Wirksame Kontrolle oder Bespitzelung?

von Dr. Ulrike Unger, veröffentlicht am 07.04.2008

Sicherlich, wenn ein Unternehmen wegen Compliance-Verstößen in die Schlagzeilen gerät, richtet dies - auch wenn sich der Verdacht letztlich nicht bewahrheitet - beim Unternehmen einen erheblichen Schaden an. Eine Compliance-Organisation soll helfen, dies zu vermeiden. Wesentliches Element der Compliance-Organisation ist die Kontrolle, letztlich der Mitarbeiter. Was aber, wenn diese Kontrolle, wie im Fall Lidl, zur Bespitzelung ausartet? Wieviel Kontrolle muss sein? Und wann wirkt sich Kontrolle kontraproduktiv aus, auch wenn die Schwelle zur Bespitzelung noch lange nicht erreicht ist? Das Zuviel an Kontrolle, wie überhaupt das Zuviel an Organisation widerspricht den Zwecken von Compliance. Aber wie das richtige Maß finden?

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2 Kommentare

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"Aber wie das richtige Maß finden?"

In der Theorie ist das nicht schwierig: Der Arbeitgeber hat ein Interesse an der Kontrolle seiner Arbeitnehmer - solange es um das Arbeitsverhältnis geht. Sobald die Kontrolle persönliche (spätestens private) Bereiche betrifft, wird eine unzulässige Grenze überschritten.

Theoretische, einfache, Beispiele liegen auf der Hand: Man misst, wie viele Kunden die Mitarbeiterin X in einem Einzelhandel in der Stundenzahl Y bedienen kann. Oder negativ: Man zäjlt, wie oft die Mitarbeiterin auf die Toilette geht. Ersteres betrifft das Arbeitsverhältnis, letzteres wirkt sich (vielleicht) hierin aus, berührt aber letztlich (nur) private Belange. Ersteres wäre Kontrolle im Sinne eines wirtschaftlichen Controllings, letzteres "Bespitzeln".

Sicherlich wird die Praxis nur wenig so einfach gelagerte Fälle bieten. Man kann es sich aber auch einfach machen und eine so genannte "Kontrolle" aller Bereiche, die private Lebensbereiche auch nur berühren, ausschliessen. Wer an die zitierten Protokolle denkt, kann z.B. schnell feststellen, dass eine "Kontrolle" der Mitarbeiter innerhalb des gemeinschaftlichen Aufenthaltsraums genauso verboten zu sein hat, wie der Gang zur Toilette. Oder deutlich: Wann der Mitarbeiter zur Mittagspause geht ist das eine, was er dann macht (oder worüber er spricht) geht den "Kontrolleur" nichts an.

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Lieber Herr Ferner,

da treffen Sie genau den Punkt. Für jedes Unternehmen (je nach Größe, Branche, Internationalisierungsgrad, etc.) muss die Compliance-Organisation, also auch die Kontrollmechanismen (Gegenstand, Häufigkeit und Art der Überprüfungen) spezifisch angepasst werden. Standardlösungen gibt es hier nicht.

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