Verkauf von Kräutermischungen mit zugesetzten synthetischen Cannabinoiden: Erste freisprechende Entscheidung des BGH – zugleich ein Hinweis auf einen kritischen Beitrag zum Urteil des EuGH
Gespeichert von Dr. Jörn Patzak am
Der 1. Strafsenat hat durch den heute veröffentlichten Beschluss vom 23. Juli 2014, 1 StR 47/14, als erster Senat des BGH eine Verurteilung wegen Verstoßes gegen das AMG gegen einen Verkäufer von Kräutermischungen mit zugesetzten synthetischen Cannabinoiden aufgehoben und den Angeklagten in diesen Fällen freigesprochen.
Er folgt dabei der Entscheidung des EuGH vom 10.7.2014 (C-358/13; C-181/14 = NStZ 2014, 461; s. dazu meinen Beitrag vom 12.7.2014) und führt aus, dass es den synthetischen Cannabinoiden in den vorliegenden Fällen an der Arzneimitteleigenschaft fehle. Denn sie seien zwar geeignet, die physiologischen Funktionen zu beeinflussen, sie seien aber dem Funktionieren des menschlichen Organismus und damit der Gesundheit nicht zuträglich. Sie seien vielmehr nur ihrer Rauschwirkung wegen konsumiert worden, so der BGH weiter.
Ungeachtet dieser BGH-Entscheidung wirft das Urteil des EuGH jedoch eine ganze Reihe von Fragen auf, die ich mit den Kollegen Dr. Volkmer und Dr. Ewald (Leiter der Toxikologie der Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes) in einem erst kürzlich in der Neuen Zeitschrift für Strafrecht (NStZ), Ausgabe 08, Seite 463, zusammengestellt habe. Hier ein kleiner Ausschnitt dieser für uns unbeantworteten Fragen:
Ist die Entscheidung auch auf Neue psychoaktive Substanzen auf Basis der Cathinon-Derivate zu übertragen?
Die Entscheidung des EuGH bezieht sich ausschließlich auf Produkte mit synthetischen Cannabinoiden. Wie sieht es aber mit Neuen psychoaktiven Substanzten mit zugesetzten Cathinon-Derivaten aus? Diese haben ähnliche Wirkungen wie Amphetamin. Da Amphetamin unzweifelhaft therapeutische Wirkungen zugeschrieben werden können, denn es ist als verschreibungsfähiges Betäubungsmittel in Anlage III eingestuft und kann damit von einem Arzt bei Vorliegen einer Indikation auf einem Betäubungsmittelrezept verordnet werden, dürfte die Entscheidung des EuGH hier nicht ohne Weiteres gelten.
Wie sieht es mit GBL aus?
Der BGH hat mit Urteil vom 8.12.2009 (NJW 2010, 2528) entschieden, dass das unerlaubte Inverkehrbringen von GBL zu Konsumzwecken nach dem Arzneimittelgesetz strafbar ist. Gilt dies immer noch, denn GBL wandelt sich im menschlichen Körper in kurzer Zeit in GHB um und hat deshalb dieselbe berauschende Wirkung wie GHB? GHB wiederrum ist z. B. im Fertigarzneimittel Somsanit® enthalten und wird zur Injektionsnarkose verwendet.
Wer bestimmt, ob ein Stoff „der menschlichen Gesundheit zuträglich“ ist?
Nach Auffassung des EuGH unterfallen Stoffe, „die nur konsumiert werden, um einen Rauschzustand hervorzurufen, und die dabei gesundheitsschädlich sind“, nicht dem Arzneimittelbegriff. Wer aber bestimmt, ob ein Produkt eine solche Wirkung hat? Diese Frage werfen wir an dem Beispiel des Arzneimittels Ketamin auf, das wegen seiner bewusstseinsverändernden Wirkung auch in der Drogenszene beliebt ist. Ist das in der Medizin verwendete Ketamin ein Arzneimittel, während dies bei der Droge Ketamin nicht der Fall ist? Wohl kaum…
Einzelheiten zu diesen und anderen Fragen, die aus unserer Sicht dringend beantwortet werden müssen, finden Sie in dem Beitrag Patzak/Volkmer/Ewald, NStZ 2014, 463.