Berliner HU will Dienstverhältnis mit Andrej Holm beenden
Gespeichert von Prof. Dr. Markus Stoffels am
Die Berliner Humboldt-Universität (HU) wird ihr Arbeitsverhältnis mit dem stasibelasteten Ex-Staatssekretär Andrej Holm beenden. Dies berichten übereinstimmend mehrere Berliner Medien (z.B. RBB 24 und Der Tagesspiegel) und die FAZ. Der Vertrag mit der Hochschule werde "ordentlich gekündigt", sagte demnach HU-Präsidentin Sabine Kunst. Sie bedauere zwar die Entscheidung, Holm ordentlich zu kündigen, weil die HU einen renommierten und anerkannten Stadtsoziologen mit großer wissenschaftlicher Reputation verliere. Die Kündigung beruht ihren Worten zufolge nicht auf der Tätigkeit von Holm für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS), sondern einzig darauf, dass er die HU hinsichtlich seiner Biographie getäuscht und auch an dem wiederholt vorgebrachten Argument der Erinnerungslücken festgehalten hat.
2005 hatte Holm bei seiner Einstellung in einem Fragebogen die Frage, ob er hauptamtlich bei der Stasi tätig war, verneint. Auch in "verschiedenen Lebensläufen" habe er zu verschleiern versucht, dass er Offiziersschüler des MfS war. "Dies ist arbeitsrechtlich eine arglistige Täuschung", sagte Kunst. Mitte Dezember habe er der HU einen neuen Lebenslauf zugesandt, in der die Tätigkeit als Offiziersschüler gegenüber der HU erstmals erwähnt worden sei. Mit den Falschangaben sei das Vertrauensverhältnis der HU gegenüber Holm nachhaltig gestört worden, erklärte Kunst weiter. In der Stellungnahme gegenüber der HU sei mit keinem Wort ein Bedauern zu erkennen gewesen. Die Falschangaben, das fehlende Bedauern und Holms Beharren auf "Erinnerungslücken" hätten die Universitätspräsidentin dazu gebracht, das Arbeitsverhältnis zu beenden.
Andrej Holm teilte auf seiner Webseite mit, dass er gegen die Kündigung beim Arbeitsgericht Berlin Klage erheben werde. "Ziel der Klage wird sein festzustellen, dass die Kündigung rechtswidrig und damit unwirksam ist", schreibt Holm.
Das Verfahren dürfte große Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Denkbar wäre auch, dass anstelle oder neben einer Kündigung auch eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB ausgesprochen wird. Es verwundert ein wenig, dass die HU diese Möglichkeit bislang offenbar nicht näher in Betracht gezogen hat.
aktueller Nachtrag: Die HU vollzieht eine Kehrtwende und benügt sich mit einer Abmahnung
In der Pressemitteilung der HU heißt auszugsweise wie folgt:
"Am 09. Februar 2017 gab Herr Dr. Andrej Holm folgende Erklärung ab:
`Ich bin mir heute bewusst, dass ich gegenüber der HU objektiv falsche Angaben hinsichtlich meiner Tätigkeit für das MfS gemacht habe. Ich bedauere das und ebenso, dies nicht sofort gegenüber der HU zum Ausdruck gebracht zu haben. Ich versichere gleichzeitig, neben der Grundausbildung und den von mir geschilderten Tätigkeiten in der Auswertungs- und Kontrollgruppe keine weiteren Aufgaben, weder hauptamtlich noch inoffiziell, für das MfS erledigt zu haben.´
Mit seiner Erklärung gibt Herr Holm erstmalig gegenüber der HU zu, Falschangaben gemacht zu haben, und bedauert dies.
Vor dem Hintergrund der neuen Erklärung und der Klarstellung gegenüber der HU als Arbeitgeberin stellt sich die Frage neu, inwieweit das Vertrauensverhältnis zwischen der HU und Herrn Holm gestört ist. Die HU-Präsidentin Prof. Dr.-Ing. Dr. Sabine Kunst hatte darauf bereits am 18. Januar verwiesen. Die Präsidentin sieht das Vertrauensverhältnis zwar gestört, aber nicht mehr vollständig zerstört und hat deshalb heute entschieden, statt einer Kündigung eine Abmahnung auszusprechen.
Sabine Kunst: `Es ist erfreulich, dass wir mit Herrn Holm zu einer gemeinsamen Lösung gekommen sind und damit seine Expertise im Lehrbereich Stadtsoziologie der HU auf diese Weise für Lehre und Forschung erhalten können.´
Die Entscheidung der Hochschulleitung ist vor dem Hintergrund starker Proteste erfolgt. Studierende halten noch immer das Institut für Sozialwissenschaften besetzt.