Räum- und Streupflicht trotz unwirksamer Übertragung

von Dr. Klaus Lützenkirchen, veröffentlicht am 27.03.2008

Es ist allgemein anerkannt, dass Verkehrssicherungspflichten mit der Folge eigener Entlastung delegiert werden können. Die Verkehrssicherungspflichten des ursprünglich Verantwortlichen verkürzen sich dann auf Kontroll- und Überwachungspflichten. Wer sie übernimmt, wird seinerseits deliktisch verantwortlich. Voraussetzung hierfür ist, dass die Über­tragung klar und eindeutig vereinbart wird.

In manchen Gemeinden sieht die einschlägige Satzung vor, dass die Übertragung der Räum- und Streupflicht der zuständigen Behörde angezeigt werden muss. Ohne diese Anzeige bleibt der ursprünglich Verpflichtete gegenüber der Gemeinde in der verantwortlich.

Die Verletzung dieser öffentlich-rechtlichen Vorschriften lässt die Einstandspflicht eines Mieters, dem die Winterwartung übertragen wurde, aber unberührt (BGH v. 22.1.2008 - VI ZR 126/07). Die deliktische Einstandspflicht des mit der Wahrnehmung der Verkehrssicherung Beauftragten besteht auch dann, wenn der Vertrag mit dem Primärverkehrssicherungspflichtigen nicht rechtswirksam zustande gekommen ist. Entscheidend ist, dass der in die Verkehrssi­cherungspflicht Eintretende faktisch die Verkehrssicherung für den Gefahrenbe­reich übernimmt und im Hinblick hierauf Schutzvorkehrungen durch den primär Verkehrssicherungspflichtigen unterbleiben, weil sich dieser auf das Tätigwer­den des Beauftragten verlässt. Dieser ist aufgrund der von ihm mitveranlassten neuen Zuständigkeitsverteilung für den übernommenen Gefahrenbereich nach allgemeinen Deliktsgrundsätzen verantwortlich. Insofern ist seine Verkehrssi­cherungspflicht nicht abgeleiteter Natur. Vielmehr erfährt sie mit der Übernahme durch den Beauftragten in seine Zuständigkeit eine rechtliche Verselbständi­gung. Er ist es fortan, dem unmittelbar die Gefahrenabwehr obliegt und der da­für zu sorgen hat, dass niemand zu Schaden kommt. Inhalt und Schutzbereich dieser verselbständigten Verkehrssicherungspflicht bestimmen sich allein da­nach, was objektiv erforderlich ist, um mit der Gefahrenstelle in Berührung kommende Personen vor Schaden zu bewahren.

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