Aufbruch oder Kapitulation? – Das Ende des „aktiven Landwirts“

von Prof. Dr. Jose Martinez, veröffentlicht am 26.09.2016

Die EU-Kommission hat am 14.9. 2016 einen Entwurf zur sogenannten Omnibus-Verordnung zur Vereinfachung der GAP vorgelegt (COM(2016) 605 final). Es handelt sich um den vierten Vorstoß des GAP-Kommissars Phil Hogan, um seiner bei Amtsantritt angekündigten Reform der GAP mittels Vereinfachung der Verfahren umzusetzen. Im vorliegenden Entwurf schlägt die Kommission vor, den Mitgliedstaaten anheim zu stellen, ob sie ab dem Antragsjahr 2018 an der Nachweisführung für den „Aktiven Betriebsinhaber/Landwirts“ im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) weiterhin festhalten.

Jetzt muss man aber bedenken, dass diese Nachweisführung erst in  der GAP-Reform 2013 als ein den Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten begrenzendes Element eingeführt worden ist. Ziel dieser Begrenzung ist, die Steuerungswirkung der Direktzahlungen zu präzisieren und sog. Sofa-Landwirte aus dem Kreis der Begünstigten herauszunehmen. Aktive Landwirte werden negativ definiert als Landwirt, deren Unternehmensform nicht auf einer Negativliste auftaucht, die von den Mitgliedstaaten aufgestellt wird. Auf der deutschen Negativliste werden folgende Unternehmenskategorien aufgeführt: Flughafenbetreiber, Betreiber von Bahnunternehmen, Betreiber von Sport- und Freizeitflächen, Wasserwerke und Immobiliendienstleister und bergbautreibende Unternehmen. Insoweit fallen fast alle bisherigen landwirtschaftlichen Unternehmen unter die Kategorie „Aktiver Landwirt“. Eine Steuerung der Agrarstruktur zugunsten einer spezifischen Betriebsform oder –größe hat dadurch nicht stattgefunden. Und selbst die auf der Negativliste aufgenommenen Betriebsformen können als „aktive Landwirte“ in einem Nachweisverfahren anerkannt werden. Hierzu müssen sie darlegen, dass ihre landwirtschaftliche Tätigkeit einen wesentlichen Umfang hat bzw. deren Hauptgeschäftszweck ist.

Der Vorschlag muss  gleichwohl differenziert betrachtet werden: Auf der einen Seite erweist sich die EU-Kommission als lernfähig, indem sie normative Fehlentwicklungen korrigiert. Damit begegnet sie dem Vorwurf, die Folgewirkungen der europäischen Rechtsetzung nicht ausreichend zu beachten.

Auf der anderen Seite aber darf man die Ursachen für die Einführung dieses Konzepts nicht aus den Augen verlieren. Die Subventionierung der Landwirtschaft steckt in einer zunehmenden gesellschaftlichen Akzeptanzkrise, die landwirtschaftsinterne und –externe Ursachen hat. Zu den landwirtschaftsexternen Ursachen für die abnehmende Akzeptanz der landwirtschaftlichen Subventionen gehört insbesondere die Fehlsteuerung der Subventionen zum einen an Landwirte, die nicht bedürftig sind, zum anderen an Nicht-Landwirte. Es ist gesellschaftlich kaum nachvollziehbar, weshalb Golfplätze, Flughäfen oder Eisenbahngesellschaften Agrarsubventionen erhalten sollen. Demgemäß haben auch zahlreiche Mitgliedstaaten die Einführung dieses begrenzenden Elements begrüßt. Ihnen verbleibt zwar die Möglichkeit, am Kriterium des „aktiven Landwirts“ festzuhalten. Diese als Flexibilität umschriebene Uneinheitlichkeit der Beihilfevoraussetzungen durchbricht aber weiter den Grundgedanken der Gemeinsamen (!) Agrarpolitik und damit auch der Gemeinschaftsfinanzierung der Agrarbeihilfen.

Text des Entwurfs:

Proposal for a REGULATION OF THE EUROPEAN PARLIAMENT AND OF THE COUNCIL on the financial rules applicable to the general budget of the Union and amending Regulation (EC) No 2012/2002, Regulations (EU) No 1296/2013, (EU) 1301/2013, (EU) No 1303/2013, EU No 1304/2013, (EU) No 1305/2013, (EU) No 1306/2013, (EU) No 1307/2013, (EU) No 1308/2013, (EU) No 1309/2013, (EU) No 1316/2013, (EU) No 223/2014,(EU) No 283/2014, (EU) No 652/2014 of the European Parliament and of the Council and Decision No 541/2014/EU of the European Parliament and of the Council (COM(2016) 605 final)

http://ec.europa.eu/budget/mff/lib/COM-2016-603/COM-2016-605_en.pdf

Presseerklärung der Kommission vom 14.9.2016 : http://ec.europa.eu/agriculture/newsroom/296_en.htm

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