Religiosität schützt vor GEZ-Gebühr nicht
von , veröffentlicht am 20.10.2016Angeblich soll Titus seinem Vater, dem römischen Kaiser Vespasian, ein Geldstück aus der römischen Latrinensteuer unter die Nase gehalten haben - "pecunia non olet" (Geld stinkt nicht) soll dessen Antwort gewesen sein.
Der Pastor einer freikirchlichen Gemeinde hatte vor dem Verwaltungsgericht Neustadt (Weinstraße) gegen die Pflicht zur Zahlung von Rundfunkbeiträgen ('GEZ-Gebühren') geklagt. Seit dem 1. Januar 2013 knüpft die Beitragspflicht nicht mehr an das Bereithalten eines Empfangsgerät an, sondern an das Innehaben einer Wohnung im Bundesgebiet an.
Es sei ihm aus Gewissensgründen nicht zuzumuten, ein Programm zu unterstützen, das er für unmoralisch halte. Weder das Verwaltungsgericht Neustadt (Urteil vom 24.02.2015) noch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in seiner Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung (Beschluss vom 16.11.2015) sahen in der Gebührenpflicht keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz noch gegen die Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG).
Im jetzt entschiedenen Verfahren hatte der Pastor einen Antrag auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht aus religiösen Gründen gestellt. Es liege ein Härtefall vor. Es sei ihm nicht zuzumuten, ein Rundfunkprogramm mitzufinanzieren, das seinen religiösen Überzeugungen widerspreche. Ein großer Teil des Unterhaltungsprogramms präsentiere einen aus biblisch-christlicher Sicht inakzeptablen, gottlosen, unmoralischen und damit zerstörerischen Lebensstil. Bibelgläubige Christen und ihr Glaube würden im öffentlich-rechtlichen Fernsehen verunglimpft und lächerlich gemacht.
Außerdem machte er geltend, dass seine Familie habe keinen Fernseher und nutze nicht einmal ein Radio. Wenn er sich informiere, würde er dies über Internet und DVDs tun.
Das Verwaltungsgericht verwarf die Argumentation der fehlenden Nutzung. Nach neuer Rechtslage kommt es nicht auf das Bereithalten von Geräten an.
Bezüglich der angeführten Gewissensnöte zog das VG die Rechtsprechung zur Steuererhebung heran. Wiederholt hatten Steuerpflichtige aus Gewissensgründen die Zahlung von Steuern verweigert - ohne Erfolg vor den Gerichten. Zwar, so jetzt das VG Neustadt, sei die GEZ-Gebühr keine Steuer (also Abgabe ohne Gegenleistung), der allgemein erhobene Rundfunkbeitrag sei jedoch vergleichbar. Beim Rundfunkbeitrag stehe ebenfalls nicht fest, für welche Programme und Programminhalte der Beitrag des jeweiligen Schuldners verwendet werde. Die Sendetätigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei außerdem gerade geprägt vom verfassungsrechtlich verankerten Gebot der Vielfaltssicherung und der Programmfreiheit der Rundfunkanstalten. Deren Verwirklichung diene auch eine Finanzierungsgarantie, die ihrerseits die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gewährleiste. Deshalb sei es ausgeschlossen, die Vereinbarkeit der Programminhalte mit den Wertvorstellungen der einzelnen Beitragspflichtigen zum Maßstab für die Frage der Zumutbarkeit der Beitragszahlung zu machen.
'Natürlich' klagt auch der Verfasser über die (schlechte) Qualität des öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramms und schaltet lieber ab, als manche Diskussionsrunde länger als 2:30 zu sehen. Dem VG Neustadt ist jedoch zuzustimmen. Ebenso wenig, wie sich der Steuerpflichtige über eine (subjektiv) als schlecht empfundene Politik beklagen und die Steuerzahlungen einstellen kann, zeigen die Erfahrungen aus anderen Ländern, dass eine bestimmte Grundversorgung mit Rundfunk über Pflichtbeiträge effizient sicher gestellt werden kann. Es ist diskutabel, ob die derzeitige Zusammensetzung von Rundfunkräten und Besetzung von Posten die Vielfalt im Programm sichert. Es stellt sich auch die Frage, ob der gebührenfinanzierte Rundfunk alles das machen muss, was auch private Anbieter genauso gut, wenn nicht noch besser können, z.B. zeitungsähnliche Angebote bereitstellen. Das ist aber eine politische Diskussion und keine Frage der Beitragszahlung.
Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
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10 Kommentare
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Ich verfolge die Rechtsprechung nicht, bezweifle aber, dass zur "Grundversorgung" zwei bundesweite Fernsehprogramme, viele landesweite Fernesehprogramme, hunderte Radioprogramme und eine Vielzahl von Online-Medien und -Inhalte gehören. Wenn man das alles auf eine echte "Grundversorgung" zurückschneidet, wird eine wirklich notwendige und angemessene Rundfunkgebühr doch höchstens noch 20% von heute betragen. Wurde das schon einmal ausdrücklich entschieden?
A. Berger kommentiert am Permanenter Link
Die Rundfunkgebühr ist eine Finanzierungsgarantie, die "die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gewährleistet"? Soll das ein Witz sein? Das kann ein Verwaltungsrichter im Jahre 2016 beim besten Willen nicht ernst meinen. Es sei denn, er hat schon sehr lange (mindestens seit dem 5. September 2015) kein öff.-rechtl. Fernsehen bzw. Radio mehr komsumiert.
BrainBug2 kommentiert am Permanenter Link
@A.Berger: Kapiere ich nicht - was war denn am 5.9.2015 und warum gibt es seit diesem Tag kein "staatsfernes TV/Radio" mehr?
Mustermann kommentiert am Permanenter Link
Als ökonomisches Argumentum bliebe auch hinzuzufügen, dass es laut einer Studie vor einigen Jahren (welche ich leider nicht mehr im Netz finde), es möglich wäre den Rundfunkbeitrag komplett durch Werbeeinnahmen zu ersetzen, wenn die Sender 17 (!) Minuten (!) mehr Werbung am Tag ausstrahlen würden.
Hierdurch könnte ein eigenwirtschaftliches Erfüllen des Verfassungsauftrages erreicht werden.
Es ist durchaus bedenklich, dass freie Unternehmensformen, wie sie die Rundfunkanstalten nun einmal sind, leistungsunabhängig durch ein staatliches Einzugssystem ausgestattet werden.
Immer häufiger höre ich auch von Betroffenen, dass der Staat trotz Einlegung eines Widerspruches angefangen hat, Steuerrückzahlungen zu pfänden.
Man wird mir die ironsich-politische Aussage verzeihen müssen, aber angesichts dieser Gemengenlage ist der Deustche doch ein recht leidensfähiges Völkchen.
MT kommentiert am Permanenter Link
Der Widerspruch hat keine aufschiebende Wirkung, § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO. Soweit die aufschiebende Wirkung nicht gerichtlich angeordnet wurde, ist vollkommen klar dass der Beitrag zu zahlen ist.
Mustermann kommentiert am Permanenter Link
Ist richtig. War ein wenig unglücklich formuliert von mir.
Ich wollte darauf hinaus, dass Steuerrückzahlungen weggepfändet werden, bevor der Empfänger überhaupt von seinem Glück weiss.
Möglich, dass dieser Weg vielleicht auch rechtlich o.k geht, dennoch zeigt es eine unglückliche Verquickung zwischen Staat und Rundfunkanstalten auf, die das im Beitrag genannte Argument der Staatsferne nach meinem Empfinden ebenso konterkarriert wie die Besetzung des Rundfunkbeirates.
Ist natürlich nur ein Nebenschauplatz.
Auch wenn es keiner wissen will, mir persönlich reicht Phoenix, Bundestags-TV und meinetwegen noch Arte durchaus aus.
Wie ARD und ZDF mit ihrem Programm des Frühstücksfernsehens etc. überhaupt unter den Verfassungsauftrag der Informationsvielfalt zu fallen glauben, wundert doch mich sehr.
Bevor Sie mich gleich wieder rügen, mir ist die Argumentationskette der freien Programmgestaltung durchaus bekannt. Es riecht aber dennoch für mich eher nach einer Schutzbehauptung, resp. rechtsmissbräuchlicher Argumentation.
MT kommentiert am Permanenter Link
Naja, im Staatsgebilde ist die höchste Ausprägung von Selbstständigkeit das Budget unter eigener Kontrolle. Sonst würden die Städte und Gemeinden nicht so sehr an der Gewerbesteuer hängen (und das Grundgesetz ihnen diese zum Erhalt ihrer Selbstständigkeit zugesprochen haben).
Ich will nicht in Abrede stellen, dass bei den öffentlich-rechtlichen im Hintergrund auch mal 'gemauschelt' wird. Es ist aber ein deutlicher Unterschied zu erkennen zwischen einer formal-rechtlich unabhängigen Institution und den Vorgängen die man z.B. in Ungarn beobachten kann.
Prof. Dr. Claus Koss kommentiert am Permanenter Link
Reden wir noch einmal über Geld. Wofür geben die Rundfunkanstalten ihr Geld aus?
Beispiel: Geschäftsbericht des Bayerischen Rundfunks für 2015 (München 2016, verfügbar auf der Website des BR)
Zuordnung von fest angestellten Mitarbeiter auf Direktionen nach Planstellen (S. 50):
Zum Vergleich: Hörfunkdirektion: 18% der Planstellen insgesamt, Veränderung bei den Planstellen in den Redaktionen von 2014 auf 2015: -39 Planstellen.
Berücksichtigt der Betrachter dann noch die Konzentration auf dem Markt für lokale und regionale Tageszeitungen, beispielsweise in Bayern, stellt sich die Frage, ob der Anspruch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf Länderebene noch verwirklichen lässt? Will heißen: wenn die bisher dominanten lokalen und regionalen Tageszeitungen die Berichterstattung 'vor Ort' nicht mehr gewährleisten können, hätte der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine wichtige Sicherstellungsaufgabe. Wer, wenn nicht die Medien 'vor Ort', kann die legendären 'goldenen Wasserhähne' im Rathaus aufgreifen?
Prof. Dr. Claus Koss kommentiert am Permanenter Link
Eine weitere Zahl zum Thema "Verwendung der Rundfunkbeiträge" (ebenfalls: Geschäftsbericht des Bayerischen Rundfunks für 2015, S. 47):
2015: 213,9 Mio. Euro - 2014: 209,3 Mio. Euro, Veränderung + 2,2%
2015: 134,0 Mio Euro - 2014: 79,0 Mio. Euro, Veränderung: + 69,6%
Ergänzende Erläuterung auf der Website des BR vom 14.07.2016:
Pointiert übersetzt in allgemein verständliche Sprache:
Gast kommentiert am Permanenter Link
wenn die bisher dominanten lokalen und regionalen Tageszeitungen die Berichterstattung 'vor Ort' nicht mehr gewährleisten können, hätte der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine wichtige Sicherstellungsaufgabe.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hätte eine wichtige Sicherstellungsaufgabe, wenn er sich auf dieses Feld konzentrieren und beschränken würde und sein Geld nicht in den astronomisch überbezahlten Sport, in die astronomisch unterbelichtete "Unterhaltung" und die astronomischen Gehälter seiner astronomischen Selbstdarsteller in den Redaktionen und seiner geadelten Kamera- und Mikrofonhalter investieren würde. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk gehört ebenso mit dem Stahlbesen gekehrt, wie man bei Bahn, Post und anderen Staatsbetrieben gekehrt hat. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist doch nur noch mit seiner Selbst- und Personalerhaltung beschäftigt.