzlicher Tatbegehung jedenfalls angesichts des Ausmaßes der Geschwindigkeitsüberschreitung zu Recht ergangen ist und die vom Tatrichter verhängten Rechtsfolgen - insbesondere das zweimonatige Fahrverbot - zutreffend festgesetzt worden sind. Die Ausführungen des Amtsgerichts zur Tageszeit, zum Ausbauzustand der befahrenen Straße und zu der Rückkehr des Betroffenen zur Messstelle lassen für sich genommen den Schluss auf vorsätzliche Tatbegehung nicht zu.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.01.2016 - IV-3 RBs 132/15

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4 Kommentare

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Jepp. Was jetzt der Toleranzwert mit dem Vorsatz zu tun haben soll bzw warum man ihn braucht, um das aus mehreren Indizien abgeleitete Tatbestandsmerkmal "Vorsatz" festzustellen (zumal bei der absoluten und relativen Überschreitung wie hier), verstehe ich auch nicht. 

Aber da gilt wohl wieder mal die alte Weisheit: die Entscheidung des Amtsgerichts ist im Ergebnis richtig und in der Begründung falsch, die des Landgerichts in der Begründung richtig, aber im Ergebnis falsch und die des OLG in Ergebnis und Begründung falsch.

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Naja, die Überschrift zum Blogeintrag ist ein wenig verzerrend: Das OLG hat ja nciht die Annahme als solche für rechtsfehlerhaft gehalten, sondern die Darstellung in den Urteilsgründen für nicht ausreichend.

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Sehr an dem Urteil auch weder Problem noch Mitteilungswürdigkeit. Die Sachverhaltsdarstellung ist unvollständig und trägt daher den Schuldspruch nicht.

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