Neuer Sprengstoff für die Zeitarbeitsbranche?
Gespeichert von Prof. Dr. Markus Stoffels am
Die Zeitarbeitsbranche segelt weiter auf rauer See. Nach dem CGZP-Beschluss des BAG (NZA 2011, 289) und der Diskussion um die Rechtsstellung von Leiharbeitnehmern, die nicht vorübergehend, verliehen werden (hierzu u.a. LAG Berlin-Brandenburg Urteil vom 16.10.2012 - 7 Sa 1182/12, BeckRS 2012, 74944), hat das LAG Baden-Württemberg (20.3.2012 – 22 Sa 71/11, BeckRS 2012, 76035) in einem erst jetzt veröffentlichten Beschluss Zweifel hinsichtlich der Tariffähigkeit der DGB-Gewerkschaften in der Zeitarbeit anklingen lassen. Der Entscheidung lag die Klage eines Leiharbeitnehmers auf die Differenzvergütung nach § 10 Abs. 4 AÜG (equal-pay) zu Grunde. Zur Begründung machte der Kläger geltend, dass die in Bezug genommenen Tarifverträge zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit Personaldienstleistungen e.V. (BZA) und der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit unwirksam seien. Weder die tarifschließenden Einzelgewerkschaften noch der DGB seien für die gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung satzungsgemäß zuständig gewesen. Sie hätten in diesem Bereich auch kaum Mitglieder gehabt. Insbesondere die Einbeziehung der Gewerkschaft der Polizei zeige, dass der DGB unsorgfältig gearbeitet habe, da in diesem Bereich keine gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung denkbar sei. Das LAG sah darin ein substantiiertes Vorbringen gegen die Tariffähigkeit der DGB-Gewerkschaften, was nach § 97 Abs. 5 ArbGG die Aussetzung des Verfahrens zur Folge habe. Die Zeitarbeitsbranche dürfte dieses Verfahren sehr angespannt beobachten. Die zugelassene Rechtsbeschwerde wurde mittlerweile eingelegt (1 AZB 72/12). Das BAG hat nun zunächst nur darüber zu entscheiden, ob das Verfahren zu Recht ausgesetzt wurde, das LAG also zu Recht Zweifel an der Tariffähigkeit/Tarifzuständigkeit hegt. Das BAG muss sich nunmehr mit der Frage befassen, ob das Verfahren zu Recht ausgesetzt wurde. Sollten die Erfurter Richter die Notwendigkeit einer Aussetzung bestätigen, kann im Rahmen eines gesonderten Beschlussverfahrens nach § 97 Abs. 1 ArbGG über die Tariffähigkeit/-zuständigkeit der einzelnen an der DGB-Tarifgemeinschaft beteiligten Gewerkschaften für die Zeitarbeitsbranche entschieden werden. Sollte sich in diesem Verfahren herausstellen, dass entweder die Tariffähigkeit oder die Tarifzuständigkeit zu verneinen ist, können auch die von den Gewerkschaften abgeschlossenen Tarifverträge unwirksam sein. Wie nach dem CGZP-Beschluss wird es sodann um Differenzansprüche der Leiharbeitnehmer und um Ansprüche der Sozialversicherungsbeiträge gehen. Die mitunter zu beobachtende Umstellung von den CGZP-Tarifverträgen hin zu denjenigen der DGB-Gewerkschaften könnte sich am Ende als eine teuere Fehlspekulation erweisen.