Mehr Kriminalität durch Milde?
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
In der FAZ vom gestrigen Tage wird unter der Überschrift "Milde führt zu mehr Kriminalität" die Studie der Kriminalökonomen bzw. Wirtschaftskriminologen Spengler und Entorf referiert. Allerdings ergibt sich, dass die Überschrift in der FAZ zumindest irreführend ist. denn Inhalt der Studie ist offenbar keineswegs, dass milde Bestrafung (z.B. Freiheitsstrafe mit Bewährung, Geldstrafe statt Freiheitsstrafe, vorzeitige Entlassung) zu mehr Kriminalität führe. Im Gegenteil, die Forscher weisen deutlich darauf hin - und stimmen insofern mit bisherigen kriminologischen Annahmen überein, dass härtere Strafen nicht abschrecken: Das amerikanische Modell langer und harter Haftstrafe wirke nicht, wird Spengler in der FAZ zitiert.
Wesentlich ist ein anderes Ergebnis der Studie, über dass es sich freilich lohnt zu diskutieren. Die Wissenschaftler sehen einen Zusammenhang zwischen der enorm ausgeweiteten Praxis der Verfahrenseinstellungen (§§ 153, 153 a StPO; §§ 45, 47 JGG) durch die Staatsanwaltschaften und einem Anstieg der Kriminalität in den 70er und 80er Jahren in Deutschland.
Im Grunde wird also der Diversionspraxis in Deutschland (weit mehr als die Hälfte der Verfahren werden eingestellt, zu einem erheblichen Anteil ohne Folgen) vorgeworfen, sie verhindere Kriminalprävention. Für einen kriminalpräventiven Effekt des Strafjustizsystems müsse überhaupt gestraft werden, die Härte oder Milde der Strafe sei nicht erheblich.
Inwieweit hier lediglich eine Korrelation nachgewiesen wird oder welche weiteren Hinweise es gibt, die die Annahme plausibel machen, lässt sich im Moment nicht nachprüfen, weil die Studie (soweit ich sehe) online (noch) nicht zur Verfügung steht.
Edit (28.03.2009, 18.00 Uhr): die Studie ist hier online in engl. Sprache nachzulesen. Eine ausführliche deutsche Ergebniszusammenfassung gibt es hier.