Thüringer OLG: Keine Anordnung des Wechselmodells gegen den Willen eines Elternteils

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 25.10.2016
Rechtsgebiete: Familienrecht|6927 Aufrufe

Ob ein paritätisches Wechselmodell vom Gericht gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden kann, ist in Literatur und Rechtsprechung heftig umstritten.

Nun hat sich der 4. Familiensenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena eindeutig dagegen ausgesprochen (Beschluss vom 12.09.2016 – 4 UF 678/15)

Der Senat lehnt beide technischen Möglichkeiten (erweiterte Umgangsregelung oder Zuweisung eines periodisch alternierenden Aufenthaltsbestimmungsrechts) ab. Es gebe keine rechtliche Grundlage, auf die sich die Anordnung eines Wechselmodells stützen könnte.

Das Umgangsrecht diene gerade nicht dazu, eine gleichberechtigte (paritätische) Teilnahme beider Eltern am Leben des Kindes zu ermöglichen. Sinn und Zweck des Umgangsrechts liege vielmehr darin, sich vom körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung durch Augenschein und gegenseitige Aussprache fortlaufend zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Beziehungen zum Kind aufrecht zu erhalten sowie mittels der persönlichen Nähe einer Entfremdung vorzubeugen und dem gegenseitigen Liebesbedürfnis Rechnung zu tragen. Sobald nicht mehr der eigentliche Umgangszweck in Rede stehe, sondern hierüber hinausgehend die Betreuung des Kindes zeitlich umfassend, verbindlich und abschließend festgelegt wird, liege darin der Sache nach eine Regelung des Kindesaufenthalts, welche durch die Rechtsgrundlage des § 1684 III BGB nicht gedeckt ist. Das Umgangsrecht finde seine Grenze somit an dem Punkt, an dem seine Ausübung abweichend von der Bestimmung des Aufenthaltsbestimmungsberechtigten zur Veränderung des Lebensmittelpunktes des Kindes durch Begründung eines zweiten Lebensmittelpunktes führen würde.

Die vorgeschlagene periodisch wechselnde Zuweisung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Eltern finde im Gesetzeswortlaut keine Stütze. Gemessen an den relativ strengen Voraussetzungen einer (partiellen) Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge sowie den Kriterien hinsichtlich der Übertragung (des Teils) der elterlichen Sorge auf einen Elternteil, sei nicht erkennbar, wie eine alternierende Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts mit diesen Maßstäben in Einklang zu bringen wäre. Für das kindgerechte Funktionieren eines Wechselmodells dürfte häufig nicht einmal ein „Mindestmaß“ an elterlicher Übereinstimmung genügen. Wegen der aus dem ständigen Aufenthaltswechsel des Kindes nahezu zwangsläufig resultierenden engen Überschneidung der jeweiligen elterlichen Lebensbereiche erscheine vielmehr ein Konsens in wesentlichen Erziehungs- und Betreuungsfragen sowie die Bereitschaft zu wiederholter, kindeswohlgemäßer Anpassung bei Änderung der Umstände unverzichtbar. Eine solche Kooperation sei aber bei Uneinigkeit der Eltern schon über das Wechselmodell als solches in aller Regel nicht zu erwarten.

Eine Regelungslücke, die eine analoge Anwendung rechtfertigen würde, sieht der Senat nicht. Dem Gesetzgeber sei das Problem anlässlich der letzten Änderung der Vorschriften über die elterliche Sorge im Jahr 2013 bekannt gewesen. Er habe keine Regelung getroffen.

Danach ist es Sache des Gesetzgebers, ob er die Anordnung eines Wechselmodells gegen den Willen eines Elternteils ermöglicht.

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