Fall Bettina Wulff: Google-Argumente fragwürdig (mit Update 6.11.)
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Bettina Wulff, Ehefrau des ehemaligen Bundespräsidenten, wehrt sich gegen die Google-Autovervollständigung bei der Suche nach Ihrem Namen. Google argumentiert: Das Autocomplete bei der Eingabe von Suchwörtern in die Google-Maske wird nicht von Google, sondern vom Algorithmus gesteuert. Aber kann sich Google mit dieser Entschuldigung wirklich von Haftung befreien? Thomas Stadler (internet-law) gibt der Klage gegen Google keine Chance. Das ist möglicherweise eine zutreffende Einschätzung. Aber ich halte zumindest die Google-Argumente für fragwürdig, weil sie auf falschen Tatsachenbehauptungen beruhen.
Google nehme keinen Einfluss auf die Suchbegriffe, sagte Google-Sprecher Kay Oberbeck der Deutschen Presse-Agentur (dpa). «Die bei der Google-Autovervollständigung sichtbaren Suchbegriffe spiegeln die tatsächlichen Suchbegriffe aller Nutzer wider.»(Zeit-Online)
Vor einiger Zeit hatte ich mich aus kriminologischer Sicht mit dem Thema Google-Autocomplete befasst, nämlich hier im Beck-Blog und im DRadio Wissen. Es ist keineswegs nur ein bloßer Algorhitmus, der das Suchverhalten der Internet-User wiedergibt: Die Musikindustrie hat erreicht, dass Google die Namen bestimmter Plattformen, auf denen Musikdateien heruntergeladen werden können, bei der Suche nicht mehr automatisch vervollständigt. Auch werden andere Suchanfragen von Google bewusst vom Autocomplete ausgesperrt, so etwa das Wort "Bombe".
Wenn sich also die Google-Anwälte darauf berufen, das Autocomplete gebe eben nur die häufige Suche nach bestimmten Wortkombinationen objektiv wieder, dann argumentieren sie glatt an der Wahrheit vorbei. Redaktionelle Eingriffe finden statt, Google nimmt Einfluss.
Ich bin der Ansicht, Google sollte sein Autocomplete entweder komplett abschalten, oder dafür auch die redaktionelle Verantwortung übernehmen. Was meinen Sie?
Ergänzung (09.09.):
Selbst wer google grundsätzlich Recht geben will, wird vielleicht in diesem speziellen Fall anderer Auffassung sein. Schon wer nur die Buchstaben "Be" eingibt (um etwa die Berliner Sparkasse zu suchen), erhält den von mir hier nicht wiederholten verleumderischen Ergänzungsvorschlag von google; nach meiner Einschätzung hat Frau Wulff deshalb auch vor Gericht keine schlechten Chancen.
Ergänzung (06.11.):
Mein hiesiger Beitrag und meine Kommentierungen beziehen sich auf die Autocomplete-Funktion von Google in diesem konkreten Fall, indem m. E. durchaus Persönlichkeitsrechte von Frau Wulff berührt sein könnten. Mein Beitrag bezieht sich dagegen nicht auf Versuche von Frau Wulff, Google hinsichtlich der Suchergebnisse gerichtlich zu belangen. Sofern die von Google verlinkten Ergebnisse nicht selbst rechtswidrige Inhalte haben, sehe auch ich hier kein berechtigtes Anliegen, vgl. dazu Thomas Stadler auf Internet-Law.
UPDATE 14.05.2013:
Spiegel Online berichtet heute von einer BGH-Entscheidung (BGH - VI ZR 269/12), nach der Google bei den automatischen Suchvorschlägen (auf entspr. Hinweis) Persönlichkeitsrechte beachten muss. Die Entscheidung bestätigt meine hier vertretene Auffassung.
Aus der Pressemitteilung
Nimmt ein Betroffener den Betreiber einer Internet-Suchmaschine mit Suchwortergänzungsfunktion auf Unterlassung der Ergänzung persönlichkeitsrechtsverletzender Begriffe bei Eingabe des Namens des Betroffenen in Anspruch, setzt die Haftung des Betreibers die Verletzung zumutbarer Prüfpflichten voraus. Der Betreiber einer Suchmaschine ist regelmäßig nicht verpflichtet, die durch eine Software generierten Suchergänzungsvorschläge generell vorab auf etwaige Rechtsverletzungen zu überprüfen. Der Betreiber ist grundsätzlich erst verantwortlich, wenn er Kenntnis von der rechtswidrigen Verletzung des Persönlichkeitsrechts erlangt.
Weist ein Betroffener den Betreiber auf eine rechtswidrige Verletzung seines Persönlichkeitsrechts hin, ist der Betreiber verpflichtet, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern.
Neuer Beitrag mit Diskussion zu diesem Thema.