Steuerfahndung mit allen Mitteln?

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 16.02.2008

Unter Berufung auf SPIEGEL ONLINE berichten heute die Medien, dass der Bundesnachrichtendienst rund fünf Millionen Euro für Daten über Steuersünder in Liechtenstein gezahlt habe. Dabei soll es sich um Daten der Liechtensteinischen Landesbank (LLB) und der fürstlichen Bank LGT handeln. Sollten die Daten durch strafbares Handeln erlangt worden sein, darf der Staat diese "ankaufen" und strafprozessual verwerten? - Jedenfalls: Der Rechtsstaat sollte darauf achten, dass seine eigene Gesetzestreue nicht in Zweifel gerät!

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20 Kommentare

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Vergleichbar finde ich den Fall der Beweisbeschaffung über Vertrauenspersonen. M. W. sieht die Rechtsprechung dort doch keine grundsätzlichen Probleme, warum sollte man also im Falle des Datenankaufs anders urteilen?

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Man wird im Einzelnen abwarten müssen, was als "tatsächlicher Fall" übrig bleiben wird. Sollte der BND aber für das Strafverfahren (der BND!) wirklich Daten angekauft haben, deren strafbare Beschaffung ihm bekannt war oder die sich ihm aufdrängen musste, wird dieser Fall mit Recht erhebliche Diskussionen auslösen müssen. Ganz allgemein erscheinen die heutigen Maßstäbe für den staatlichen Rückgriff auf privat erlangte Beweismittel defizitär. Hier kommt aber etwas hinzu: Der Staat hat mit dem gezahlten Geld einen wesentlichen Beitrag zur letztendlichen Erlangung der Informationen in staatlicher Hand geleistet. Er hat so massive Anreize zu weiteren privaten "Datendiebstählen" oder ähnlichem gesetzt. Wer wird dem BND als nächstes einen Deal für das Strafverfahren anbieten? Zahlt man demnächst vielleicht auch bei anderen Straftaten, sollte das nötige öffentliche Interesse bestehen? Der staatliche Beitrag zur Informationserlangung macht den Fall zu einem speziellen Problem. Er wirft so auch gemäß Art. 8 EMRK intrikate Probleme auf. Überdies geht es hier nicht allein darum, dass man es mit dem eigenen Recht bei Privaten zugunsten der Beweisverwertung nicht so genau nimmt: Hier soll auch ausländisches Recht missachtet werden dürfen, was zusätzliche Fragen aufwirft, zumal sich Verwertungsverbote in Abhängigkeit von der Art und Weise des Verstoßes auch gemäß Art. 6 EMRK ergeben können. Auch wenn der Drang zur Verfolgung und zum Beleg der Taten gerade angesichts der Einschaltung der Öffentlichkeit nachvollziehbar groß ist: Der Zweck soll hier wieder einmal ein erstaunliches Mittel heiligen.

Der Staat wird die nun beginnende Diskussion aushalten müssen, die sich juristisch auch nicht nur nach der öffentlichen Meinung ausrichten darf. Eine Einschränkung von Grund- und Menschenrechten oder von rechtsstaatlichen Grundsätzen nur zulasten Prominenter oder "Mächtiger" gibt es mit Recht nicht. Es ist gut, dass nun diskutiert wird, auch wenn dies nicht automatisch gut werden lässt, was mit der Hilfe Liechtensteins steuerlich dem Vernehmen nach geschehen soll. Und es ist zu hoffen, dass der zugrundeliegende tatsächliche Sachverhalt der Erlangung aufgeklärt werden kann, was besonders angesichts der Einschaltung des BND abzuwarten bleibt.

Dr. Karsten Gaede

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Angenommen, die Beschaffung der Daten durch den Informanten wäre illegal gewesen und ihre Verwertung durch deutsche staatliche Stellen würde zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebes der nach Liechtensteiner Recht legal handelnden dortigen Banken führen, wie wäre das (völker- oder zivil)rechtlich zu bewerten?

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Welche Rolle spielt es für evtl. Ansprüche, dass Liechtenstein unter Umständen Beihilfe zur Steuerhinterziehung begangen hat?
(So jedenfalls die Vorwürfe der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International.)

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Der Ankauf der Daten durch den Staat hat aus meiner Sicht nicht nur einen fiskalischen Aspekt. Derjenige, der die Daten in Händen hat, hält solange einen erbelichen Wert in der Hand als der Staat den Inhalt nicht kennt.
Derjenige, der die Daten an den Staat verkauft hat, hätte sich auch an die Steuerhinterzieher halten können. Bei denen hätte er weit mehr kassieren können. Das Risiko für den Erpresser hätte sich durchaus in Grenzen gehalten. Die Erpressten wären sicher nicht zur Polizei gegangen, denn dort hätten sie ja manches zu erklären gehabt. Auch die Selbstanzeige hätte ihnen nicht sehr viel weiter geholfen.
Wer weiß schon, welche Daten aus Liechtenstein für Erpressungszwecke verwendet wurden und werden. In der Kriminalstatistik werden diese Straftaten jedenfalls nicht zu finden sein.
Mit anderen Worten: Hätte der Staat die Daten nicht erworben, irgendtjemand hätte sich sicher gefunden, der daraus Geld gemacht hätte.
Der Ankauf dient damit vor allem der Verhinderung anderer schwerer Straftaten.

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Man wird sicherlich abwarten müssen, auf welche Weise die Beweismittel, die zum Ansatz eines steuerstrafrechtlichen Anfangsverdachts genommen worden sind, gewonnen worden sind.
Handelte es sich um eine bloße Übernahme bereits privat erlangter Beweismittel (Stichwort Ankauf von widerrechtlich durch eine Privatperson erlangter Informationen)? Oder handelte es sich um die Erlangung aufgrund vorhergehender strafprozessualer Maßnahmen, möglicherweise sogar durch eine sachlich bzw. funktionell unzuständige Behörde (Stichwort Ausspähung BND)?

Im ersten Fall dürfte als Prüfungsmaßstab für die Verwertbarkeit selbst unter den akzentuierten Abwägungslehre-Gegnern wie dem Unterzeichner mangels gesetzlicher Maßstäbe eben doch die Abwägunslehre maßgeblich sein. Dann spricht im Ergebnis viel für die Verwertbarkeit der Informationen, wägt man die Schwere des den Behörden vorwerfbaren Rechtsverstosses mit der Schwere der zu verfolgenden Straftaten ab.
Im zweiten Fall ginge es um die Prüfung eines echten strafprozessualen Verwertungsverbotes. Das läge aus meiner Sicht insbesondere deshalb nahe, weil dann mutmaßlich ohne greifbaren Anfangsverdacht ermittelt worden wäre. Da § 152 I StPO neben dem Recht auf Verteidigung den elementarsten Schutz des Beschuldigten vor staatlicher Übermacht bildet, weil es die Ermittlung ins Blaue hinein verbietet, müßte hier wohl ein strafprozessuales Verwertungsverbot angenommen werden.

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Nach Ansicht des Trierer Strafrechtsprofessors Christian Jäger (seine im Jahr 2003 im Verlag C.H. Beck erschienene Habilitationsschrift trägt den Titel "Beweisverwertung und Beweisverwertungsverbote im Strafprozess") sind die vom BND von einem Informanten gekauften Steuerdaten aus Liechtenstein strafprozessual verwertbar. Wie er am 20.02.2008 der dpa gegenüber erklärte, habe er wenig Zweifel, dass die Daten-DVD den Richtern der mutmaßlichen Steuerhinterzieher präsentiert werden dürfe. Auch Karlsruher Juristenkreise vertreten laut dpa diese Ansicht, soweit die bisher bekannten Fakten zutreffend seien.

Bei vielen Juristen gab es bisher keine klare Einschätzung, welche Konsequenzen das unkonventionelle Vorgehen des BND bei der Hebung des "Datenschatzes" aus Liechtenstein haben könnte. Denn so einen Fall gab es bisher noch nicht. Selbst wenn die Datensätze für ihre Verwertbarkeit vor deutschen Gerichten gesperrt wären: Die Ergebnisse der Hausdurchsuchungen oder auch etwaige Geständnisse wären wohl in jedem Fall «gerichtsfest». Die amerikanische Doktrin von der «Frucht des verbotenen Baumes» - wonach der illegal beschaffte Beweis auch alle anderen daraus resultierenden Erkenntnisse infiziert - gilt in Deutschland "so" nicht.

Noch sind wohl nicht sämtliche Fragen zur Art und Weise der Informationsbeschaffung geklärt. Doch selbst wenn die durchaus plausible Version stimmt, dass der BND-Informant die Daten gestohlen und hinterher verhökert hat, bestünde nach Prof. Jäger noch keine Sperre für die Daten: Allein die rechtswidrige Beschaffung von Beweisen durch Privatpersonen ändere nichts an deren Verwertbarkeit vor Gericht - davon gehe die herrschende Meinung aus. Etwas anderes gälte nur bei menschenrechtswidrigen Methoden. Zwar gibt es laut Prof. Jäger auch eine «extreme Mindermeinung», die in solchen Fällen von unzulässiger Beweismittelhehlerei spricht. Dass sich dies in der Rechtsprechung niederschlagen könnte, sei aber nicht zu erwarten.

Immerhin hat der Bundesgerichtshof bereits mehrfach solche Verwertungsverbote ausgesprochen. «Dem Einsatz von Privatpersonen zur Aufklärung von Straftaten sind rechtsstaatliche Grenzen gesetzt», lautet ein Grundsatz des BGH (Beschluss vom 13.05.1996 - GSSt 1/96, NJW 1996, 2940). Ein Spitzel, der einen Untersuchungshäftling in der Zelle aushorcht - unzulässig (NJW 1987, 2525). Das Gespräch eines Haschischdealers, der in den heimischen vier Wänden eine Bilanz seiner Geschäfte zog und dabei von der Telefonüberwachung mitgeschnitten wurde, weil der Hörer nicht aufgelegt war - unverwertbar (NJW 1983, 1570). Auch ein «Romeo-Fall» - also eine staatlich angestiftete Intimbeziehung zur Informationsbeschaffung - wäre wohl problematisch, deutet der BGH in seiner Entscheidung vom 13.05.1996 an.

In all diesen Fällen steht allerdings der Staat von vornherein steuernd hinter dem illegalen Einsatz - und verletzt zudem elementare Rechte der Verdächtigen. Der BND dagegen hat - nach allem, was bisher bekannt ist - den Informanten nicht gelenkt, sondern lediglich von dessen Datenklau profitiert. Außerdem sind dabei nicht Rechte der Verdächtigen tangiert worden, sondern lediglich die Belange des nun nachhaltig verärgerten, aber eben juristisch nicht verdächtigen Staates Liechtenstein. Daraus folgt freilich im Umkehrschluss: Sollte sich herausstellen, dass der BND doch eine aktivere Rolle gespielt hat, dann könnte darunter die gerichtliche Nutzbarkeit der Daten leiden.

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Zu der, aus meiner Sicht grundsätzlich zutreffenden Stellungnahme Prof. Jäger, scheinen mir noch die folgenden beiden Anmerkungen von Bedeutung zu sein:

Zum einen gehe ich nicht davon aus, dass man eine Rechtsverletzung der Bankkunden damit ablehnen kann, nicht deren sondern die Rechte des Staates Liechtenstein seien betroffen, würden Bankdaten mit oder ohne Veranlassung eines fremden Dienstes unbefugt weitergegeben. Einer solchen Formalisierung steht die zweifellos daraus resultierende Verletzung des Bankgeheimnisses gegenüber, das zumindest mittelbar, und zwar mehr als ein bloßer Rechtsreflex, den Interessen des Bankkunden dient. Dass dies sich entsprechend auf steuer- und strafrechtliche Verfahren auswirkt, dürfte aus grundrechtlicher Sicht nicht zu bestreiten sein.

Zum anderen rückt für den Fall, dass eine Ermittlungsmaßnahme deutscher Behörde dem "Datenklau" zugrundeliegen sollte, was von in verschiedenen Presseberichten kolportiert wird, die Problematik der "fruit of the poisenous tree doctrine" in den Mittelpunkt der Betrachtung. Hier scheint es mir nicht angängig zu sein, vorneweg die Unanwendbarkeit eines mittelbaren Verwertungsverbots als unabänderliches Prinzip zu verstehen. Denn diese Rechtsprechung stammt aus einer Zeit, in der die Herleitung der Beweisverbote im Strafprozeß nur strafprozessual und nicht grundrechtlich erfolgte. Gerade die Gesetzgebung und Rechtsprechung zu der Verwertbarkeit von Erkenntnissen durch VE (§ 110 a, 110 e StPO) weist hier den Weg zu einer Abkehr von der herkömmlichen Betrachtung.

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Für die Praxis folgender aktueller Hinweis:

Durch Art. 14 Jahressteuergesetz 2008 vom 28.12.2007 (BGBl I 2007, Seite 3150, 3171) ist u.a. § 116 Abs. 1 AO ab 29.12.2007 geändert worden, der die Anzeige von Steuerstraftaten zum Inhalt hat:

"(1) Gerichte und die Behörden von Bund, Ländern und kommunalen Trägern der öffentlichen Verwaltung, die nicht Finanzbehörden sind, haben Tatsachen, die sie dienstlich erfahren und die auf eine Steuerstraftat schließen lassen, dem Bundeszentralamt für Steuern oder, soweit bekannt, den für das Steuerstrafverfahren zuständigen
Finanzbehörden mitzuteilen. Soweit die für das Steuerstrafverfahren zuständigen Finanzbehörden nicht bereits erkennbar unmittelbar informiert worden sind, teilt das Bundeszentralamt für Steuern ihnen diese Tatsachen mit. Die für das Steuerstrafverfahren zuständigen Finanzbehörden, ausgenommen die Behörden der Bundeszollverwaltung, übemitteln die Mitteilung an das Bundeszentralamt für Steuern, soweit dieses nicht unmittelbar in Kenntnis gesetzt worden ist."

Durch die Ergänzung des § 116 Abs. 1 AO soll die Aufgabenwahrnehmung des Bundeszentralamts für Steuern gesichert und gleichzeitig die reibungslose und zeitnahe Verfolgung von Steuerstraftaten und Erhebung von Steuern durch die zuständigen Finanzbehörden gewährleistet werden.

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Hinsichtlich der Beschaffung der Beweismittel dürfte augenblicklich gewiß sein, dass die Beweismittel rechtswidrig beschafft wurden, der in Rede stehende Informant Kieber soll laut Spiegel (Nr.9/25.02.2008) zunächst von der spanischen Justiz wegen eines Immobiliendeals gesucht worden sein. Hierbei habe Kieber 600.000 Franken durch Betrug erwirtschaftet, nach seiner Verurteilung in Spanien wurde er gesucht und verschaffte sich im Januar 2003 die Daten. Er erpresste die hiermit die liechtensteinischen Behörden und bot sie gegen freies Geleit und zwei gefälschte Pässe an. Für den Betrug in Spanien wurde eine Strafe von einem Jahr auf drei Jahre Bewährung ausgehandelt, die Liechtensteiner Behörden schlossen die Akte im Januar 2004.

Das Gesetz enthält über die Frage der Verwertung solcher rechtswidrig erlangter Beweismittel keine Regelung. In Rspr. und Literatur lassen sich im wesentlichen drei Meinungen trennen.

Nach einer ersten Auffassung ist die rechtswidrige Erlangung von Beweismitteln im Prozess ohne Einfliss, solche Beweismittel seien daher in vollem Umfang verwertbar (Sauer, Allgemeine Prozesslehre, 1951, S.138; Wieczorek § 282 ZPO Anm. C I a 1Werner NJW 1988, 993 ff.).

Eine zweite Auffassung macht demgegenüber geltend, dass jedes materiell widerrechtlich erlangte Beweismittel auch prozessual unzulässig sei und damit keine Verwertung finden könne (Baumgärtel ZZP 69 (1956), 103ff. LAG Berlin JZ 1982, 258; LG Frankfurt NJW 1982, 1056).

Die h.M. und Rspr. vertreten eine vermittelnde Auffassung, wobei im einzelnen streitig ist, in welchen Fällen Verwertbarkeit und wann ein Verwertungsverbot eingreift (Rosenberg-Schwab-Gottwald § 112 III 2b;Stein-Jonas-Leipold, ZPO, § 284 Rz. 54ff.; Zöller-Greger § 286 Rz.15a).

Sofern darauf abgestellt wird, dass Kieber sich die Daten durch Diebstahl oder Unterschlagung verschafft hat, kommt es darauf an, ob es sich bei den Daten um höchstpersönliche handelt, die der Sphäre des Persönlichkeitsrechts zuzuordnen sind.
In diesem Fall wäre eine Verwertung zu verneinen, andernfalls dürften sie verwertbar sein.

Sollte sich Kieber hingegen die Daten zwar pflichtwidrig aber rechtmäßig verschafft haben, dürfte ebenso eine Verwertbarkeit in Betracht kommen. Hierbei ist zu bedenken, dass Kieber bei der LGT Treuhand beschäftigt war und sich die Daten aus deren Bestände im Rahmen seiner Beschäftigung verschaffte.

Interessant dürfte auch der Aspekt sein, nach welchem Recht dieses Handeln von Kieber zu beurteilen ist, nach liechtensteinischem Recht liegen Straftatbestände vor, und ob es bei der Abwägung Einfluss finden wird.

Bezogen auf § 116 AO hat sich der BND laut Spiegel (Nr.9/25.02.2008) zudem insoweit abgesichert gehabt, dass er sich von den Steuerfahndern bescheinigen ließ, dass diese ihn um Hilfe bitten.

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Betreffend die vorstehend wiedergegebenen Auffassungen in Literatur und Rspr. ist aus meiner Sicht die Unterscheidung zwischen strafprozessualer und zivilprozessualer Bewertung wichtig, da das Inquistionsprinzip des Strafprozesses strukturell mehr die Verwertung von vorher privat unzulässig erlangten Beweismitteln zulassen dürfte als das parteiengebundene Zivilprozeßrecht, aus deren Bereich die vorstehend dargestellten Verwertungsmodelle stammen.

Es bleibt aber dabei, dass für die Situation ein strafprozessuales Beweisverbot naheliegt, in dem eine Behörde, sei es auch im Wege der Amtshilfe, an der widerrechtlichen Beweiserlangung bewußt und gezielt beteiligt.

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Grundsätzlich ist dem zuzustimmen, allerdings lässt die h.M. im Strafrecht eine Verwertung mit der Begründung durchaus zu, dass die Beweisverbote sich nicht an Privatpersonen wenden, dies wird dadurch abgeschwächt, dass sich der Tatrichter verpflichte, diese Beweismittel nur mit besonderer Vorsicht und Zurückhaltung zu würdigen (OLG Oldenburg, NJW 1953, 1237). Zudem wird leider vertreten, dass die finanzbehördliche Sachverhaltsaufklärung nicht rechtswidrig ist, wenn von Privatpersonen überlassenen Erkenntnis-/Beweismittel verwertet werden, die diese sich zuvor rechtswidrig verschafft haben. Das rechtswidrige Verhalten einer Privatperson sei der Finanzverwaltung nicht zuzurechnen. Ermittlungsverbote bestünden allein durch das rechtswidrige Verhalten von Privatpersonen nicht. Wenn daher Beweismittel nur durch Privatpersonen ohne Veranlassung oder Mitwirkung durch die Finanzbehörden erlangt werden, besteht hinsichtlich des der Finanzverwaltung zugespielten Beweismittels kein Verwertungsverbot. Erlangt also eine Privatperson in strafbarer Weise steuerlich relevante Beweismittel und stellt sie der Finanzverwaltung zur Verfügung, sind diese Beweismittel verwertbar (Söhn in HHSp., § 88 AO Rz. 146; a.A. Rüping, Beweisverbote 1981, S. 37ff.).

Diese These steht leider im Widerspruch zum Zivilverfahren, obwohl von der Einheit des Rechtssystems im Bereich der Beweisermittlung und Beweiswürdigung ausgegangen werden muss, ist grundsätzlich ein Systembruch zu verzeichnen.

Allerdings ist zu bedenken, ungeachtet der vorstehendenden allgemeinen Auseinandersetzung, dass auch völkerrechtswidrige Beweisverbote zum Zuge kommen, Sachaufklärungsmaßnahmen auf fremden Hoheitsgebiet sind untersagt (Schaumburg, Internationales Steuerrecht, § 19 Rz.1,2). Dasselbe gilt, wenn das Verbot der Sachaufklärung auf fremden Hoheitsgebiet indirekt verletzt oder umgangen wird, etwa durch Geldzahlungen an Ausländer, die steuerrelevante Informationen aus fremden Hoheitsgebiet liefern (Tipke/Kruse, AO, § 88 Rz.17 a.E. , siehe auch Tipke in BB 98, 241, 245).

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Abschließend möchte ich noch weitere Fundstellen für den interessierten Leser zu dem Thema mitteilen: Wendt, DStZ 1998, 146. Vg. Auch die Zusammenfassung der Ansichten auf einer Podiumsdiskussion v. 25.11.1998 an der Universität des Saarlandes von Esskandari, DStZ 1999, 322 unter dem Tiztel „Zur rechtliche Problematik der (rechtswidrigen) Beschaffung (steuerlich) relevanter Informationen durch Dritte gegen Bezahlung.“ Rössler, DStZ 1998, 721; Bilsdorfer Informationsquellen und –wege der Finanzverwaltung: auf dem Weg zum gläsernen Staatsbürger?, 4. Aufl. 1999, 42f.

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SPIEGEL ONLINE berichtet heute, dass die Hamburger Anwälte, die den mutmaßlichen Erpresser der Liechtensteiner Landesbank (LLB) vertreten, dem Bundesfinanzministerium eine DVD mit Informationen zu mehr als 2000 deutschen Kunden der LLB angeboten haben. Wie das ARD-Magazin "Panorama" gestern berichtete, sollen die Daten ein Volumen von mehr als 4 Milliarden € umfassen. Dem Ministerium zufolge verwies es die Anwälte an die Wuppertaler Steuerfahndung, die zusammen mit der Staatsanwaltschaft Bochum die Ermittlungen im aktuellen Steuerskandal um Liechtensteiner Banken führt.

Diese DVD beschäftigt bereits seit einiger Zeit die Staatsanwaltschaft Rostock: Die LLB soll von 2005 bis 2007 neun Millionen € an einen Erpresser und dessen Komplizen gezahlt im Austausch dafür bereits mehrere 100 Datensätze zurückerhalten haben. Bevor es zu einer weiteren Geldübergabe kommen konnte, wurde der Beschuldigte verhaftet. Die Staatsanwaltschaft Rostock hat bereits Anklage wegen schwerer gewerbsmäßiger Erpressung erhoben.

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Die Weitergabe von Kontendaten aus Liechtenstein an den Bundesnachrichtendienst (BND) und die deutsche Steuerfahndung erfordert eine rechtliche Klärung. Erste Antworten zur Rechtmäßigkeit der Handlungen des Hinweisgebers, des BND und der deutschen Steuerbehörden sowie zu möglichen Folgen von Verfahrensverstößen gibt Sieber NJW 2008, 881.

Die Rechtsanwälte Dr. Gerson Trüg und Jörg Habetha, Freiburg i. Br., NJW 2008, 887 vertreten die Auffassung, dass sich die Mitarbeiter des BND durch den Erwerb der Daten strafbar gemacht haben. Verfahrensrechtlich führe dies zu Unverwertbarkeit der erlangten Beweismittel.

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Mit der Verwertbarkeit privat-deliktisch beschaffter Bankdaten wird sich in der nächsten NStZ 2008, 241 der "Spitzenaufsatz" von R. Kölbel befassen. - Haben Sie es schon bemerkt? Auf der strafrechtlichen Startseite unseres Blogs finden Sie ab sofort nicht nur schon einige Tage vor Erscheinen den Inhalt der aktuellen NStZ, sondern auch - eine Wissensvorsprung verschaffende - Heftvorschau auf das dann folgende NStZ-Heft.

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In der sogenannten Liechtenstein-Steueraffäre wird es nach einem Zeitungsbericht in Kürze weitere Durchsuchungen geben. Voraussichtlich in zwei Wochen starte die in dem Fall ermittelnde Einsatzkommission Liechtenstein II eine neue Razzia, schreibt die "Süddeutsche Zeitung". Fahndungsschwerpunkt soll Nordrhein-Westfalen sein. Bei dieser Aktion sollen angeblich Familienstiftungen im Mittelpunkt stehen.
Quelle: http://www.n-tv.de/954245.html?250420080717

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Eine vergleichbare Fallgruppe stellen die "Tauschbörsenfälle" dar, in denen (meist) jugendliche oder heranwachsende Internet-Über unter Verstoß gegen das Urheber(straf)recht Daten austauschen.

In diesem Fällen haben die Staatsanwaltschaften idR die IP-Adressen der Nutzer solcher "Tauschbörsen-Sites". Um an die Namen der Personen zu gelangen, müssen sie von den Internet-Providern erfahren, wem die jeweilige IP-Adresse zur fraglichen Zeit zugewiesen war.

Sieht man hier einmal von den neuen Fragestellungen der sog. Vorratsdatenspeicherung ab, gilt folgendes (Urteil des LG Darmstadt vom 25.1.2006, DuD 2006, 178):

"1. Bei der Vermittlung des Zugangs zum Internet im Rahmen eines Vertrags, in dem als Tarif eine sog. „Flatrate“ (hier: T-Online dsl flat) vereinbart ist, darf der Diensteanbieter auf Grund der Vorschrift des § 96 Abs 1 Nr. 2 TKG Daten über das bei der Internetnutzung übertragene Datenvolumen weder erheben noch speichern, da sie für die Entgeltermittlung bzw. -abrechnung nicht erforderlich sind.

2. Zudem muss der Diensteanbieter die dynamische IP-Adresse, die dem Nutzer bei Beginn einer Verbindung zum Internet zugeordnet wird, unmittelbar nach dem Ende der jeweiligen Verbindung löschen, da auch diese weder für die Entgeltermittlung und -abrechnung benötigt wird, noch zum Nachweis der Richtigkeit der Abrechnung erforderlich ist."

An diese Pflicht zur unverzüglichen Löschung halten sich aber viele Anbieter nicht. So kam es vor, dass auch noch einige Monate nach dem Zugriff auf die Tauschbörsen-Page Anfragen der Staatsanwaltschaft nach hinter der bekannten IP-Adresse stehenden Personen einging.

Durch das gezielte Herausverlangen von dieser Daten, von denen mittlerweile bekannt ist bzw. sein muss, dass sie "unverzüglich" zu löschen sind, trägt die Staatsanwaltschaft untmittelbar zum Rechtsverstoß des Privaten bei. Den Rechtsverstoß begeht natürlich der Private, da er die Daten gar nicht mehr haben und folglich auch an niemanden mehr herausgeben dürfte. Dieser Rechtsverstoß ist der Staatsanwaltschaft nach allgemeinen Grundsätzen aber idR zuzurechnen: a) Sie bewirkt den Rechtsverstoß durch ihr (verspätetes) Herausgabeverlangen --> Verursachung; b) Sie weiß um den Rechtsverstoß des Privaten bzw. muss um diesen wissen --> subjektive Vorwerfbarkeit.

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Ein aktueller Literaturhinweis:

H. Ostendorf, Gekaufte Strafverfolgung. Die Strafbarkeit des Erwerbs von "geklauten" Steuerdaten und ihre Beweisverwertung, ZIS 2010, 301 (Anm.: der Link geht im Moment nicht, versuch es morgen nochmals)

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