Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit und Bestechung im privaten Verkehr?

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 17.01.2008

Am 16. Januar 2008 hat Bayerns Justizministerin Dr. Beate Merk die vom Münchner Generalstaatsanwalt Dr. Christoph Strötz organisierte internationale Tagung "Schutz der finanziellen Interessen der EU durch Korruptionsbekämpfung in Europa" eröffnet und dabei die Pläne der Bundesjustizministerin zum Korruptionsstrafrecht kritisiert. Aus meiner Sicht mit Recht!

Die Bevölkerung ist spätestens seit den verschiedenen Siemens-Skandalen sensibel geworden für "krumme" Gechäfte. An der Strafwürdigkeit hoher Schmiergeldzahlungen besteht auch kein Zweifel. Wo aber liegt die Grenze etwa bei Einladungen zu Großveranstaltungen oder sogar bei kleineren Geschenken? Jetzt plant die Bundesjustizministerin, die Strafvorschriften gegen Bestechlichkeit und Bestechung bei Zuwendungen an Privatangestellte beim Bezug von Waren oder Dienstleistungen auszuweiten, wenn der Angestellte interne Pflichten verletzt. Ein Schaden oder eine Verzerrung des Wettbewerbs soll für die Strafbarkeit nicht erforderlich sein.

Kriminalpolitisch erscheint es mir nicht sinnvoll , wenn demnächst die Privatwirtschaft entsprechend den Ministerialerlassen der Länder zum Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken solche Richtlinien aufstellen müsste. Wie werden wir dann den Fall mit der angebotenen Tasse Kaffee lösen?

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

6 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Das Problem der "Tasse Kaffee" zeigt den üblichen "Schmerz der Grenze" bei weiten und offenen Tatbestandsmerkmalen (hier: Vorteil). Die Lösung über die Figur der Sozialadäquanz aus dem Bereich der § 331ff. StGB (vgl. Fischer, § 331 Rn. 25ff.) kann auch für § 299 StGB fruchtbar gemacht werden. Allgemein zeigt sich, dass das international vorgeprägte Korruptionsstrafrecht starke politisch-symbolische Züge trägt und den Bereich des Strafwürdigen überschreiten kann.
Die geplante Ausweitung des § 299 StGB belegt im Übrigen exemplarisch, dass der liberale Gedanke der Subsidiarität des Strafrechts (gegenüber Zivil- und Verwaltungsrecht) mindestens im Bereich der Wirtschaftsstrafgesetzgebung keine Rolle mehr spielt. Dies mag man zur Stärkung eines "sauberen" Wirtschaftslebens, gerade im Lichte öffentlich gewordener Extremfälle, begrüßen. Ich halte aber eine kritische Distanz zu abstrahierten (moralisierten?)Kollektivrechtsgütern, Tatbestandsvorverlagerungen und insgesamt umfangreichen Pönalisierungen für angebracht. Eine lesenswerte detaillierte Kritik der BRAK zur geplanten Änderung des § 299 StGB findet sich bei www.brak.de.

0

Sehr geehrter Herr Dr. Bock,

sehr dankbar bin ich Ihnen dafür, dass Sie als Wissenschaftlicher das Problem auf das Grundsätzliche zurückführen,das bei der rechtspolitischen Alltagsdiskussion reglmäßig nicht mehr angesprochen wird und deshalb bei vielen schon aus dem Blick geraten ist.

Morgen werden bei der Hauptversammlung von Siemens die Aktionäre wohl Aufklärung über die Korruptionsaffäre verlangen.

Heute Morgen las ich in dem Artikel von Ernst-Wilhelm Händler (heutige FAZ S. 33) folgenden treffenden Satz: "Wie kann es hier zu Korruption kommen? Wenn der Manager der Meinung ist, dass er den wichtigen Auftrag für seine Firma nur durch aktive Bestechung sichern kann, wenn seine Kollegen und vor allem die Revision der gleichen Meinung sind und wenn alle zusammen glauben, es kommt nicht heraus, dann tut der Manager nach seiner Auffassung nur seine Pflicht, indem er der Firma den Auftrag auf diese Weise sichert."

Mit freundlichen Grüßen
Bernd von Heintschel-Heinegg

0

Vermögensstrafrechtlich dürfte diese Pflichtauffassung ja tatsächlich dazu führen, dass es am Vorsatz bzgl. des Vermögensnachteils i.S.d. § 266 I StGB fehlen kann (vgl. auch "Kanther"-Fall NJW 2007, 1760). Was das Korruptionsstrafrecht i.e.S. angeht, stellt sich die Frage, ob Manager, denen kein aktives Handeln nachzuweisen ist, eine Unterlassensstrafbarkeit droht (zur strittigen Garantenstellung der GeschäftsführungSK/Rudolphi, § 13 Rn. 35a). Auch hinsichtlich der Konzernführung fragt sich, ob konzernrechtliche Compliance-Verantwortung (Fleischer, CCZ 2008, 1ff.) strafrechtliche Folgen hat.

Mit freundlichen Grüßen

Dennis Bock

0

Sehr geehrter Herr Prof. von Heintschel-Heinegg,
sehr geehrter Herr Dr. Bock,

erlauben Sie mir bitte ein paar Anmerkungen:

der Artikel von Herrn Händler ist natürlich blauäugig und verstellt den Blick auf die in einem derartigen Fall bedenkenlos einschlägigen Bestechungsvorschriften - sowohl objektiv, wie auch subjektiv. Auf die Frage eines Vermögensschadens kommt es dort nicht an.

Eine reale Vorsatzdiskussion findet in der Praxis - wenn überhaupt - frühestens vor Gericht statt, also dann, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Zumeist ist sie eher theoretischer Natur oder - überspitzt formuliert - das Argument des "armen" Strafverteidigers.

Für die Erweiterung des § 299 gibt es keine guten Gründe. Schon das jetzige Strafbarkeitsschema deckt die angedachten Neuerungen im wesentlichen ab. Dies wird besonders deutlich am Beisliepl des Mitarbeiters, der sich bestechen läßt: dieser begeht zugleich eine Untreue zum Nachteil seines Arbeitgebers und sei es durch den Einbehalt des Bestechungsgeldes.

Zu der ERA-Veranstaltung: auch wenn ich selber gerne für die ERA referiere, muß ich doch konstatieren, daß derartige Veranstaltungen (nicht nur ERA) getrieben sind vom Prinzip der bestmöglichen Verfolgbarkeit von verdächtigten Bürgern. Dies gibt die Realität innerhalb der EU wieder, in der Verfahrensrechte als Gegengewicht schlichtweg nicht en vogue sind.

Mit freundlichen Grüßen

Heiko Ahlbrecht

0

In der Siemens-Schmiergeld-Affäre geht es dubiose Zahlungen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro, die vermutlich größtenteils als Schmiergeld im Ausland eingesetzt wurden. Bisher stand die «Com» im Fokus der Ermittlungen. Das Unternehmen selbst hatte aber Ende Januar 2008 bereits fragwürdige Zahlungen in insgesamt sechs Bereichen beziffert, darunter auch 80 Millionen Euro in der Energieverteilung. Sharef war wie andere frühere Vorstände im Zuge des radikalen Konzernumbaus und der Verjüngung der Führungsspitze zum Jahreswechsel aus dem Vorstand ausgeschieden. Er hat aber noch einen Beratervertrag. Bislang ermittelte die Staatsanwaltschaft in der Siemens-Affäre vor allem gegen die früheren Vorstände Heinz-Joachim Neubürger und Thomas Ganswindt.

Am Wochenende hatte es in Medienberichten neue Spekulationen um eine angebliche Mitwisserschaft des früheren Siemens-Chefs und Aufsichtsratsvorsitzenden Heinrich von Pierer gegeben. Pierer und weitere Topmanager hätten frühzeitig von schwarzen Kassen des Konzerns gewusst, hieß es in den Berichten. Im Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» und in der «Süddeutschen Zeitung» war von neuen Erkenntnissen die Rede. Der ehemalige Justiziar und Anti- Korruptionsbeauftragte des Konzerns, Albrecht Schäfer, soll demnach Pierer und mehrere seiner Kollegen frühzeitig auf schwarze Kassen hingewiesen haben. Zu den Berichten wollte sich Oberstaatsanwalt Winkler am 14.04.2008 nicht äußern, machte aber deutlich, dass man etwaigen Hinweisen auf eine Beteiligung Pierers nachgehen werde.

Die Bundesregierung wollte die Spekulationen um Pierer unterdessen nicht bewerten. Pierer berät als Vorsitzender des Innovationsrates Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Hightech-Fragen. Vize-Regierungssprecher Thomas Steg sagte am 14.04.2008 in Berlin, es gebe keinen Grund, sich in der aktuellen Debatte über die Person Heinrich von Pierer weiter zu äußern. «Wir sind da keine Ermittlungsbehörde. Er hat im Rat für Innovation sehr engagiert gearbeitet.» Diese Aufgabe habe Pierer in den vergangenen Monaten und Jahren mit großem Engagement erfüllt.

0

Kommentar hinzufügen