Verletzen Pornogucker Urheberrechte? Anmerkungen zum Redtube-Fall
Gespeichert von Fabian Reinholz am
Massenabmahnungen kennt man ja inzwischen. Selbst wenn sich die Abmahnungen auf eine klare Rechtslage stützen ist, wird ein solches Vorgehen allgemein als irgendwie unsympatisch oder unethisch empfunden. Verständlicherweise erregt nun die „Redtube-Abmahnwelle“ besonderen Ärger, denn anders als Abmahnungen wegen Filesharing, fehlenden Impressi oder falschen Widerrufsbelehrungen stützten sich die Abmahnungen auf eine wohl unzutreffende Rechtsauffassung.
Zur Erinnerung: In Anspruch genommen werden Nutzer von Pornoplattformen wie redtube.com, weil sie dort abrufbare Filmchen angeschaut haben. Die Plattformbesucher konsumieren die Filme im Wege des sog. „Streaming“. Dabei werden die Videos online abgespielt, sie müssen dazu nicht auf den Rechner des Nutzers heruntergeladen werden. Allerdings findet notgedrungen für die Dauer des Anschauens eine vorübergehende Speicherung einzelner Teile der Videos auf dem eigenen Rechner statt.
Dies ist im urheberrechtlichen Sinn eine Vervielfältigung. Die Vervielfältigung ist eine (in § 16 UrhG) gesetzlich geregelte Nutzungsform eines urheberrechtlich geschützten Werks (vom Urheberschutz eines Pornofilms bzw. einzelner Teile hiervon sei einmal ausgegangen). Die Vervielfältigung bedarf der Zustimmung des Urhebers. Die Hersteller der Pornos wehren sich gegen die Abrufbarkeit ihrer Filme über die Streaming-Plattform Redtube, haben einer solchen Vervielfältigung im Zweifel also nicht zugestimmt. Hierauf stützt sich der Vorwurf der abmahnenden Rechtsanwälte aus Regensburg. Allerdings wenden sich die Anwälte nicht – was nahe liegen würde - an den Betreiber der Plattform, sondern an die Plattformnutzer. Diese müssen nun herhalten, weil Urheber sich schwer tun, wirksam gegen die Plattformen vorzugehen.
Zu Unrecht: § 44a UrhG gestattet vorübergehende Vervielfältigungen (Kopien), wenn diese flüchtig oder begleitend sind und einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens darstellen und deren alleiniger Zweck es ist, […] eine rechtmäßige Nutzung eines Werkes oder sonstigen Schutzgegenstands zu ermöglichen, und die keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben.
§ 44a UrhG geht zurück auf die sog. EU-InfoSoc-Richtlinie von 2001. Um den Erfordernissen der Informationsgesellschaft und den neuen (Online-)Technologien Rechnung zu tragen, sollten bestimmte technisch notwendige und begleitende Vervielfältigungshandlungen vom ausschließlichen Verfügungsrecht des Urhebers ausgenommen werden. Der Gesetzgeber hatte dabei insbesondere kurzfristige Speicherungen beim Browsing und Caching im Sinn (siehe RL 2001/29 EG, Erwägungsgrund 33; BT-Drucksache 15/38, Seite 18). Ob § 44a UrhG auch das Streaming erfassen soll ist umstritten und gerichtlich bislang nicht geklärt. Es spricht aber einiges dafür, dass für das Streaming nichts anderes gelten kann. Wie beim Caching finden auch beim Streaming nur vorübergehende Vervielfältigungen statt. Sie sind notwendiger Bestandteil der Streamingtechnik und haben auch keine eigene wirtschaftliche Bedeutung. Sie sollen vielmehr nur den Konsum des Werks durch den Endverbraucher ermöglichen. Selbst wenn Streaming-Portale wie Redtube die wirtschaftlichen Verwertungsmöglichkeiten der (Porno-)Filmindustrie beeinträchtigen, erfolgt die Beeinträchtigung nicht auf Konsumentenebene und nicht aufgrund der Zwischenspeicherung, sondern allenfalls bei den Anbietern entsprechender Streaming-Portale und der Art und Weise der Verfügbarmachung der Filme.
Die Vervielfältigungen sind auch rechtmäßig. „Rechtmäßig“ ist eine Nutzung nach § 44a UrhG, wenn sie vom Rechteinhaber zugelassen bzw. nicht durch das Gesetz beschränkt ist (siehe RL 2001/29 EG, Erwägungsgrund 33). Keinen gesetzlichen Beschränkungen unterliegt jedoch der Konsum eines Werks, egal ob es sich um eine Fernsehsendung oder einen Pornofilm handelt. Und dies mit gutem Grund: soll doch der Werkgenuss nicht durch das Urheberrecht beschränkt werden, damit Streitragen im Zusammenhang mit der urheberrechtlichen Nutzung nicht auf dem Rücken der Konsumenten ausgetragen werden.
Darüber hinaus erlaubt § 53 UrhG das Anfertigen von Kopien zum privaten Gebrauch. Zum privaten Gebrauch gehört auch und gerade das Anschauen von Filmen in den eigenen vier Wänden. Allerdings kann sich auf § 53 UrhG nicht berufen, wer zur Herstellung der Kopie auf eine Vorlage zurückgreift, die offensichtlich rechtswidrig erstellt oder zugänglich gemacht wurde. Dies soll verhindern, dass sich Nutzer die Werke aus erkennbar illegalen Quellen beschaffen (als Beispiel wird hier oft kino.to genannt). Wie so häufig stellt sich aber auch im Fall Redtube die berechtigte Frage, ob die Nutzer der Plattform wissen oder wissen müssen, dass und welche Videos dort rechtswidrig bereitgehalten werden. Wo es sich nicht um reine Piratenportale handelt, kann man von einer offensichtlich illegalen Quelle nicht sprechen.
Somit bestehen beste Voraussetzungen, sich gegen die Abmahnungen zu wehren. Hinzu kommt, dass die Beschaffung der Tatsachengrundlagen, nämlich die IP-Adressen der Nutzer, durch die abmahnenden Anwaltskollegen rechtlich fragwürdig ist. Hierzu lohnt sich ein Blick in die Blogs der Kollegen Stadler und bei Telemedicus.
Dass nun private Nutzer ausbaden müssen, dass Musik und Filmindustrie jahrelang versäumt haben, die Rechtslage in einem Musterprozess zu klären, ist ärgerlich. Zumal der Verdacht naheliegt, dass man für Massenabmahnungen gerade die Pornogucker ausgesucht hat, von denen man sich wenig Gegenwehr verspricht, weil es ihnen unangenehm sein könnte, Anwälte einzuschalten und öffentliche Prozesse zu führen.