Rechtsanwalt ist kein Steuerberater

von Prof. Dr. Claus Koss, veröffentlicht am 15.11.2016
Straßenarbeiten in Israel (Foto: K. Koss, Feb. 2016)

Ein 'Nur-'Rechtsanwalt war mit der anwaltlichen Beratung einer Arbeitnehmerin beauftragt, nahm aber an den Verhandlungen mit dem Arbeitgeber nicht teil. Ziel sollte eine möglichst hohe Abfindung sein. Nach Auszahlung der Abfindung in 2008 verklagte die Mandantin den Rechtsanwalt jedoch auf Schadensersatz. Er hätte ihr raten müssen, die Auszahlung auf ein Jahr später zu verschieben. Aufgrund des Zuflussprinzips hätte sie dann wesentlich weniger Steuern bezahlen müssen.

Das Landgericht und dem folgend das Oberlandesgericht Düsseldorf (Beschluss v. 23.03.2015 - I-24 U 105/14, Urteilsbesprechung von Karadag, NJW-aktuell 33/2016, S. 18) verneinten jedoch einen Haftungsfall. Zum einen führte der Beklagte eine reine Rechtsanwaltskanzlei. Danach sei er zwar zur unbeschränkten Hilfeleistung in Steuersachen befugt (§ 3 Nr. 1 StBerG). Der Auftrag lautete jedoch 'nur' auf eine anwaltliche Beratung in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten. Da der Rechtsanwalt keine zusätzlichen Qualifikationen wie Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer aufweise, sei auch kein Anhaltspunkt für eine Auftragserweiterung ersichtlich. Da es sich bei der Frage der Versteuerung der Abfindung um eine Spezialfrage auf dem Gebiet des Steuerrechts handele, müsse der Rechtsanwalt diese nur einbeziehen, sofern es sich um eine praktisch bedeutsame und bekannte steuerrechtliche Entscheidungen handelt. Für die Frage der Versteuerung der Abfindung hatte der Bundesfinanzhof (BFH) erst mit Urteil vom 11.11.2009 - IX R 1/09, entschieden, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Zuflusszeitpunkt und damit die Versteuerung steuern können.

Zwei Lehren sollten aus dem Urteil gezogen werden:

  1. Eine berufspraktische: Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer sind in der Regel nicht auf dem Roßmarkt unterwegs, wo der Handschlag ausreicht. Ein schriftlicher Mandatsvertrag, zumindest eine schriftliche Auftragsbestätigung sollten die Regel sein. Was vorher klar vereinbart wurde, darüber muss hinterher nicht gestritten werden (praktische Tipps siehe bereits die Ausführungen von Koss, Kanzleiführung professionell, Nr. 5/2004, S. 88).
  2. Ein strategische: Im entschiedenen Fall hat der beklagte Rechtsanwalt zwar den Prozess gewonnen, aber mindestens eine Mandantin verloren. Gerade im Arbeitsrecht sollte der Anwalt auf steuerliche Gestaltungen hinweisen, zumindest an einen Steuerberater verweisen. "Wir sollten die Antworten auch auf die Fragen geben, die der Mandant noch nicht einmal gestellt hat", hat der Verfasser in einer sehr erfolgreichen Kanzlei gelernt. Der Mandant ist dankbar für Hinweise auf Gestaltungsmöglichkeiten, noch mehr aber, wenn ihm mehr Netto vom Brutto bleibt.
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9 Kommentare

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Die Argumentation greift mE ziemlich kurz.  Witzigerweise zitiert das OLG das Handbuch der Anwaltshaftung von Zugehör Rdn. 558. In der zugehörigen (no pun intended) Fußnote 123 wird auf einen Aufsatz im Anwaltsblatt 2003 zu den Haftungsgefahren im Zusammenhang mit Entlassungsentschädigungen und dort insbesondere auch den steuerrechtlichen Fragen verwiesen.....So richtig neu und ungewöhnlich sollte es also für Arbeitsrechtler nicht sein, dass Steuerrecht bei Abfindungen eine Rolle spielt...

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Nach Auszahlung der Abfindung in 2008 verklagte die Mandantin den Rechtsanwalt jedoch auf Schadensersatz. Er hätte ihr raten müssen, die Auszahlung auf ein Jahr später zu verschieben. Aufgrund des Zuflussprinzips hätte sie dann wesentlich weniger Steuern bezahlen müssen.

Woher sollte der arme Rechtsanwalt das wissen? Das hätte doch sogar den gegenteiligen Effekt haben können, je nach den im Jahre 2008 doch völlig unbekannten Einkünften des Jahres 2009. Ein Anwalt ist ein Anwalt und kein Kaffeesatzleser. Nicht alles läuft nach dem alten Grundsatz "der Anwalt ist immer schuld".

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@Gast:
Stimmt nicht so ganz, daher in der gebotenen Kürze: zum Handwerkszeug jedenfalls des Steuerberaters gehört es, über die  beim BFH anhängigen Revisionsverfahren einigermaßen informiert zu sein, um mögliche Themen, bei denen sich Rechtsprechungsänderungen o.ä,ergeben  können, bei der Beratung berücksichtigen zu können  . Jedenfalls sollte er in der Lage sein, den Mandanten darauf und sich ggf. ergebende Risiken oder Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen. Was der Mandant dann daraus macht, ist dann seine Sache.

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Ich bin über die Entscheidung sehr erleichtert, weil es mir vor Steuerrecht schon immer gegruselt hat.

Das ist das Problem des Steuerrechts samt seiner verwandten Rechte, dass der klassische Jurist dieses Rechtsgebiet freiwillig aus der Hand gegeben und in die Hände von Hobbyjuristen gelegt hat, als da sind Steuerberater und sonstige halbgebildete Betriebswirte etc. Das Steuer-"Recht" müßte dringend wieder zu einem "Rechts"-Gebiet und juristisch durchdrungen und den Händen der (bestenfalls) Hobbyjuristen entrissen werden.

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Meine launige Bemerkung über das Steuerrecht macht also offenbar Karriere, die aktuelle NJW hat mich auch schon mit dieser Bemerkung zitiert.

Der Text einer Todesanzeige neulich in der SZ gab mir zu denken: Der Verstorbene war offenbar ein hochrangiger Steuerrechtler gewesen. Die Todesanzeige stammte offenbar von anderen hochrangigen Steuerrechtlern, zumindest sagten einige Namen sogar mir bekennenden Steuerrechts-Banausen etwas. Interessant fand ich die Reihenfolge der Berufsbezeichnungen des Verstorbenen. Die Reihenfolge lautete "Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwalt". Implizierte das eine Wertung aus Sicht der Steuerrechtler-Szene?    

Quote:

Die Reihenfolge lautete "Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwalt". Implizierte das eine Wertung aus Sicht der Steuerrechtler-Szene?

Ob das in der Anzeige so gemeint war kann ich nicht beurteilen, aber generell gesprochen ist das die Hackordnung im Steuergeschäft. Wirtschaftsprüfer sind wenige, Steuerberater etwas mehr, Anwälte gibt es wie Sand am Meer. Einkommens- und Prestigeverteilung verlaufen in aller Regel ebenfalls entlang der Aufzählung.

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Apropos Steuerrecht: Was sagen Sie zu den Experten des Internationalen Steuerrechts?  Die Experten des Internationalen Steuerrechts, das sind diejenigen, die "Double-Dutch" u.ä kreieren, damit Amazon und Starbucks und wie sie alle heißen nirgendwo Steuern zahlen müssen. Die Experten des Internationalen Steuerrechts haben sich sozusagen auf den feinen Unterschied zwischen Legalität und Legitimität spezialisiert. Man könnte auch sagen, sie haben sich auf Zynismus spezialisiert.    

Als nicht zum Richteramt befähigter, nur studierter Jurist, Nur-Steuerberater-Wirtschaftsprüfer, kann ich dazu nur beitragen: jeder ist Angehöriger eines freien Berufs, muss ich mich dann zum höheren Recht berufen fühlen?

Weder ein Staatsexamen noch ein oder zwei Berufsexamen machen die Arbeit für den Mandanten wertvoller, sondern nur das beständige Bemühen um Qualität in der Beratungsarbeit.

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