Der Alptraum nimmt kein Ende - BGH zur Anrechnung der Geschäftsgebühr

von Dr. Hans-Jochem Mayer, veröffentlicht am 14.04.2008

Mit Entschiedenheit hält der BGH an seiner einseitig am Wortlaut orientierten Auslegung der Anrechnungsbestimmung in Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG fest; die Verfahrensgebühr ist um den anzurechnenden Teil der Geschäftsgebühr zu mindern, selbst wenn diese überhaupt nicht in Rechnung gestellt wurde! Für den Kläger gilt daher der Rat, stets die volle Geschäftsgebühr einzuklagen, wenn ein materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch besteht. Und als Beklagter ist derjenige gebührenrechtlich am besten beraten, der bei einem heraufziehenden Prozess keinen Anwalt mit seiner außergerichtlichen Vertretung beauftragt, sondern die Klageerhebung abwartet und dann seinem Prozessbevollmächtgten sofortigen Prozessauftrag erteilt. Die justizentlastende Wirkung des RVG hatte ich mir eigentlich anders vorgestellt.

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3 Kommentare

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Heute schon schwierig genug, die Formulierungen des Gerichts selbst nachzuvollziehen, auch dann, wenn man sich schon damit beschäftigt hat.

"Es wird daran festgehalten, dass sich durch die anteilige Anrechnung einer vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG (Nr. 2400 VV RVG aF) auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens gemäß Teil 3 Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG nicht die bereits entstandene Geschäftsgebühr, sondern die in dem anschließenden gerichtlichen Verfahren nach Nr. 3100 VV RVG anfallende Verfahrensgebühr vermindert."

Ich kann mich noch gut an meinen ersten zu beantragenden Mahnbescheid erinnern (damals noch nicht automatisiert), in welchem ich den materiellen Kostenerstattungsanspruch zu bezeichnen hatte. Damals war noch gar nicht klar, welche Gebühr nun denn angerechnet werden soll. Es hagelte Monierungen seitens der Mahngerichte; keiner wusste Bescheid. Es scheint so zu sein, als sei das auch heute - zumindest teilweise - noch so. Das RVG müsste zumindest hier angepasst werden.

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Der Gesetzgeber hat sich im Kostenrechtsmodernisierungsgesetz nicht mit der Kostenerstattung befasst, sondern allein mit der Vergütung. Das ist ein erster Ausgangspunkt, der im Auge zu behalten ist. Der BGH hat im übrigen für sich nicht feststellen können, dass der Gesetzgeber an der bisherigen Praxis zu § 118 II BRAGO habe festhalten wollen. Angesichts dieser beiden Punkte erscheint die Wortlaut-Auslegung des BGH kaum angreifbar.

Eines meine ich aber auch: So hat es der Gesetzgeber nicht gewollt haben können. Er hat es nur nicht in aller Eindeutigkeit formuliert. Zu befürchten ist leider, dass viele Anrechnungsvorschriften jetzt ganz konsequent im Sinne des Wortlauts ausgelegt werden. Die Anrechnung auf die PKH-Vergütung ist da ein leidiges Beispiel. Die BGH-Auslegung eröffnet aber auch an ganz anderen Stellen Einsparungsmöglichkeiten für die Staatskasse.

Letztlich: Die Rechtspolitik wird gefragt sein, ob die Anrechnungsvorschriften zu ändern sind oder beibehalten werden sollten.

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