Die Ehewohnung bleibt bis zur Scheidung Ehewohnung

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 17.11.2016
Rechtsgebiete: Familienrecht|2916 Aufrufe

Die Beteiligten sind seit 1991 miteinander verheiratet. Im Jahr 1999 erwarb der Antragsteller (Ehemann) ein Hausanwesen zum Alleineigentum, welches er fortan gemeinsam mit der Antragsgegnerin (Ehefrau) und den drei Kindern als Familienheim nutzte. Nach der Trennung Anfang 2006 verließ der Ehemann das Familienheim und zog zunächst in ein der Ehefrau gehörendes und später in ein von ihm selbst im Jahr 2004 erworbenes und ursprünglich als neues Familienheim vorgesehenes Haus. Bemühungen des Ehemanns, den Kaufpreis dieses Hauses durch den Erlös aus einem Verkauf des vormaligen, noch von der Ehefrau bewohnten Familienheims abzulösen, blieben ebenso erfolglos wie sein 2011 gestellter Antrag, ihm das vormalige Familienheim im Wege der einstweiligen Anordnung zur alleinigen Nutzung zuzuweisen. Schließlich veräußerte er das im Jahr 2004 erworbene Haus und wohnt nunmehr gemeinsam mit einer neuen Lebensgefährtin und drei minderjährigen Kindern in einem anderen Haus zur Miete, wobei die Mietdauer des befristeten Mietvertrags bereits abgelaufen ist.

Nachdem die jüngste gemeinsame Tochter der Beteiligten inzwischen volljährig ist und ihre Schulausbildung abgeschlossen hat, verlangt der Ehemann nunmehr aus Eigentum (§985 BGB) die Herausgabe des noch von der Ehefrau bewohnten Anwesens an ihn, damit er mit seiner neuen Familie dort einziehen könne. Das Familiengericht hat den Antrag zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Ehemanns hat das Oberlandesgericht München die Ehefrau durch Beschluss vom 16. September 2015 verpflichtet, das Anwesen bis spätestens zum 31. März 2016 an ihn herauszugeben.

Zur Begründung führte das OLG aus, eine Berufung der Ehefrau auf 1361 b Abs. 4 BGB sei wegen der besonderen Umstände und der langen Trennungszeit rechtsmissbräuchlich gemäß § 242 BGB. Zum einen habe der Ehemann von Anfang an klar gemacht, dass die Überlassung nur eine vorübergehende bis zum Schulabschluss der Tochter sein solle. Zum anderen hätten die Ehegatten bereits vor der Trennung gemeinsam den Entschluss gefasst, das Anwesen zu veräußern, um damit das in 2004 erworbene Haus zu finanzieren. Von dem gemeinsamen Vorhaben, das vormalige Familienheim als Ehewohnung aufzugeben, habe sich die Ehefrau nicht einseitig lösen können.

Dem tritt der BGH (Beschluss v. 28.09.2016  XII ZB 487/15) entgegen Bei dem streitgegenständlichen Anwesen handele es sich nach wie vor um die Ehewohnung. Die Qualifizierung als Ehewohnung hänge nicht davon ab, dass noch beide Ehegatten in der Wohnung leben. Sie behalte ihren Charakter als Ehewohnung während der gesamten Trennungszeit. Das folge auch aus der Regelung des § 1568 a II BGB. Danach kann, wenn einer der Ehegatten Alleineigentümer des Grundstücks ist, auf dem sich die Ehewohnung befindet, der andere Ehegatte die Überlassung anlässlich der Scheidung nur dann verlangen, wenn dies notwendig ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden. Der hierdurch geänderte Maßstab für die (weitere) Überlassung anlässlich der Scheidung wäre gegenstandslos, gälte eine Ehewohnung, die ein Ehegatte während der Trennungszeit für einen längeren Zeitraum verlassen hat, nicht mehr als solche.

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