Keine automatische Übertragung des Urlaubsanspruchs im laufenden Kündigungsschutzrechtsstreit

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 01.09.2016
Rechtsgebiete: Arbeitsrecht3|5605 Aufrufe

Passend zur Urlaubszeit soll der Blick einmal auf eine besonders praxisrelevante Fragestellung aus dem Urlaubsrecht gerichtet werden. Der Fall sieht wie folgt aus: Dem Arbeitnehmer wird in der zweiten Jahreshälfte ordentlich gekündigt. Zu diesem Zeitpunkt bestehen noch offene Urlaubsansprüche für das betreffende Kalenderjahr. Der Arbeitnehmer klagt gegen die Kündigung. Der Rechtsstreit zieht sich bis in das Frühjahr des folgenden Jahres. Frage: Besteht der Urlaubsanspruch aus dem vergangenen Kalenderjahr oder ist er verfallen? Das LAG München (20.4.2016 – 11 Sa 983/15, Bayern.Recht) kommt in einer neueren Entscheidung in einem ähnlichen Fall zu dem Ergebnis, dass der Urlaubsanspruch nicht mehr besteht. Zur Begründung führt es aus:

§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG bindet den Urlaubsanspruch an das Urlaubsjahr, soweit keine abweichenden arbeits- oder tarifvertraglichen Regelungen bestehen. Der Urlaubsanspruch verfällt am Ende des Urlaubsjahres, wenn nicht einer der in § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG genannten Übertragungsgründe vorliegt. Lediglich wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe vorliegen, wird der Urlaub ipso jure auf die ersten drei Monate des Folgejahres übertragen.“ Besonders hervorhebenswert ist, dass das LAG keinen gesetzlichen Übertragungsgrund für gegeben hält: „Es liegt auch kein gesetzlicher Übertragungsgrund unstreitig in der Person des Arbeitnehmers vor in Form von Gründen, die diesen an einer Urlaubsnahme gehindert hätten im Jahr 2013. Auch dringende betriebliche Gründe für eine Übertragung lagen nicht vor. Insbesondere führte der Kündigungsrechtsstreit nicht dazu, dass es aus betrieblichen Gründen nicht möglich gewesen wäre, dass der Kläger den Urlaub im Jahr 2013 genommen hätte.“ Auch ein Schadensersatzanspruch wird im weiteren Verlauf der Entscheidungsgründe abgelehnt.

Die Quintessenz der Entscheidung wird in folgenden Leitsätzen prägnant wiedergegeben:

„Auch bei Kündigung ist Urlaub zu beantragen, damit dieser nicht verfällt. Der Arbeitgeber muss ihn nicht von sich aus gewähren. Ein dringender betrieblicher Grund zur Übertragung des Urlaubs am Jahresende (§ 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG) liegt nicht darin, dass ein Rechtsstreit über das Bestehen des Arbeitsverhältnisses im Urlaubsjahr noch nicht rechtskräftig entschieden ist. Der Arbeitgeber ist ohne Antrag des Arbeitnehmers nicht zur Gewährung von Urlaub verpflichtet und muss deshalb ohne einen solchen Antrag nicht Urlaub als Schadensersatz leisten. Der Arbeitnehmer kann während eines Rechtsstreits über den Bestand des Arbeitsverhältnisses Urlaub beantragen, der Arbeitgeber kann ihn gewähren.“

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3 Kommentare

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Das LAG Münschen bleibt offenbar also trotz der Entscheidung des LAG Köln, Urteil vom 22.4.2016 – 4 Sa 1095/15, bei der alten Linie und sieht den Arbeitgeber nicht proaktiv in der Pflicht... Eine spannende Frage!

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Urlaub ist die Freistellung von der Arbeit unter Fortzahlung des Entgelts.

Der Arbeitnehmer soll den Arbeitgeber auffordern, ihn gegen Fortzahlung eines Entgelts von der Arbeitprflicht freizustellen, wenn der Arbeitgeber bereits mit der Kündigung erklärt hat, dass er mit Ablauf der Kündigungsfrist weder eine Arbeitspflicht noch eine Vergütungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer sieht? Ein abstruses Ergebnis. Für mich ein klarer Fall von § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB, notfalls noch Nr. 4.

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