"Deutschland sucht den Superstar" - unter Missachtung des Jugendschutzes?

von Prof. Dr. Marc Liesching, veröffentlicht am 04.02.2008

Nachdem ein Siebzehnjähriger in der RTL-Sendung „Deutschland sucht den Superstar“ offenbar in Reaktion auf scharfe Kritik der Jury zusammengebrochen war, hat die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) Medienberichten zufolge ein Verfahren eingeleitet, um zu prüfen, ob die Show gegen den Jugendschutz verstößt. Die Medienaufsicht hatte bereits im Jahr 2007 Beanstandungen mehrerer Wiederholungen am Nachmittag mit der Begründung ausgesprochen, beleidigende Kommen­tare der Jury sowie die redaktionelle Aufbereitung und Inszenierung der Auftritte einiger Kandidaten seien geeignet, die Entwicklung von Kindern unter 12 Jah­ren zu beeinträchtigen. Weiterhin hieß es damals von Seiten der Kommission für Jugendmedienschutz, "in einem Massenmedium wurde vorgeführt, wie Menschen herab­gesetzt, verspottet und lächerlich gemacht werden". Antisoziales Verhalten werde auf diese Weise als Normalität dargestellt und könne Werten wie Mitgefühl, Respekt und Solidarität mit anderen entgegenwirken. Die KJM war zudem damals der Auffassung, dass Inhalte von DSDS auch für die Altersgruppe bis unter 16 Jahren probematisch sein können.

Der Privatsender RTL argumentierte dagegen, dass es sich bei der Fernsehsendung einschließlich der oft harschen Äußerungen der Jury gegenüber (jugendlichen) Teilnehmer(inne)n an dem Song-Contest allenfalls um "Geschmacksfragen" handele, aber nicht um eine Frage des Jugendschutzes. "Deutschland sucht den Superstar" - nur eine Frage des guten Geschmacks oder zumindest auch des Jugendschutzes?

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12 Kommentare

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Sehr geehrter Dr. Liesching,

was mich jetzt interessiert: Wie würden Sie als der Experte hier denn die letzte Frage beantworten?

Das ist doch gerade das interessante an einem Blog, dass man einmal die persönliche Sicht der Dinge präsentiert bekommt. Die Nachricht, so wie sie jetzt da steht, konnte ich so schon bei SpOn und 10 anderen Quellen lesen.

Also: Wie ist es denn nun?

Eine weitere interessante Frage ist übrigens, ob - falls man tatsächlich Jugendgefährdung annimmt - nicht doch die FSF vorrangig entscheiden müsste...

In diesem Sinn freue ich mich auf eine Diskussion!

ElGraf

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Vielen Dank für die Anregung! Ich finde, jeder kann sich erst einmal an einem im Blog gesetzten Diskussionsthema oder einer aufgeworfenen Fragestellung beteiligen, wenn er hierzu eine Meinung hat. Die Aufgabe der Experten ist hier aus meiner Sicht erst einmal die Anregung bestimmter Themen und die Moderation. Daher halte ich mich hier zunächst mit eigenen Bewertungen etwas zurück. Sie sehen aber anhand anderer Blogs, dass ich mich dann gerne in Diskussionen einschalte.

Gleichwohl meine persönliche Auffassung: Es ist immer schwierig, ein Sendeformat in seiner Gesamtheit unter Jugendschutzgesichtspunkten zu beurteilen. Diskutabel sind eher die einzelnen konkreten Szenen, wie etwa die Art und Weise der von der Jury geübten Kritik. Ich denke schon, dass die Argumentation der KJM hinsichtlich der möglichen Entwicklungsbeeinträchtigung - zumindest für die Altersgruppe unter 12 Jahren sich hören lässt.

Zudem muss meines Erachtens klar unterschieden werden: geht es um eine Gefährdung oder Beeinträchtigung der jugendlichen Teilnehmer(innen) an dem Song-Contest oder geht es um die minderjährigen Zuschauer? Denn vor allem Letzteres ist eine Frage des Jugendmedienschutzes.

Der FSF müssten vom Sender RTL streng genommen die Inhalte von DSDS vorab zur Prüfung vorgelegt werden. In der Praxis ergeben sich wegen der kurzen Vorlaufzeit zwischen Produktion und der Ausstrahlung aber Schwierigkeiten. Wird der FSF die Sendung nicht vorgelegt bzw. wird die konkrete DSDS-Folge nicht von der Selbstkontrolleinrichtung geprüft, kann die KJM grundsätzlich sofort ein Aufsichtsverfahren einleiten.

Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn man DSDS als "nichtvorlagefähige Sendung" i.S.d. § 20 Abs. 3 S. 2 JMStV ansehen würde. In diesem Fall wäre die KJM verpflichtet, zunächst die FSF sich mit der Bewertung befassen zu lassen. Es ist aber nach meiner Ansicht zweifelhaft, ob man DSDS nur wegen der engen Zeitspanne zwischen Produktion und Austrahlung als "nicht vorlagefähig" ansehen kann.

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nur kurz ergänzend zu der von ElGraf aufgeworfenen der vorrangigen Entscheidung der FSF. Nach Auffassung der KjM ist sie für Verstöße gegen die Menschenwürde unmittelbar zuständig, muss also keine Selbstkontrolleinrichtung mit der Beschwerde vorher befassen. Diese folge aus § 20 Abs. 3 S. 2 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Nr. 8 JMStV. Alles was mit Menschenwürde zusammenhängt kann also die KjM öffentlichkeitswirksam unmittelbar angehen.

Heiko Wiese

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Mir war nicht bewusst, dass die KJM im hiesigen Fall die Menschenwürde bemüht hat und fände es ehrlich gesagt auch ein wenig weit hergeholt. Aber es gab ja auch Stimmen, die Big Brother für nicht mit Art. 1 GG vereinbar hielten.

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Herr Kollege Wiese hat recht. Die Auffassung der KJM ist insoweit freilich nicht unumstritten. Denn in § 20 Abs. 3 JMStV ist ein "Direktbefassungsrecht" der KJM bei Verstößen gegen § 4 Abs. 1 JMStV (u.a. auch Menschenwürdeverletzung) gerade nur bei nicht vorlagefähigen Sendungen geregelt. Bei vorlagefähigen Sendungen fehlt eine entsprechende Ausnahmeregelung. Anders nur, wenn man sagt: Bei der Menschenwürde gibt es keine der Selbstregulierung überlassenen Beurteilungsspielräume.

Wie damals die Zurschaustellung der Kandidaten von "Big Brother" wird natürlich auch der neuerliche Vorfall des kollabierenden, überforderten Jugendlichen bei DSDS unter dem Aspekt der Verletzung der Menschenwürde diskutiert werden. Zurecht hat die KJM hierauf aber - ebenso wie damals bei "Big Brother" - letzenendes bislang nicht abgestellt, sondern allein auf eine mögliche Entwicklungsbeeinträchtigung bestimmter Altersgruppen nach § 5 Abs. 1 JMStV.

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@ ElGraf: Ich habe am Samstag zufällig eine Szene aus DSDS gesehen, die unter Würdeaspekten sehr grenzwertig war. Der Kandidat hatte offensichtlich eine angeborene Behinderung und war -so empfand ich es- unfreiwilliges Objekt. Obwohl "unfreiwillig" das falsche Wort ist, wie RTL sicher einwenden würde. Der Kandidat war der festen Überzeugung, er könne Superstar werden. Und es tat besonders weh, weil man sich nicht sicher war, ob der Kandidat überhaupt geschäftsfähig war. Dieter Bohlen konnte das durch seine Sprüche auch nicht unbedingt entschärfen. "Wir sind hier bei Deutschland sucht den Superstar und nicht bei Deutschland sucht Naturkatastrophen". Kein Problem? Also an meinem Verständnis von Art. 1 GG kratzt das schon.
Dennoch musste ich lachen. Um Deutschlands Kinder machte ich mir nach 21 Uhr auch keine Sorgen. Weitere Beleidigungen gab es nicht.

@ Dr. Liesching: "Nicht vorlagefähig" ist die Sendung sicher nicht, so wie sie produziert wird (es liegen ja doch ein paar Tage zwischen Produktion und Ausstrahlung). Und ich könnte mir sehr wohl vorstellen, angesichts möglicher Szenen mit Würdeproblematik und sozialethischer Desorientierung (Häme und Beleidigung unzensiert und bejubelt im Nachmittagsprogramm?) in den ersten Sendungen dichter vorab zu prüfen, wenn da mehr Szenen auftauchen sollten, die das nahe legen. Doch gibt es da zur Zeit überhaupt viele Beschwerden bei KJM und FSF?
Kandidaten werden unfreiwillig als Slapstickakteure medial gegrillt. Das ist bekannt. Unfreiwillig aber eben doch freiwillig. Das ist nicht das Problem des Jugendmedienschutzes, da haben Sie wahrlich Recht, sondern jedenfalls in meinem Beispiel eine Frage der Geschäftsfähigkeit. Und damit wird es jedenfalls auch zum medialen Würdeproblem.
Meist bleibt aber doch alles nur eine Frage des guten Geschmacks.

Die Auffassung der KJM, dass die Sprache von Dieter Bohlen für die Entwicklung von unter 12 Jährigen problematisch sein könnte, kann ich zwar verstehen. Allerdings werden da ja ganz andere Sachen im Tagesprogramm durchgewunken (Mittagstalkshows).

Alles in allem also nichts Neues. Und nichts was FSF und KJM ernsthaft Kopfzerbrechen bereiten würde.

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@ Herr Kollege Wiese und Dr. Liesching vom 6. Februar 2008 - 20:31
Das ist ja interessant! Die KJM nimmt also stillschweigend (?) eine nichtvorlagefähige Sendung an, um ihre Kompetenz zu begründen? Das war mir gar nicht bewusst. Ein diskutabler Standpunkt. Etwaige Jugendschutzprobleme in den doch mit deutlicherem zeitlichen Abstand zur Ausstrahlung produzierte Sendungen bei der Kandidatenvorauswahl wären evtl. doch besser bei strenggenommener Auslegung des JMStV bei der FSF aufgehoben. Bei den Livesendungen der Endrunden ist das natürlich wieder anders, weil Nichtvorlagefähigkeit unproblematischer vorliegt.

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Zu Dr. Mynarik: Die KJM geht von einer vorlagefähigen Sendung aus, wie sich dem epd vom 02.02.08 (S.27 f) entnehmen lässt:
"Unverständlich sei, dass RTL die Freiwillige Selbstkontrolle
Fernsehen (FSF) nicht in den Produktionsprozess
von „Deutschland sucht den Superstar" einbezogen
habe, sagte Ring. Im vergangenen Jahr habe die KJM
in einem Gespräch mit RTL-Vertretern deutlich gemacht,
dass eine solche Vorlage erwartet werde."

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Dann ist also davon auszugehen: DSDS-Folge ist - sofern nicht live - vorlagefähig; wird nicht der FSF vom Sender vorgelegt, so hat die KJM ein Erstbefassungsrecht und die Möglichkeit, ohne Konsultation der FSF ein Aufsichtsverfahren anzustrengen.

@Dr. Mynarik: Über das aktuelle Beschwerdeaufkommen bei FSF und KJM bin ich nicht im Bilde (sowohl DSDS als auch allgemein). Den von Ihnen geschilderten Vorfall mit dem behinderten Kandidaten halte ich ebenfalls unter dem Gesichtspunkt der Menschenwürde für diskutabel. Hieß es im Übrigen nicht schon bei der damaligen "Big Brother"-Debatte in zahlreichen Gutachten: "Die Menschenwürde ist nicht disponibel"? Welche Rolle spielt vor diesem Hintergrund die "Freiwilligkeit" der Contest-Teilnehmer überhaupt?

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Natürlich haben Sie Recht, Herr Dr. Liesching, die Menschenwürde ist kein Individualgrundrecht und auch nicht disponibel. Art. 1 GG lässt da keine andere Auslegung zu. Die Unbeachtlichkeit der Einwilligung ist sogar explizit in § 4 Abs. 1 Nr. 8 JMStV aufgenommen. Man spricht im Zusammenhang mit der Menschenwürde ja sogar von einem abwägungsfesten Grundrecht. Aber im Rahmen der Einzelfallbeurteilung, ob die Menschenwürde verletzt ist, spielt es sicher eine Rolle, ob ein gesunder geschäftsfähiger Kandidat sich dem DSDS-Trubel aufgrund wirksamer Einwilligung aussetzt und dabei beobachtet wird, wie er sich -freiwillig und absehbar- zum Affen macht oder ob er diese Voraussetzungen sichtlich nicht mitbringt. Dogmatisch gesehen ist also keine Abwägung zwischen den durch Art. 5 GG geschützten Interessen des Senders... und Art 1 GG vorzunehmen, sondern man muss mit dem Würdebegriff, bzw. auf Eingriffsebene argumentieren.

Problematisch erscheint mir allerdings, wie solche etwaigen würdeverletzenden Sequenzen mit den geltenden Regeln (JMStV, insbesondere auch FSF-PrO,...) im Wege der Vorabkontrolle gehandhabt werden sollen.
Denn das Menschenwürdeproblem taucht in dieser Ausdrücklichkeit und Universalität nur in § 4 Abs. 1 Nr. 8 JMStV, also bei den absolut unzulässigen Angeboten auf. Kann die FSF bei einem absolut unzulässigen Angebot eine Schnittauflage empfehlen und dem ANgebote so zur Zulässigkeit verhelfen? Macht eine einzelne würdeproblematische Szene gleich die ganze Sendung unzulässig iSv § 4 JMStV? (Angesichts der Absolutheit des Würdebegriffs neige ich dieser Sichtweise zu.) In der FSF-PrO beziehen sich die differenzierenden Prüfkriterien und -folgen ausschließlich auf Sendungen, die nicht bereits unzulässig sind. Oder übersehe ich hier etwas?

Vielen Dank für das Zitat, S. Roll. Dann scheinen die hier vertretenen Meinungen ja gut mit der Auffassung der KJM kompatibel zu sein. Eine Vorlage der Nichtlivesendungen zur FSF ist möglich. Wenn nicht vorgelgt wurde, ergibt sich die unmittelbare Zuständigkeit der KJM bei Verstößen aus § 20 Abs. 3 JMStV.

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Allgemein bin auch ich empört über das Verhalten des Fernsehsenders. Ich meine, es bleibt jedem selbst überlassen, ob man sich in der Castingshow bewirbt oder nicht und ob man sich einschätzen kann oder nicht. Manche leiden vielleicht an Selbstüberschätzung, aber das sollte sich der Sender nicht zu Nutze machen, um die Einschaltquoten zu erhöhen. Der erste Artikel des Grundgesetzes lautet:"Die Würde des Menschen ist unantastbar". In dem Sinne müsste man wirklich darüber nachdenken, inwiefern die Würde einzelner Kandidaten unverletzt bleibt. Vielleicht sollte RTL einzelne Kandidaten lieber nicht zeigen, anstatt sich über sie lächerlich zu machen und durch Einblendungen die Fehler der Kandidaten noch verstärkt zu vermitteln. Ich weiß selbst, dass solche Schrägen Auftritte am lustigsten sind, aber die Frage ist, ob man dadurch nicht die Würde der Menschen in irgendeiner Form angreift. Leute die solche Auftritte zum Spaß inszinieren, um ins Fernsehen zu kommen, stehen ja garnicht zur Debatte, aber Leute, die alles ernst meinen und sich selbst überschätzen, sollten nicht noch zusätzlich bloßgestellt werden vor dem Fernsehpublikum. Denn solche Menschen sollte ein verantwortungsvoller Fernsehsender vor sich selbst schützen, damit die Gefühle später nicht noch schlimmer verletzt werden.

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@Dr. Mynarik: Ich sehe das genau wie Sie. Ist eine einzelne Szene würdeverletzend, kann sie nicht durch die übrigen Sendeinhalte relativiert werden. Die Szene ist absolut unzulässig nach § 4 Abs. 1 Nr. 8 JMStV. Daher bleibt nur der Schnitt, um die übrigen Sendeinhalte ausstrahlungsfähig zu machen.

@blime: Sie schildern die vorliegende Problemaik aus meiner Sicht sehr treffend. Gerade soweit Sie aber die Verletzung von Gefühlen ansprechen bleibt für den Juristen die schwierige Frage: Schon eine Menschenwürdeverletzung oder eine "bloße" Persönlichkeitsrechtsverletzung? Bei letzterer gelten weithin weniger strenge Regelungen. Gegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen muss sich der Verletzte auch i.d.R. selbst rechtlich zur Wehr setzen.

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