Der Entwurf zum Datenschutz-Anpassungsgesetz

von Prof. Dr. Thomas Hoeren, veröffentlicht am 12.09.2016
Rechtsgebiete: WirtschaftsrechtIT-RechtDatenschutzrecht1|9863 Aufrufe

Anfang August wurde durch undichte Stellen ein Entwurf des BMI für ein Datenschutzanpassungsgesetz bekannt. Mit dem Text versucht der Referent im BMI, den Änderungsbedarf infolge der EU-Datenschutzgrundverordnung gesetzgeberisch auszuloten und die in der VO eingeräumten nationalen Spielräume zu konkretisieren. Kaum war der Entwurf in der Web-Welt, schrie die Community auf. Der Entwurf wurde eilig zurückgezogen; ein neuer Text ist in Vorbereitung.

Man hat in der Tat einfach VO und altes BDSG nebeneinander stehen lassen. Daher war man der Überzeugung, Themen wie Scoring oder Arbeitnehmerdatenschutz könne man einfach so wie bisher regeln. Der Anwendungsbereich des neuen BDSG bleibt unklar; wann gilt VO und wann das neue BDSG? Ansonsten wurden einfach die Definitionen aus der VO abgeschrieben, ohne zu sehen, dass sich mit den neuen Definitionen auch die Struktur des neuen/alten BDSG verändert. Einfach: neuer Wein in alten Schläuchen.

Ein BMI-Bashing bringt jedoch wenig. Die Ministerialen verdienen hohen Respekt für ihre sehr anspruchsvolle und komplizierte Aufgabe, zumal sie wegen der Bundestagswahlen und der Anpassungsfrist 2018 unter hohem Zeitdruck stehen. Gerade deshalb hier einige Ideen aus der Perspektive des Elfenbeinturms zum weiteren Vorgehen:

  1. Warum muß man  eigentlich in Deutschland immer alles umfassend und lückenlos regulieren? Warum muß zB jetzt schon das Bundesverfassungsschutzgesetz der VO angepaßt werden? Im vorliegenden Fall könnte es doch ausreichen, unter dem erwähnten Zeitdruck erst einmal nur absolute Kernpunkte zu regeln und den Rest nach den Bundestagswahlen anzugehen.
  2. Warum wurde der Text geleakt?  Weil zuviele Lobbyisten viel zu früh an die Entwürfe kommen und es immer einen unter ihnen gibt, der solche Entwürfe freudestrahlend ins Web-Volk wirft. In Brüssel ist es gelungen, die Trilog-Verhandlungen über den Verordnungstext vor der gesamten europäischen Öffentlichkeit geheim zu halten. Warum soll das nicht auch in Berlin gelingen können?
  3. Warum muß bei jedem Vor-Vor-Vorentwurf eins Gesetzes sofort seitens der Community „herumgepupst“ werden? Wie gesagt, verdienen die BMI-MitarbeiterInnen höchsten Respekt für ihre Arbeit und ihre Nöte mit dem schwierigen Projekt. Zu Recht hat die Chefredakteurin der „Zeitschrift für Datenschutz“ Anke Zimmer-Helfrich vor solcher Raffgier gewarnt: „Die ZD wird sich daher nicht an der spekulativen Diskussion dieser zurückgezogenen Arbeitsfassung beteiligen, sondern zu gegebener Zeit den neuen und autorisierten Entwurf mit dem nötigen wissenschaftlichen Anspruch analysieren und kommentieren.“
  4. Warum ist das BMI überhaupt federführend? Die Entscheidung, Datenschutz in das Ressort des BMI zu geben, stammt aus den Frühzeiten des BDSG in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts, als das BDSG noch im Kern Regelungen für den Datenschutz der Bundesbehörden enthielt. Sinnvoll wäre heute, das Thema in die Zuständigkeit des BMJV zu geben, zumindest was den Bereich „Datenschutz in der Privatwirtschaft“ angeht.
  5. Wo bleibt der Blick auf andere EU-Staaten? Es ist noch wenig darüber bekannt, wie andere Gesetzgeber in der EU mit der VO umgehen wollen. Aber hier gilt es erst einmal zu fragen und zu warten.

Deutschland muß nicht immer der erste sein.

Stellungnahme ZD Anke Zimmer-Helfrich: http://rsw.beck.de/cms/main?site=zd

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1 Kommentar

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Über die Datenschutz-Community wie ein Rohrspatz zu schimpfen ("herumgepupst") finde ich völlig unangemessen. Es ist gut, dass der absolut unangemessene Entwurf geleakt worden ist und das BMI frühzeitig "contra" bekommt.  Sie glauben doch nicht im Ernst, dass der nächste Entwurf viel anders aussieht?? Gut, dass wir wissen, in welcher Richtung die BuReg geht. Wohin Geheimniskrämerei führt, haben die TTIP-Verhandlungen ja wohl gezeigt.  Beim BMI sind Amateure am Werk.

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