Stipendienvergabe - nur unter Ausschluss des Rechtswegs

von Prof. Dr. Claus Koss, veröffentlicht am 10.02.2017

"Wie geht es ihnen?", wird der Rechtsanwalt gefragt - "gut, ich kann klagen!" Ein damals Student der Rechtswissenschaft hatte, zunächst vor dem Amtsgericht Ottweiler (Urteil v. 01.12.2011 - 6 C 147/11 (77)), dann über eine Verfassungsbeschwerde (SaarlVerfGH, Urteil v. 08.07.2014 - Lv 6/13) vor dem Landgericht Saarbrücken (Urteil v. 06.03.2015 - 10 S 125/14) bis zum BGH (Urteil v. 15.12.2016 - I ZR 63/15) geklagt. Die rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts im Saarland hätte dem Studenten mit juristischem Prädikatsexamen - entgegen Stiftungssatzung und Förderrichtlichtlinien - ein Stipendium für das Studium zum "Master of European Law" verweigert. Zu Recht, entschied der Bundesgerichtshof. Zum einen hätte die Stiftungssatzung im entschiedenen Fall keinen klagbaren Anspruch begründet, vielmehr sei die Auswahl einem Gremium überlassen gewesen. Zum Zweiten lasse sich die Ausschreibung weder als Preisausschreiben interpretieren noch kämen im Verhältnis des Destinatärs zur Stiftung die für vorvertragliche Schuldverhältnisse zur Anwendung. Im entschiedenen Fall habe der Bewerber auch keinen Anspruch auf eine neue Entscheidung, da der Förderzeitraum bereits abgelaufen war und der abgelehnte Bewerber den geförderten Studiengang den Studiengang auch ohne Stipendium habe.

Diese zivilrechtliche Entscheidung hat Auswirkungen auf die Bilanzierung von Leistungen bei der Stiftung. Erst, wenn ein zivilrechtlicher Anspruch besteht und dessen Höhe feststeht, ist eine Verbindlichkeit zu passivieren (vgl. IDW RS HFA 5, Tz. 71). Nach allgemeinen handelsrechtlichen Grundsätzen ist die Verpflichtung auf Gewährung von Stipendien als Rückstellung zu berücksichtigen, wenn die Höhe ungewiss ist (vgl. IDW RS HFA 5, Tz. 71). Angewendet auf den von
BGH entschiedenen Fall heißt das: hat das Vergabegremium konkrete Förderzusagen erteilt (z.B. "Für Bewerber X EUR 8.000 auf zwei Jahre"), so ist eine Verbindlichkeit zu passivieren. Fasst das Gremium dagegen den Beschluss, für Stipendien "im Folgejahr bis zu EUR 10.000 zu vergeben", so ist dieser Betrag in eine Rückstellung für Förderprojekte einzustellen. Bei einer Restlaufzeit der Verpflichtung länger als einem Jahr ist gemäß § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB abzuzinsen.

Steuerbegünstigte Körperschaften unterliegen der Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 AO). Nach hier vertretener Auffassung sind die Mittel bereits mit der Passivierung verwendet (ebenso einerseits Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 3. Aufl. 2015, Rz. 5.85, der aber gleichzeitig auf die Zahlungswirksamkeit abstellt). Stellt man auf die Zahlungswirksamkeit ab, so können Rückstellungen und Verbindlichkeiten als Rücklagen i.S.d. § 62 Abs. 1 Nr. 1 AO interpretiert werden. Die Feststellung des Jahresabschlusses der steuerbegünstigten Stiftung (mit den entsprechenden Passivposten) entspricht dann dem von Finanzbehörden geförderten Beschluss über die Rücklagenbildung.

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