Systemwechsel bei rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung: Vollstreckungslösung

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 17.03.2008

Der Große Senat des Bundesgerichtshofs hat Beschluss vom 17. Januar 2008  (NJW 2008, 860 = NJW-Spezial 2008, 152 [Leipold] = FD-StrafR 2008, 252961 [Knierim]) bei rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung einen wichtigen Systemwechsel vom in der Praxis zwischenzeitlich etablierten Strafabschlags- zum Vollstreckungsmodell vollzogen. Künftighin müssen die Strafgerichte die erforderliche Kompensation rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung  dadurch vornehmen, dass in die Urteilsformel die nach den Kriterien des § 46 StGB angemessene Strafe aufzunehmen ist; gleichzeitig ist dort auszusprechen, welcher bezifferter Teil dieser Strafe als Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer als vollstreckt gilt.

Auch wenn die ausführliche Begründung der Entscheidung wieder einmal die Bedeutung der Rechtsprechung des EGMR für das nationale Recht bestätigt, so meldeten sich schon im Zusammenhang mit dem Vorlagebeschluss des 3. Strafsenats NJW 2007, 3294 kritische Stimmen zum Vollstreckungsmodell.

Über die Konsequenzen dieser Rechtsprechungsänderung lohnt es sich sicher zu diskutieren. 

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