Anwaltverein gegen diskutierte Ausweitung der Befugnisse der Sicherheitsbehörden

von Gast, veröffentlicht am 03.01.2008

Pläne für weitere verschärfende Maßnahmen zur Terrorbekämpfung

Nach Presseberichten wollen die Sicherheitsbehörden nicht nur an der geplanten Online-Durchsuchung festhalten, sondern fordern künftig auch eine «verdeckte Durchsuchung inklusive verdeckter Videografie» von verdächtigen Wohnungen und die Einführung sogenannter «in-camera»-Verfahren in den Strafprozess.

Bundeskriminalamts-Chef Jörg Ziercke hatte etwa nach einem Bericht des Nachrichtendienstes Heise Online vom 18.12.2007 erklärt, bei Verfahren gegen islamistische «Gefährder» sei zu prüfen, ob im «in-camera»-Verfahren einzelne Aktenteile «nur für das Gericht einsehbar sein sollen», um die Ermittlungen nicht zu gefährden. Nach Informationen des Nachrichtenmagazins Spiegel Online vom 08.12.2007 fordern Bundeskriminalamt und Landeskriminalämter in einem vertraulichen Bericht an die Innenminister von Bund und Ländern unter anderem in Ergänzung zur akustischen Wohnraumüberwachung einen so genannten «großen Spähangriff» mit Videokameras sowie den Ausbau der Kontrolle von Internet-Cafés und die Erlaubnis «präventivpolizeilich» Telefonate abhören zu können, wenn der Betroffene noch gar kein Beschuldigter ist.

DAV: «in-camera»-Verfahren im Strafprozess «tabu»

Die Einführung des «in-camera»-Verfahrens in den Strafprozess erinnere allerdings «an die Methoden der Geheimdienste», sagte Rechtsanwalt Stefan König, Vorsitzender des DAV-Strafrechtsausschusses. Dieser Vorstoß sei mit der Verfassung nicht zu vereinbaren und deshalb strikt abzulehnen. Das Bundesverfassungsgericht habe ausdrücklich klargestellt, dass das «in-camera»-Verfahren im Bereich des Strafprozesses tabu ist, da es gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoße. Der darin verankerte Anspruch auf rechtliches Gehör sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts «nicht nur ein prozessuales Urrecht des Menschen, sondern auch ein objektivrechtliches Verfahrensprinzip, das für ein rechtsstaatliches Verfahren im Sinne des Grundgesetzes konstitutiv und grundsätzlich unabdingbar ist» (BVerfG, NStZ 2007, 274). Das «in-camera»-Verfahren gebe es lediglich im Verwaltungsprozess, weil dort nicht der Grundsatz «im Zweifel für den Angeklagten» gelte, sondern der Bürger beweisbelastet sei.

Bessere Organisation der Arbeit der Sicherheitsbehörden statt Verschärfung der Maßnahmen gefordert

Der Kampf gegen den Terrorismus darf nach Ansicht Königs nicht um jeden Preis geführt werden. Der Wunsch der Sicherheitsbehörden nach wirksamen Mitteln zur Terrorabwehr dürfe nicht dazu führen, dass der Rechtsstaat ausgehöhlt wird. Auch DAV-Präsident Rechtsanwalt Hartmut Kilger betonte, dass es wichtiger sei, bei bestehender Gesetzeslage die tägliche Arbeit der Sicherheitsbehörden besser zu organisieren, zu finanzieren und den heutigen Anforderungen anzupassen.

Hintergrund

Das «in-camera»-Verfahren (lateinisch «in camera» für «in der Kammer», also «geheim») ist bisher nur im Verwaltungsprozess nach § 99 Abs. 2 VwGO zulässig, wenn die Vorlage von Akten und damit deren Bekanntwerden dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen. Die Beschränkung des Akteneinsichtsrechts der Verfahrensbeteiligten gemäß § 100 Abs. 1 VwGO hinsichtlich der nur für den entscheidenden Spruchkörper bekanntzugebenden Informationen ist nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27.10.1999 (Az.: 1 BvR 385/90) auch verfassungsgemäß, wenn nur so ein effektiver Rechtsschutz erreicht werden kann (NJW 2000, 1175).

beck-aktuell-Redaktion, 3. Januar 2008.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

1 Kommentar

Kommentare als Feed abonnieren

Sehr gut, dass das Thema über Beck.de nun auch den letzten Anwalt erreichen dürfte. Dabei gilt es nicht nur, sich zu politisieren und Stellung zu beziehen, sondern auch in der eigenen Kanzlei an den Bereich "Datenschutz und Datensicherheit" zu denken. Als Betroffener Mandant kann ich nur hoffen, dass Anwälte zunehmend über Themen wie Verschlüsselung von Mails und Daten nachdenken und es im eigenen Büro umsetzen.

Zum Thema VDS hier ein paar Links bzw. Blogs:
http://www.vorratsdatenspeicherung.de
http://spitzelblog.blogspot.com
http://www.netzpolitik.org
http://www.lawblog.de
http://jens.familie-ferner.de

Wer sich praktische Tipps heraussuchen möchte findet die hier: http://wiki.vorratsdatenspeicherung.de/VDS-umgehen

0

Kommentar hinzufügen