TMG-Novelle: Offene WLAN-Hotspots - Koalition will Störerhaftung abschaffen

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 11.05.2016

Wir haben das Thema hier im Blog diskutiert, aber was meinen Sie zu dem Gesetzesentwurf?

Bislang mussten die privaten Betreiber von Hotspots für das Fehlverhalten von Nutzern - etwa beim illegalen Download von Songs oder Filmen - im Wege der Störerhaftung geradestehen. Künftig sollen auch private oder nebengewerbliche Anbieter wie Restaurant-Besitzer das Haftungsprivileg von gewerblichen Internet-Providern genießen. Anscheinend haben sich die Beteiligten darauf verständigt, dass weder eine Verschlüsselung, noch eine Vorschaltseite oder eine Rechtstreuebelehrung erforderlich sein soll, um eine Haftungsprivilegierung zu erreichen.

Jetzt soll alles ganz schnell gehen. Geplant ist, dass das Plenum des Deutschen Bundestages bereits in der kommenden Woche hierzu einen Beschluss fasst.

Was halten sie von dieser Maßnahme? Überfällig?

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Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
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15 Kommentare

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Super. Der letzte Entwurf bewirkte jdf. nach den Kritikern das Gegenteil des eigentlichen Gesetzesziels. Gut, wenn/dass man diese (positive) Kritik aufgenommen hat.

Interessant wird die Frage, wie sich das auf das Gewerbe der p2p-Abmahner auswirken wird.

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Gute Frage. Das Urheberrecht wird ja nicht geändert ...

Angenommen, ein mir unbekannter Nutzer nutzt meinen offenen WLAN-Anschluss zum illegalen Filesharing, meine IP-Adresse wird festgestellt und ich erhalte als Anschlussinhaber eine Abmahnung. Was passiert dann?

Kann der Empfänger nunmehr die Abmahnung in den Papierkorb werfen, mit der Begründung, er hat offenes WLAN?

Oder noch mehr auf den Punkt gebracht: Was passiert, wenn der unbekannte Nutzer Straftaten über den Anschluss betreibt? Muss der WLAN-Inhaber damit rechnen, dass die Polizei vor der Tür steht und den Rechner beschlagnahmt?

axel.spies schrieb:
Angenommen, ein mir unbekannter Nutzer nutzt meinen offenen WLAN-Anschluss zum illegalen Filesharing, meine IP-Adresse wird festgestellt und ich erhalte als Anschlussinhaber eine Abmahnung. Was passiert dann?

Kann der Empfänger nunmehr die Abmahnung in den Papierkorb werfen, mit der Begründung, er hat offenes WLAN?


 

Es dürfte dasselbe gelten wie wenn bspw. die Telekom eine Abmahnung bekommen würde, weil jemand über ihr Datennetz Urheberrechtsverletzungen begeht oder - den Bogen etwas weiter gespannt - per Telefon eine Beleidigung ausgesprochen hat. Mit anderen Worten: keine Haftung, keine rechtliche Verantwortlichkeit.

 

axel.spies schrieb:
Oder noch mehr auf den Punkt gebracht: Was passiert, wenn der unbekannte Nutzer Straftaten über den Anschluss betreibt? Muss der WLAN-Inhaber damit rechnen, dass die Polizei vor der Tür steht und den Rechner beschlagnahmt?

 

Wiederum dürfte dasselbe wie bei der Telekom gelten: Wenn für die Ermittlung erforderlich, kann auch bei Dritten durchsucht werden. Die Hürde dafür ist natürlich nicht gering, zumal hier - anders als bei der Telekom - auch immer persönliche Daten des Dritten betroffen sein dürften.

Mir erscheint aber fraglich, ob die Beschlagnahme ermittlungstechnisch irgendeinen Sinn hätte. Wäre denn noch festzustellen, wer die Tat über ein offenes W-Lan begangen hat?

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Ebenso wenig wie der Betreiber einer Strasse für Hehlereigeschäfte haftet, die dort getätigt werden kann den Betreiber eines WLAN die Haftung für eine Urheberrechtsverletzung treffen. Die Störerhaftung war von Anfang an ein Geschenk der geneigten Rechtsprechung für die Musik- und Medienindustrie. Endlich wird das jetzt in Berlin korrigiert. Spät genug.

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@Dr. Spies Zu Ihrer letzten Frage "auf den Punkt gebracht":
Wieso sollte die Abschaffung der zivilrechtlichen Störerhaftung vor strafrechtlichen Ermittlungen schützen? Wenn eine Straftat über den Anschluss begangen wurde,wird der Inhaber entweder als Dritter nach § 103 oder aber - je nachdem, worum es bei der Tat geht und wer als Täter verdächtig erscheint - als Beschuldigter nach 102 StPO durchaus mit Hausbesuchen rechnen müssen. Wenn der Router und der Rechner als Tatmittel in Betracht kommen, werden sie wohl eingepackt werden.

Das zivilrechtliche Bankgeheimnis führt ja auch nicht dazu, dass Ermittlungsbehörden keine Kontounterlagen erhalten, ganz im Gegenteil bekommen sie die in aller Regel sogar ohne richterlichen Beschluss.
 

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Extrem kurzsichtig. Damit kann nicht nur völlig anonym jede Form von Medien kostenlos verbreitet werden (der einzige Fall, an den die Möchtegern-Rebellen im Netz jetzt denken), sondern auch Personlichkeitsrechtsverletzungen, Mobbing, Rufschädigung, extremistische Propaganda. Wer glaubt denn ernsthaft, dass man das in Zukunft alles nur noch übers Strafrecht lösen könnte, wenn der Weg in der Praxis seit langer Zeit aus gutem Grund in die andere Richtung (also zum Zivilrecht) verläuft? Ganz zu schweigen von der Zukunft, in der über 3D-Drucker zahlreiche weitere Branchen betroffen sein werden. Und das alles für eine aussterbende Netzwerkform, die bereits heute schon in großen Teilen durch LTE und vergleichbares überfllüssig gemacht wird? Und alle plappern das Märchen von den bösen Abmahnanwälten nach, weils so schön cool klingt, ohne drüber nachzudenken, was für ein Kuckucksei sie damit ins Nest gelegt bekommen...

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...Personlichkeitsrechtsverletzungen, Mobbing, Rufschädigung, extremistische Propaganda.

Als ob unsere Störerhaftung Osama Bin Laden, Böhmermann und die AfD verhindert hätte. Das einzige, was wirklich verhindert wird, ist die Versorgung mit Netzqualität.

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Ich halte es für Unsinn, ständig kommentarlos subalterne Internetlinks zu posten ohne wenigstens anzugeben oder zu zitieren, was die wesentliche Aussage dieses Links ist, also ohne den Link im Zweifel selbst zur Kenntnis genommen zu haben, andernfalls man ja die Kernaussage angeben könnte. Auf diese Weise wird man gezwungen, ständig Links zu Beiträgen anzuklicken, die völliger Unsinn bzw. nichtssagend sind.

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Auf die genaue Ausgestaltung des Gesetzes wird es ankommen. Muss beispielsweise der Betreiber des Routers nachweisen, dass er anderen das Passwort gegeben hat, bzw. dass er den Router als Hotspot betrieben hat?

Je nach Logs des Routers lassen sich möglicherweise tatsächlich nutzbare Daten finden. Beispielsweise die MAC-Adresse der zum entsprechenden Tatzeitpunkt eingeloggten Geräte.

"völlig anonym"

So kann auch nur jemand reden, der noch nie etwas von einer MAC-Adresse gehört hat.

Die MAC-Adresse wird aber nicht geroutet. Sprich, nur ein Gerät im Netz des Anschlussinhabers kann die MAC-Adresse loggen (üblicherweise macht das der heimische Router), nicht aber der Provider oder gar der Kommunikationspartner. Zur Identifikation eines Geräts im Internet ist sie damit ungeeignet.

Zudem lässt sich die MAC-Adresse auch vom Betriebssystem aus ändern. Zur Identifikation eines Gerätes ist sie also selbst im Heimnetz ungeeignet.

Im übrigen kann man von einem Gerät nicht zwangsläufig auch auf einen Nutzer schließen.

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Der BGH rückt auch schon mal von seiner Störerhaftung ab:

Als Grund für die Haftung kam vorliegend nur in Betracht, dass die Beklagte ihre Nichte und deren Lebensgefährten nicht über die Rechtswidrigkeit der Teilnahme an Internet-Tauschbörsen belehrt hat. Der Beklagten war eine entsprechende Belehrung ohne konkrete Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Nutzung des Internetanschlusses nicht zumutbar. Den Inhaber eines Internetanschlusses, der volljährigen Mitgliedern seiner Wohngemeinschaft, seinen volljährigen Besuchern oder Gästen einen Zugang zu seinem Internetanschluss ermöglicht, trifft keine anlasslose Belehrungs- und Überwachungspflicht.

BGH, Urteile vom 12. Mai 2016 - I ZR 272/14, I ZR 1/15, I ZR 43/15, I ZR 44/15, I ZR 48/15 und I ZR 86/15 (PM: http://goo.gl/eQNfcQ )

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Wie zu erwarten war hat der Deutsche Bundestag heute den „Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes“ (BT-Drs.: 18/6745) beschlossen.  In der Begründung heißt es:

" Die Haftung der WLAN-Betreiber für Rechtsverletzungen ihrer Nutzer ist im TMG zu präzisieren. Hierzu ist zum einen klarzustellen, dass solche Betreiber Zugangsanbieter im Sinne des § 8 TMG sind. Zum anderen ist klarzustellen, dass für WLAN-Betreiber auch eine Haftung als sogenannter Störer nicht in Betracht kommt, wenn die Betreiber bestimmte Sorgfaltspflichten erfüllt haben. Zudem soll in diesem Gesetz geregelt werden, dass sich Host-Provider, deren Geschäftsmodell im Wesentlichen auf der Verletzung von Urheberrechten aufbaut, nicht auf das Haftungsprivileg berufen können sollen, das sie nach § 10 TMG genießen."

Ist das gelungen?

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