Das Ende vertraglicher Ausschlussfristen?

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 08.12.2016
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht1|4555 Aufrufe

Ausschlussfristen sind Inhalt vieler Tarif- und Arbeitsverträge. AGB-rechtlich ist anerkannt, dass eine Ausschlussfrist, die für beide Vertragsparteien gilt und die mindestens drei Monate beträgt, mit § 307 BGB vereinbar ist (BAG, Urt. vom 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111). Allerdings erklärt § 3 Satz 1 MiLoG  seit 2015 Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, insoweit für unwirksam. Da in jedem noch so hohen Lohn oder Gehalt ein „Mindestlohn-Anteil“ von 8,50 Euro (ab 1.1.2017: 8,84 Euro) je Zeitstunde steckt, ist die Wirksamkeit vertraglicher Ausschlussfristen zweifelhaft, wenn sie den Mindestlohn nicht ausdrücklich von ihrer Geltung ausnehmen. Denn AGB-rechtlich gilt grundsätzlich das Verbot geltungserhaltender Reduktion einer zu weit gefassten Klausel. Ob § 3 Satz 1 MiLoG mit seiner Formulierung „insoweit unwirksam“ eine gesetzliche Ausnahme von diesem Grundsatz darstellt, ist umstritten. In der Literatur wird teilweise zwischen vertraglichen Verfallklauseln, die vor, und solchen, die nach Inkrafttreten des MiLoG vereinbart worden sind, unterschieden (ErfK/Franzen, 17. Aufl. 2017, § 3 MiLoG Rn. 3a).

Für die frühere Pflegearbeitsbedingungenverordnung (PflegeArbbV) hat das BAG jetzt entschieden:

"Eine arbeitsvertragliche Verfallklausel, die auch den Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV erfasst, verstößt im Anwendungsbereich dieser Verordnung gegen § 9 Satz 3 iVm. § 13 AEntG und ist insoweit nach § 134 BGB unwirksam."

Aus den Entscheidungsgründen ergibt sich, dass sich diese Aussage auf solche Verfallklauseln beschränkt, die nach dem Inkrafttreten der PflegeArbbV vereinbart worden sind. Ob für Altverträge eine andere Beurteilung geboten ist, lässt der Senat ausdrücklich offen. Die tragende Begründung - die Klausel verstoße gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, da sie nicht erkennen lasse, dass sie nicht für das Mindestentgelt gelte - lässt allerdings vermuten, dass sie für § 3 Satz 1 MiLoG in gleicher Weise herangezogen werden kann wie für die PflegeArbbV iVm. § 9 AEntG.

Für die Vertragsgestaltung dürfte es sich daher dringend empfehlen, künftig den „Mindestlohnanteil“ ausdrücklich vom Verfall auszunehmen.

BAG, Urt. vom 24.8.2016 – 5 AZR 703/15, BeckRS 2016, 73916

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1 Kommentar

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Dieses Problem der teilweisen Unwirksamkeit sowie daraus abgeleitet die Anwendung von § 307 BGB stellt sich doch seit Einführung des neuen AGB-Rechts jedenfalls hinsichtlich tariflicher Ansprüche wegen § 4 Abs. 4 TVG. Gleichwohl hat das BAG meines Wissens nie eine Klausel deshalb gekippt. Sind das die "Besonderheiten des Arbeitsrechts"? Ansich ist das Problem doch Strukturgleich mit den gesetzlichen Lohnregelungen a la MiLoG, AEntG oder PflegeArbbV...

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