Whistleblowing jetzt anonym möglich

von Prof. Dr. Claus Koss, veröffentlicht am 17.01.2017
Der Vatikan: Inbegriff der Verschwiegenheit (Foto: Petersdom, C. Koss, 1.10.2016)

Am Montag, 2. November 2015, schlug die Vatikanische Polizei zu. Sie verhaftete - nein, nicht die mutmaßlichen Übeltäter, sondern - einen als konservativ beschriebenen Priester und die Mitarbeiterin einer der großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Diese hatten Journalisten vertrauliche Dokumente zugespielt hatten. Ihr brisanter Inhalt: Die Kosten für die Heiligsprechung können bis zu einer halben Million Euro kosten, in einem Fall wurden 750.000 Euro fällig. Diese sind von den Antragstellern aufzubringen und - so schrieben die Journalisten - werden oft nicht ordnungsgemäß verbucht.

Der BaFin geht es nicht um die Suche nach Heiligen, sondern um Informationen über mögliche Verstöße gegen Aufsichtsrecht. Da die Hinweisgeber oft nur unter dem Schutz der Anonymität zu Hinweisen bereit sind, hat die BaFin unter www.business-keeper.com ein elektronisches Kommunikationssystem freigeschaltet. Diese garantiert vollkommene Anonymität, auch wenn die Behörde mit dem Whistleblower in Kontakt tritt. Wenn der Informant nicht selber Hinweise auf seine Identität gibt, kennt die BaFin den Hinweis sie nicht.

Neben dem neuen elektronischen System besteht weiterhin die Möglichkeit die Hinweise per Post, telefonisch oder persönlich in Bonn zu geben.

Auf ihrer Webseite betont die Finanzaufsicht den Schutz der Hinweisgeber. So dürfe die BaFin die Identität eines Hinweisgebers grundsätzlich nicht bekannt geben, ohne zuvor dessen ausdrückliche Zustimmung einzuholen (§ 4d Abs. 3 Satz 1 FinDAG). Auch dürften Beschäftigte in beaufsichtigten Unternehmen, die sich an die Hinweisgeberstelle der BaFin wenden, dafür grundsätzlich weder arbeitsrechtlich noch strafrechtlich belangt werden4d Abs. 6 FinDAG).

Aber, so der vorsichtige Zusatz auf der BaFin-Website, könne die Justiz, ggfs. nach Anordnung der Offenlegung personenbezogener Daten durch das Gericht, auf die Daten zugreifen.

Die grundsätzliche Zusage der Anonymität und des Schutzes vor rechtlichen Konsequenzen greift aber nicht bei Angehörigen berufsmäßig zur Verschwiegenheit verpflichteter Berufe und deren Mitarbeiter. Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder Rechtsanwälte können daher weder über die anonyme Website noch auf anderem Wege an die BaFin oder über die Öffentlichkeit versuchen, ihre Mandanten zu einem aufsichtsrechtlichen Wohlverhalten zwingen. In einem Gutachten kommen die Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages zu dem Ergebnis, dass "Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ... bei der Prüfung von Abschlüssen nicht in den Anwendungsbereich des FinDAG" fallen. Das heißt: sie sind bei Whistelblowing nicht nach § 4d Abs. 4 FinDAG vor rechtlichen Konsequenzen geschützt.
Diesem Ergebnis ist auch für alle rechts-, steuer- und wirtschaftsberatenden Berufe zuzustimmen: die Verschwiegenheitspflicht ist die Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Mandanten. Wenn der Berufsangehörige diesen nicht von einem nach seiner Einschätzung rechtswidrigen Verhalten abhalten kann, wird ihm als ultima ratio nur die Niederlegung des Mandats bleiben.

Denn soweit wie der Heilige Nepomuk müssen Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder Rechtsanwälte nicht gehen. Der Legende nach soll dieser in der Moldau ertränkt worden sein, weil er sich weigerte, das Beichtgeheimnis zu brechen. Der König wollte wissen, ob die Königin dem Priester nicht Seitensprünge gebeichtet habe. Das ist zwar keine Frage des Aufsichtsrechts, aber für den gehörnten Ehemann auch eine interessante Frage.

----------------- Quellen --------------------------

  • Politi, James; Segreti, Giulia: Book revelations on sainthood price tags embarrass Vatican. Financial Times, Ausg. 39,005 (7./8. November 2015), S. 4.
  • Website der BaFin, www.bafin.de
  • Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz - FinDAG) vom 22. April 2002 (BGBl. I S. 1310), zuletzt geändert durch Art. 2 Gesetz vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3171)
  • Deutscher Bundestag - Wissenschaftliche Dienste - v. 2. Juni 2016 - WD 4 - 3000 - 064/16: Schutzbereich von § 4d Abs. 6 Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz.
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2 Kommentare

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Wenn eine demokratische Gesellschaft sich entscheidet, daß bestimmte rechtsgüterverletzende oder sozialschädliche Verhaltensweisen strafbar sein sollen, dann ist es nur konsequent, wenn zur Aufdeckung solcher Straftaten bzw. zum Auffinden von Ermittlungsansätzen auch anonyme Hinweise entgegengenommen werden, wenn Hinweisgeber mit Nachteilen für den Fall des Bekanntwerdens ihrer Hinweistätigkeit rechnen müssen.

Nicht gerecht und nicht konsequent erscheint es aber, wenn dies nur für Straftaten von Bürgern gegen den Staat bzw. Fiskus gelten soll.

Vielmehr sollte und müßte gleiches gelten, wenn der Staat und seine Organe (Ministerien, Behörden, Politiker, Beamte) sich etwas zuschulden kommen lassen, wie etwa Verschwendung oder Veruntreuung von Steuergeldern, Amigos bevorzugende öffentliche Auftragsvergabe, Korruption und Korruption, Verletzung von Bürgerrechten, Volksverhetzung, Verleumndnung, Vorbereitung eines Angriffkrieges, Wahlfälschung, Hochverrat, Landesverrat, Umweltstraftaten durch pflichtwidriges Unterlassen des Einschreitens gegen illegale Umweltverschmutzungen oder durch rechtswidrige Genehmigungen von imittierenden Anlagen oder Verschmutzungen des Grundwassers oder der Lagerung radioaktiver Materialien, u.s.w., u.s.f..

Zurzeit arbeitet der Staat (vertreten durch die Regierung) wohl auf verschiedenen Baustellen daran, seine Befugnisse und seine Handlungs- und Einflussmöglichkeiten zunehmend auszubauen, und die Bürger zunehmen zu reglementieren und zunehmend zu überwachen und zu verfolgen, aber glaubwürdig und vertrauenserweckend wäre das nur, wenn zugleich den Bürgern mehr Möglichkeiten gegeben würden ihrerseits auch Einfluss auf den Staat zu nehmen und ihn und seine Behörden und Organe ebenfalls zunehmend zu reglementieren und zu überwachen und bei Regelverstößen verfolgen zu lassen.

ius respicit aequitatem

Gleichheit der Untertanen vor der Obrigkeit reicht nicht, sondern auch die Obrigkeit muß vor dem Gesetz "gleich" sein, daß heißt auch ihr Handeln muß gesetzeskonform sein (Art. 20 III GG), und die Bürger müssen Möglichkeiten haben, auf eine effiktive Überwachung der Einhaltung von Art. 20 III GG hinzuwirken.

Neueste Vorstöße von Regierugspolitikern, wonach unter Demokratie künftig wohl nicht mehr zu verstehen sein soll daß das Volk der Souverän ist, sondern daß Demokratie demnächst lediglich bloß noch die Bedeutung eines Ordnungsrahmen für die legislative Gewalt haben soll, lassen indes befürchten, daß der Staat und die Gesetze derzeit einseitig zugunsten der Obrigkeit umgebaut werden sollen.

Akzeptanz sollte nur finden, wenn beide Seiten mehr Regelungs- und Kontrollbefugnisse erhalten, also der Staat und das Volk bzw. die Bürger.

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Gast schrieb:

Wenn eine demokratische Gesellschaft sich entscheidet, daß bestimmte rechtsgüterverletzende oder sozialschädliche Verhaltensweisen strafbar sein sollen, dann ist es nur konsequent, wenn zur Aufdeckung solcher Straftaten bzw. zum Auffinden von Ermittlungsansätzen auch anonyme Hinweise entgegengenommen werden, wenn Hinweisgeber mit Nachteilen für den Fall des Bekanntwerdens ihrer Hinweistätigkeit rechnen müssen.

Nicht gerecht und nicht konsequent erscheint es aber, wenn dies nur für Straftaten von Bürgern gegen den Staat bzw. Fiskus gelten soll.

Vielmehr sollte und müßte gleiches gelten, wenn der Staat und seine Organe (Ministerien, Behörden, Politiker, Beamte) sich etwas zuschulden kommen lassen, wie etwa Verschwendung oder Veruntreuung von Steuergeldern, Amigos bevorzugende öffentliche Auftragsvergabe, Korruption und Korruption, Verletzung von Bürgerrechten, Volksverhetzung, Verleumndnung, Vorbereitung eines Angriffkrieges, Wahlfälschung, Hochverrat, Landesverrat, Umweltstraftaten durch pflichtwidriges Unterlassen des Einschreitens gegen illegale Umweltverschmutzungen oder durch rechtswidrige Genehmigungen von imittierenden Anlagen oder Verschmutzungen des Grundwassers oder der Lagerung radioaktiver Materialien, u.s.w., u.s.f..

Zurzeit arbeitet der Staat (vertreten durch die Regierung) wohl auf verschiedenen Baustellen daran, seine Befugnisse und seine Handlungs- und Einflussmöglichkeiten zunehmend auszubauen, und die Bürger zunehmen zu reglementieren und zunehmend zu überwachen und zu verfolgen, aber glaubwürdig und vertrauenserweckend wäre das nur, wenn zugleich den Bürgern mehr Möglichkeiten gegeben würden ihrerseits auch Einfluss auf den Staat zu nehmen und ihn und seine Behörden und Organe ebenfalls zunehmend zu reglementieren und zu überwachen und bei Regelverstößen verfolgen zu lassen.

ius respicit aequitatem

Gleichheit der Untertanen vor der Obrigkeit reicht nicht, sondern auch die Obrigkeit muß vor dem Gesetz "gleich" sein, daß heißt auch ihr Handeln muß gesetzeskonform sein (Art. 20 III GG), und die Bürger müssen Möglichkeiten haben, auf eine effiktive Überwachung der Einhaltung von Art. 20 III GG hinzuwirken.

Neueste Vorstöße von Regierugspolitikern, wonach unter Demokratie künftig wohl nicht mehr zu verstehen sein soll daß das Volk der Souverän ist, sondern daß Demokratie demnächst lediglich bloß noch die Bedeutung eines Ordnungsrahmen für die legislative Gewalt haben soll, lassen indes befürchten, daß der Staat und die Gesetze derzeit einseitig zugunsten der Obrigkeit umgebaut werden sollen.

Akzeptanz sollte nur finden, wenn beide Seiten mehr Regelungs- und Kontrollbefugnisse erhalten, also der Staat und das Volk bzw. die Bürger.

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