OVG Münster: Sexfilm-Sammler hat keinen Anspruch auf Kopie eines indizierten Filmes gegenüber der Bundesprüfstelle

von Prof. Dr. Marc Liesching, veröffentlicht am 30.06.2016
Rechtsgebiete: Informationsrecht|8618 Aufrufe

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat durch Urteil vom 24.5.2016 (Az. 15 A 2051/14) entschieden, dass einem Sexfilm-Sammler kein Anspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) auf Herausgabe einer Kopie eines indizierten pornographischen Filmes gegenüber der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) zusteht. Der Senat hat damit die gegenteilige Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts Köln (Urteil vom 22.9.2014 (Az. 13 K 4674/13, BeckRS 2014, 56576) nicht bestätigt.

1. Das Gericht lässt zunächst offen, ob bei einem von der Bundesprüfstelle nach der Listenaufnahme archivierten pornographischen Film schon das Vorliegen einer „amtlichen Information“ i.S.d. IFG zu verneinen ist. Der Senat hält einerseits eine teleologische Reduktion des weiten Rechtsbegriffs für möglich, wenn mit dem Begehren rein private Zwecke verfolgt werden und der begehrte Film als Unterhaltungsmedium keinen „über sich selbst hinaus weisenden sachlich-inhaltlichen Aussagegehalt“ hat. Andererseits seien der grundsätzlich weite Begriff der Information und die im IFG geregelten, grundsätzlich abschließenden Ausschlussgründe zu berücksichtigen.

2. Der Senat erachtet indes die Ausschlussgründe des § 6 Abs. 1 IFG und des § 3 Nr. 2 IFG für gegeben und folgt damit der Argumentation der beklagten Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien.

a) Nach § 6 Abs. 1 S. 1 IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, soweit der Schutz geistigen Eigentums entgegensteht. Der Senat führt aus, dass die Herstellung und Aushändigung einer Kopie des indizierten Filmes sowohl in das Vervielfältigungsrecht (§ 16 UrhG) als auch in das Verbreitungsrecht (§ 17 UrhG) eingreife. Diese Eingriffe seien jedoch nicht durch die Urheberrechtsschranke des § 53 UrhG gerechtfertigt, da die Verwertungshandlungen nicht durch eine private Person und auch nicht zum privaten Gebrauch vorgenommen würden. Denn die Vervielfältigung und Verbreitung wäre von der BPjM vorzunehmen, die insoweit auch nicht als Werkunternehmer/Auftraggeber (vgl. § 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 4b), Satz 2 Nr. 2) gegenüber dem Kläger anzusehen ist.

b) Nach § 3 Nr. 2 IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang auch nicht, wenn das Bekanntwerden der Information die öffentliche Sicherheit gefährden kann. Dies hat der Senat u.a. deshalb angenommen, da die Informationserteilung durch Ausgabe einer Kopie des indizierten Filmes „sowohl die Unversehrtheit und Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtung BPjM im Hinblick auf die Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe nach §§ 17 Abs. 2, 18, 21 JuSchG beeinträchtigten als absehbar auch die Einhaltung und Überwachung insbesondere der Verbreitungsverbote des § 15 JuSchG beinträchtigen würde".

Der gesetzlichen Aufgabe der Bundesprüfstelle widerspräche es namentlich diametral, wenn sie über das IFG verpflichtet wäre, „Medien, die sie selbst durch ihre Indizierungsentscheidung in der Reichweite des § 15 Abs. 1 JuSchG einer Präsentation, Verbreitung, Abgabe und Werbung entzogen hat, im selben Moment einer potentiell unbestimmbaren Anzahl von Personen wieder zugänglich machen zu müssen.“ Hierdurch würden die Präsentations-, Verbreitungs-, Abgabe- und Werbeverbote für Trägermedien nach § 15 Abs. 1 JuSchG „substanziell ausgehöhlt“.

Der Senat stellt im Hinblick auf die Gefährdung auch auf die Breitenwirkung eines gewährten Informationszugangs ab, welcher ca. 4000 bis 5000 (vergriffene) indizierte Medien betreffe, „die insbesondere auch einen rechtsextremistischen oder pädophil-orientierten – nicht aber notwendigerweise i.S.v. § 15 Abs. 2 Nr. 1 JuSchG strafbaren – Inhalt hätten“.

3. Ergänzend weist das OVG Münster darauf hin, dass selbst bei Bejahung aller materiellen Anspruchsvoraussetzungen des IFG ein Anspruch auf Herausgabe einer Kopie des Filmes zu verneinen gewesen wäre. Die beklagte Bundesprüfstelle wäre namentlich gemäß § 1 Abs. 2 S. 2 IFG berechtigt, die Aushändigung einer Kopie an den Kläger aus wichtigem Grund zu verweigern und ihn stattdessen auf die Einsichtnahme in den Räumlichkeiten der BPjM zu verweisen.

Das OVG Münster hat die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zugelassen.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen