BVerfG: kein generelles Kopftuch-Verbot in Kitas

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 02.12.2016
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht2|4444 Aufrufe

Eine muslimische Erzieherin darf bei ihrer Arbeit in einer Kindertagesstätte ein Kopftuch als Ausdruck ihrer religiösen Selbstbestimmung tragen. Das geht aus einer vor kurzem veröffentlichten Entscheidung der 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG im Fall einer Erzieherin in einer kommunalen Kita in Baden-Württemberg hervor.

Der Arbeitgeber hatte der Erzieherin wegen Verstoßes gegen ein zu dem Zeitpunkt in Baden-Württemberg bestehendes Kopftuchverbot eine Abmahnung ausgesprochen. Dagegen wehrte sich die in der Türkei geborene Frau mit deutscher Staatsbürgerschaft. Die Gerichte bis hinauf zum BAG entschieden jedoch gegen sie. Das BVerfG hob diese Urteile nun auf und wies die Sache an das LAG Baden-Württembergs zurück.

Der Schutz des Grundrechts auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) gewährleistet – so das die Karlsruher Richter - auch den Erzieherinnen und Erziehern in Kindertageseinrichtungen in öffentlicher Trägerschaft die Freiheit, den Regeln ihres Glaubens gemäß einem religiösen Bedeckungsgebot zu genügen, wie dies etwa durch das Tragen eines Kopftuchs der Fall sein kann, wenn dies hinreichend plausibel begründet wird. „Ein `islamisches Kopftuch´ ist in Deutschland nicht unüblich, sondern spiegelt sich im gesellschaftlichen Alltag vielfach wider", führen die Verfassungsrichter zur Begründung an. Es gebe keinen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf, „von der Wahrnehmung anderer religiöser oder weltanschaulicher Bekenntnisse verschont zu bleiben“, hieß es in dem Beschluss weiter. Mit dem Tragen eines Kopftuchs durch einzelne Erzieherinnen sei keine Identifizierung des Staates mit einem bestimmten Glauben verbunden. Auch eine Wertung in dem Sinne, dass allein das glaubensgeleitete Verhalten dieser Erzieherinnen als vorbildhaft angesehen und schon deshalb der Einrichtungsfrieden oder die staatliche Neutralität gefährdet oder gestört werden könnte, sei einer entsprechenden Duldung durch den öffentlichen Arbeitgeber nicht beizulegen. Hinzu komme, dass die Beschwerdeführerin einem nachvollziehbar als verpflichtend empfundenen Glaubensgebot Folge leiste. Dadurch erhalte ihre Glaubensfreiheit in der Abwägung mit den Grundrechten der Kindergartenkinder und der Eltern ein erheblich größeres Gewicht, als dies bei einer disponiblen Glaubensregel der Fall wäre.

Damit bekräftigte das Gericht eine Entscheidung vom vergangenen Jahr (BVerfG, Beschluss vom 27.1.2015 – 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10, NJW 2015, 1359). Damals hatten die Verfassungsrichter zwei muslimischen Frauen aus Nordrhein-Westfalen das Recht zugestanden, im Schuldienst ein Kopftuch zu tragen.

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