BGH-Rechtsprechung führt zur spürbaren Kürzung der PKH- Vergütung

von Dr. Hans-Jochem Mayer, veröffentlicht am 19.03.2008

Zu den - negativen - Blüten, zu denen die missverständliche Entscheidung des BGH vom 07.03.2007 geführt hat, gehört auch die nunmehr zunehmend zu verzeichnende Tendenz mancher Gerichte, bei Prozesskostenhilfe für das gerichtliche Verfahren die hälftige Geschäftsgebühr auf die aus der Staatskasse zu vergütende Verfahrensgebühr anzurechnen, und zwar auch dann, wenn der Prozessbevollmächtigte die Geschäftsgebühr von seinem Mandanten überhaupt nicht erhalten hat, beispielsweise weil er sie ihm nicht in Rechnung stellte (vgl. VG Minden).

Weshalb aus der Staatskasse für die im gerichtlichen Verfahren erfolgte Tätigkeit des Anwalts nur deshalb weniger zu vergüten sein sollte, weil der Anwalt bereits außergerichtlich für den Mandanten tätig war, hier aber unter Umständen der Einfachheit halber keine Geschäftsgebühr abgerechnet hat, ist für mich nicht nachvollziehbar. Bis zu einer hoffentlich bald ergehenden, die Missverständnisse ausräumenden Entscheidung des BGH dürfte derjenige Anwalt hinsichtlich seiner Vergütung den sichersten Weg gehen, der - wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen - im außergerichtlichen Bereich Beratungshilfe gewährt, denn dann gilt die Anrechnungsvorschrift von Abs. 2 der Anmerkung zu VV Nr. 2503, - auch ein sofortiger Klagauftrag vermeidet die Anrechnungsproblematik .

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6 Kommentare

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Hallo Herr Dr. Mayer, es ist und bleibt eben die Frage, was die "gesetzliche Vergütung" ist. Mehr als eine gesetzliche Vergütung muss die Staatskasse eben nicht zahlen. Aber im Ergebnis bin ich natürlich bei Ihnen. § 58 RVG und der Sinn und Zweck von Prozesskostenhilfe erlauben keine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die PKH-Verfahrensgebühr. Das OLG Schleswig sagt sogar, dass eine Verrechnung des anrechenbaren Teils der Geschäftsgebühr zunächst auf die Differenz zwischen Wahlanwaltsvergütung und Prozesskostenhilfevergütung vorzunehmen ist, dies allerdings auch dann, wenn keine tatsächlichen Zahlungen des Mandanten auf die Geschäftsgebühr erfolgt sind. Aus meiner Sicht wird der BGH nicht zu einer Klärung dieser Frage beitragen können. Eine Anrufung des BGH dürfte nach §§ 56, 33 RVG ausgeschlossen sein.

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Sehr geehrter Herr Kollege Fölsch,
mich würde die Entscheidung des OLG Schleswig interessieren. Können Sie mir die Fundstell nennen? In einer Entscheidung des OVG Lüneburg vom 25.4.08 -13 OA 63/03 wird sogar die Wahlanwaltstabelle zur Bemssunung der Hälftigen Geschäftsgebühr herangezogen und davon der 1,5 fache Satz zu Grundlage der hälftgen Anrechnung bemessen. Ab einem Streitwert von 35.000 ,- € bleibt dann von der Verfahrensgebühr nichts mehr übrig.

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Entgegen der Annahme von Herrn Neuhoff zieht das OVG Lüneburg in seinem Beschluss vom 25.04.2008 in 13 OA 63/08 nicht die Wahlanwaltstabelle zur Bemessung der hälftigen Geschäftsgebühr heran, sondern bestätigt entsprechend dem Wortlaut der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG die Anrechnung nach dem Gebührensatz. Mangels Glaubhaftmachung verblieb in dem konkreten Fall die 0,55 Mindestverfahrensgebühr nach den Sätzen des § 49 RVG.

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Die folgenden grundlegenden Aussagen des Vergütungsfestsetzungsbeschluss des VG Minden vom 02.02.2007 in 7 K 2057/06, juris; gehören mittlerweile zum Standard der Rechtsprechung zur PKH-Vergütungsfestsetzung:

1. Die Anrechnung der Geschäftsgebühr erfolgt auch bei der Berechnung der PKH-
Vergütung.

2. Für die Anrechnung der Geschäftsgebühr kommt es nicht darauf an, ob die
Gebühr tatsächlich gezahlt worden ist.

3. Eine Zahlung auf die Geschäftsgebühr ist keine Zahlung im Sinne von § 58 Abs. 2
RVG, sondern eine Zahlung für eine gebührenrechtlich selbständig in Teil 2 des VV RVG geregelte Vertretung.

4. Die Anrechnung der Geschäftsgebühr erfolgt nicht mit einem aus § 13 RVG oder
§ 49 RVG zu entnehmenden Betrag sondern mit einem Gebührensatz.

Hieraus wurde später noch eine Berechnungsmethode entwickelt, mit der sich die
PKH-Verfahrensgebühr bestimmen lässt, wenn der Gegenstandswert der anzu-rechnenden Geschäftsgebühr niedriger ist, als der der Beiordnung.

In den Folgeentscheidungen wurden ferner Aussagen über eine vorzunehmende Maximalanrechnung auf die Verfahrensgebühr bei fehlender Anrechnung mangels Glaubhaftmachung i.S.v. § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO sowie zur Anrechnung trotz Verzicht des Anwalts auf die Geschäftsgebühr, zur Anrechnung bei dem Vorliegen einer vorgerichtlichen Vergütungsvereinbarung und zur Anrechnung bei vorgerichtlich gewährter Beratungshilfe gemacht.

Eine Vielzahl dieser Aussagen finden sich in dem jüngsten Beschluss des OLG Düsseldorf vom 27.11.2008 in I – 10 W 109/08 wieder, ergänzt um die treffliche Aussage:
„Ob aus der späteren Gewährung von Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung gefolgert werden kann, dass regelmäßig bereits vorprozessual die Voraussetzungen für die Gewährung von Beratungshilfe erfüllt waren (so OLG Oldenburg Beschluss v. 23.06.2008, 5 W 34/08), erscheint zweifelhaft, mag aber letztlich dahinstehen.“

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Der 18. Senat des OVG Münster hat mit seinem Beschluss vom 10.03.2009 die mit dem in nrwe und juris veröffentlichten Beschluss des VG Minden vom 21.01.2008 in 7 K 179/07 gestützte Vergütungsfest-setzung vom 05.11.2007 (zahlungsunabhängige Anrechnung der entstandenen Geschäftsgebühr mit dem anteiligen Gebührensatz auf die aus der Landeskasse zu erstattende, nach § 49 RVG berechnete Verfahrensgebühr im vollen Umfang bestätigt. Die Ausführungen des Senats in seinem Beschluss lassen sich dahin verstehen, dass er dies für die Kostenfestsetzung nicht anders sieht. Bei dem OVG Münster ist gegenwärtig noch ein weiteres Beschwerdeverfahren nach § 56 abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG im 7. Senat anhängig.

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