Wann ist Werbung für sexuelle Dienste im Internet bußgeldbewehrt?

von Prof. Dr. Marc Liesching, veröffentlicht am 26.04.2008

Das OLG Zweibrücken hat sich in einem aktuellen Urteil vom 7. April 2008 mit der Frage befasst, ob der Inhaber einer Internetseite, auf der den Nutzern eine detaillierte Leistungsbeschreibung einschließlich Zeit- und Preisangaben für sexuelle Dienste unterbreitet wurde, ordnungswidrig im Sinne des § 120 Abs. 1 Nr. 2 OWiG handelt. Nach der Norm kann mit Bußgeld belegt werden, wer "durch Verbreiten von Schriften, Ton- oder Bildträgern, Datenspeichern, Abbildungen oder Darstellungen Gelegenheit zu entgeltlichen sexuellen Handlungen anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekanntgibt; dem Verbreiten steht das öffentliche Ausstellen, Anschlagen, Vorführen oder das sonstige öffentliche Zugänglichmachen gleich".

Zwar hatte der BGH bezüglich des Ordnungswidrigkeitentatbestandes erst im Urteil vom 13. Juli 2006 eine einschränkende Auslegung vorgenommen, die insbesondere auf die konkrete Eignung der Werbung abstellte, den Schutz der Allgemeinheit, vor allem von Kindern und Jugendlichen zu beeinträchtigen. Das OLG sah indes auch im Lichte der BGH-Rechtsprechung bei der konkreten Internetwerbung weder nach Aufmachung noch nach Inhalt oder Umfang "die gebotene zurückhaltende Form" gewahrt. Sie sei vielmehr "nach Art des Werbeträgers und seiner Verbreitung" geeignet, schutzbedürftige Rechtsgüter, Belange der Allgemeinheit einschließlich des Kinder- und Jugendschutzes, zu beeinträchtigen. Die dargestellte Kommerzialisierung von sexuellen Handlungen verstoße zudem auch unter Berücksichtigung eines geänderten Verständnisses in der Bevölkerung dem Anstandsgefühl der Allgemeinheit.

Das OLG Zweibrücken ist mithin in der Begründung wenig konkret und enthält sich grundsätzlicher konkretisierender Kriterien für die Auslegung des § 120 Abs. 1 Nr. 2 OWiG im Lichte der neuen Rechtsprechung des BGH. Augenscheinlich stellt das Gericht aber auch auf die "Art des Werbeträgers und seiner Verbreitung" ab. Dies lässt vermuten, dass das OLG medienspezifisch differenziert und bei Internetangeboten wohl einen strengeren Maßstab anlegen will als bei Zeitungsinseraten, um die es in den BGH-Fällen ging. Wäre eine derartige medienorientierte Differenzierung gerechtfertigt?

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2 Kommentare

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Im Zusammenhang mit meiner Anmerkung zum BGH-Urteil vom 13.07.06 (in: KJuG 2/2007 S. 53 f) hatte ich ausgeführt, das die Praxis der Werbeanzeigen sich gegenüber den vom BGH seinerzeit verhandelten Fällen (Text meist nur Vorname und Telefonnummer) verändert hat und die Jugendschutzproblematik durch die textliche Gestaltung gestiegen ist. Dies ist wohl auch für das OLG Zweibrücken das entscheidende Kriterium gewesen.

Eine Differenzierung generell nach verschiedenen Medienarten - etwa im Sinn von unterschiedlichen Wirkungsannahmen - halte ich für wenig sinnvoll, entnehme dies aber auch nicht dem Urteil.

Ein gewisser Unterschied liegt in dem Vorhandensein von Regelungen und einer Aufsicht in Kinder- und Jugendschutzangelegenheiten für Rundfunk und Telemedien, die bei Printmedien so nicht existiert . Die aktuellen Beschränkungen im Bereich Videotext können hier etwa als Beispiel dienen.

Dies könnte insofern zusammenhängen, als der BGH bei der Auslegung des § 120 OwiG darauf abstellt, ob der Kinder- und Jugendschutz tangiert ist.

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Ich halte - wie allgemein im Jugendschutz - eine mediendifferenzierte Betrachtung gerade vor dem Hintergrund fortschreitender Konvergenzentwicklungen ebenfalls für problematisch. Gleichwohl scheint Werbung für sexuelle Dienste faktisch in den jeweiligen Mediensparten unterschiedlichen ordnungsrechtlichen Repressionen ausgesetzt zu sein.

Vergleichsweise unbehelligt sind ja auch die Werbeclips zu Telefonsex. Hier wäre eine interessante Fragestellung: Ist der Jugendschutzgesichtspunkt im Rahmen des § 120 OWiG nicht erfüllt und damit der OWi-Tatbestand im Lichte der BGH-Rechtsprechung nicht gegeben, allein weil derartige Clips nur im Nachtprogramm (23:00-06:00 Uhr) gezeigt werden? - Immerhin ändert der Ausstrahlungszeitpunkt nichts im Hinblick auf die oft reißerische Ausgestaltung der Clips. Oder handelt es sich bei den Telefonsex-Angeboten schon nicht um angepriesene "entgeltliche sexuelle Handlungen" im Sinne des § 120 Abs. 1 Nr. 2 OWiG?

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