Fallen DRK-Schwestern in den Anwendungsbereich des AÜG?

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 05.12.2016
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht3|4460 Aufrufe

Die rechtliche Stellung der in der Schwesternschaft des DRK und ähnlicher Organisationen Tätigen ist seit längerer Zeit umstritten. Nach tradierter Auffassung stehen die Betreffenden in einem vereins- (nicht: arbeits-)rechtlichen Verhältnis zu ihrem Vertragspartner; sie erbringen ihre Dienstleistung nicht aufgrund eines Arbeitsvertrages, sondern als Vereinsbeitrag (§ 58 Nr. 2 BGB). Die DRK-Schwesternschaft schließt mit Krankenhäusern Gestellungsverträge, auf deren Basis sie ihre Mitglieder zur Dienstleistung überlässt. Die mit ihrem Beitritt zu einer Schwesternschaft übernommene Pflicht der Rote-Kreuz-Schwester, in der karitativen Krankenpflege tätig zu werden, begründet sich danach allein auf ihrer Zugehörigkeit zu der Schwesternschaft (BAG, Beschl. vom 6.7.1995 – 5 AZB 9/93, NZA 1996, 33).

Diese Auffassung wird im Schrifttum zunehmend in Frage gestellt (ausführlich etwa Mestwerdt, NZA 2014, 281 ff.), ein entsprechendes Verfahren beim BAG war jedoch aus prozessualen Gründen gescheitert (BAG, Beschl. vom 18.3.2015 – 7 ABR 42/12, NZA 2015, 1144).

Auch ein neues Urteil des EuGH bringt nur wenig Licht ins Dunkel: Der Betriebsrat eines Klinikums hatte sich eines Mitbestimmungsrechts aus § 99 BetrVG bei der „Einstellung“ von Rote-Kreuz-Schwestern berühmt und zugleich seine Zustimmung verweigert, weil die Beschäftigung nicht nur „vorübergehend“ (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG) erfolge. Das Klinikum hält das AÜG nicht für anwendbar, weil die Schwestern keine Arbeitnehmerinnen sind. Aus dem Unionsrecht folge nichts anderes, weil Art. 3 der Leiharbeits-Richtlinie hinsichtlich des Anwendungsbereichs auf den nationalen Arbeitnehmerbegriff verweise. Auf Vorlage des BAG hat der EuGH dem nun zumindest teilweise eine Absage erteilt, die Beantwortung der Kernfrage aber dem BAG überlassen („was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist“).

Art. 1 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit ist dahin auszulegen, dass die durch einen Verein, der keinen Erwerbszweck verfolgt, gegen ein Gestellungsentgelt erfolgende Überlassung eines Vereinsmitglieds an ein entleihendes Unternehmen, damit das Mitglied bei diesem hauptberuflich und unter dessen Leitung gegen eine Vergütung Arbeitsleistungen erbringt, in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt, sofern das Mitglied aufgrund dieser Arbeitsleistung in dem betreffenden Mitgliedstaat geschützt ist, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist. Dies gilt auch, wenn das Mitglied nach nationalem Recht kein Arbeitnehmer ist, weil es mit dem Verein keinen Arbeitsvertrag geschlossen hat.

Ob das Mitglied der Schwesternschaft „aufgrund dieser Arbeitsleistung“ in Deutschland geschützt ist oder (nur) aufgrund seiner vereinsrechtlichen Stellung, wird nun das BAG entscheiden müssen.

EuGH, Urt. vom 17.11.2016 – C-216/15, ECLI:EU:C:2016:883, BeckRS 2016, 82685

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3 Kommentare

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Das, was die Rotkreuzschwestern hier überleben lassen wollen, ist überholt und stammt aus einer Zeit, als Frauen nicht berufstätig sein sollten und dafür einen Verband wie das Rote Kreuz brauchten, der die beruflichen Zecke der Tätigkeit mit angeblich karitativen Zecken bemänteln sollte. Zwischenzeitlich dürfen Frauen längst selbst beruftstätig werden ohne solche Mäntelchen zu brauchen, müssen sich dann allerdings auch an das für alle geltende Arbeitsrecht richten. Arbeitnehmer ist Arbeitnehmer, ob vereinsrechtlich bemäntelt oder nicht. Die Zeit für solche Sonderrechte ist abgelaufen.

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