"Auskunft nur bei Mord" - Eilantrag in Sachen "Vorratsdatenspeicherung" teilweise erfolgreich

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 20.03.2008

Im Beck Blog Kategorie Multimediarecht (Internetstrafrecht, Telekommunikationsrecht) hat Herr Rechtsanwalt Dr. Axel Spies bereits gestern die mit Spannung erwartete Eilentscheidung des BVerfG vorgestellt, die für den Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung Anlass ist, mit dem Vorwurf vorsätzlichen Verfassungsbruchs den Rücktritt von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) zu fordern (becklink 255474).

Aus strafrechtlicher Sicht: Bis zur Entscheidung in der Hauptsache lässt das BVerfG es nur modifiziert zu, § 113b TKG anzuwenden, soweit er die Verwendung gespeicherter Daten zum Zwecke der Strafverfolgung regelt. Aufgrund eines Abrufersuchens einer Strafverfolgungsbehörde muss der Anbieter von Telekommunikationsdiensten die verlangten Daten erheben und speichern. Jedoch sind diese nur dann an die Strafverfolgungsbehörde zu übermitteln, wenn Gegenstand des Ermittlungsverfahrens eine schwere Straftat im Sinne des § 100a  Abs. 2 StPO ist, die auch im Einzelfall schwer wiegt, der Verdacht durch bestimmte Tatsachen begründet ist und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre, § 100a Abs. 1 StPO. In den übrigen Fällen ist von einer Übermittlung der Daten einstweilen abzusehen.

Zur Gesetzeslage: § 113b TKG regelt die Verwendung der gespeicherten Daten. Der bevorratete Datenbestand kann zum Zweck der Strafverfolgung  der Abwehr erheblicher Gefahren für die öffentliche Sicherheit und der Erfüllung nachrichtendienstlicher Aufgaben abgerufen werden. Die Norm enthält keine eigenständige Abrufbefugnis; sie setzt vielmehr gesonderte gesetzliche Bestimmungen über den Datenabruf unter Bezugnahme auf § 113a TKG voraus. Bislang nimmt lediglich § 100g StPO hierauf  Bezug und ermöglicht damit zum Zweck der Strafverfolgung ein Auskunftsersuchen über solche Telekommunikation-Verkehrsdaten, die ausschließlich aufgrund der in § 113a TKG geregelten Bevorratungspflichtgespeichert sind.

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6 Kommentare

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Ich finde Rdnr. 176 in dem Eilbeschluß zur Verwahrungspflicht bemerkenswert:

"... Das Suchergebnis ist der Strafverfolgungsbehörde jedoch nur dann unverzüglich mitzuteilen, wenn in der Anordnung des Abrufs (§ 100g Abs. 2 in Verbindung mit § 100b Abs. 1 und 2 StPO) aufgeführt ist, dass er eine Katalogtat nach § 100a Abs. 2 StPO zum Gegenstand hat und dass die Voraussetzungen des § 100a Abs. 1 StPO vorliegen. Ansonsten ist das Suchergebnis der Strafverfolgungsbehörde nicht mitzuteilen, sondern bei dem Diensteanbieter zu verwahren, um gegebenenfalls später übermittelt werden zu können, und zwar über die Löschungsfrist des § 113a Abs. 11 TKG hinaus."

Das bedeutet doch wohl, dass die Anbieter die angeforderten Daten wie eine gute Buchhandung erst einmal getrennt als "bestellt" im Regal halten.

Das führt nicht nur zu weiterem Aufwand , sondern damit bestärkt sich eine frühere Befürchtung: Wenn man erst mal einen Supermarkt mit Vorratsdaten schaft, wird er auch genutzt.

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... wobei der Unterschied zur Buchhandlung ist, dass die Carrier/ISPs alle Verbindungsdaten für 6 Monate auf Lager haben müssen und die Vergütung für diese Inaspruchnahmne (incl. erheblicher Investititionskosten) noch immer nicht gesetzlich geregelt ist.

Oder, um ein anderes Bild zu gebrauchen, die Carrier/IPSs werden als Hilfssheriff eingesetzt, müssen bislang aber für ihre Ausrüstung samt Sheriffstern selbst zahlen.

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@Spies:

Wenn ich einen Supermarkt betreibe, muss ich meine Waagen auf meine Kosten eichen lassen.
Wenn ich ein Auto fahre, muss ich damit regelmäßig zu HU und AU

Wenn ich Internetprovider sein will, muss ich dem Staat es ermöglichen, auch meine "Leitungen" zu kontrollieren. Klare Sache. Und wenn wirklich Anfragen bei den Providern auflaufen, wird ja dort auch ordentlich zugelangt; Was meinte noch ein StA zu den Massenanzeigen der "Musikindustrie"? Ich meine, es ging um 40-50 EUR. Für eine simple Datenbankabfrage ist das eine ordentliche Vergütung.

Also: Provider müssen damit nun einfach klarkommen.

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Matthias: Wenn es nur um das "Eichen der Waagen" im Supermarkt der Vorratsdatenspeicherung ginge.... Wir reden hier über ganz enorme Datenmengen von Millionen Kunden, die bis zu 6 Monaten gespeichert und gesichert werden müssen, nur für den Fall, dass die Strafverfolger darauf zu zugreifen wollen. Das sind ganz erhebliche Kosten - zusätzlich zu den Kosten der Datenabfrage (das Fidnen der Stecknadel im Heuhaufen). Wenn diese Investitions- und Spreicherkostenkosten beim ISP hängen bleiben, spricht da einiges für ein Sonderopfer, gerade bei kleineren Betreibern.

Grüsse aus Washington, wo das Problem "einfach" gelöst wird - der Staat speichert die Verkehrsdaten selbst:-)

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