Anwaltswechsel schützt vor Kürzung der Verfahrensgebühr

von Dr. Hans-Jochem Mayer, veröffentlicht am 15.06.2008

Kaum ein anderes vergütungsrechtliches Thema führt derzeit zu ständig neuen, häufig im Ergebnis erstaunlichen Entscheidungen wie die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr. Hoffnung gibt eine Entscheidung des AG Saarbrücken, Beschluss vom 4.4.2008 - 37 C 1209/06. Bei einem Anwaltswechsel wird die Geschäftsgebühr, die beim zuerst tätigen Anwalt angefallen ist, nicht auf die Verfahrensgebühr des Nachfolgers angerechnet.

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12 Kommentare

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Das AG Saarbrücken beschreibt den Grundsatz, hält jedoch die Ausnahme, Anrechnung bei einem nicht notwendigen Anwaltswechsel im Rahmen der Kostenfestsetzung für möglich. Die Frage, ob ein notwendiger Anwaltswechsel vorliegt, stellt sich danach nach § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO immer und ist einzelfallbezogen zu klären.
Aus den Gründen:
"Zwar ist zuzugeben, dass der Sinn der Anrechnungsvorschrift nicht dadurch umgangen werden kann, dass sich die Beklagte außergerichtlich und gerichtlich durch 2 Bevollmächtigte vertreten lässt, damit eine Kürzung der Verfahrensgebühr ausscheidet. Ob ein solcher Umgehungstatbestand vorliegt, ist auf Grund der Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Das Gericht vermag eine Umgehung im vorliegenden Fall jedoch nicht festzustellen."

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Um einen evtl. falschen Eindruck zu vermeiden - Zitat aus den Beschlussgründen:
"Vorliegend geschah die Einschaltung der Prozessbevollmächtigten im Klageverfahren deshalb, weil der außergerichtlich tätige Verfahrensbevollmächtigte Dr. J beabsichtigte, in den Ruhestand zu treten und nicht abzusehen war, ob der Prozess bis zum Ruhestand abgeschlossen sein würde. Das Gericht geht daher nicht davon aus, dass der Wechsel der Prozessbevollmächtigten deshalb erfolgte, um eine Kürzung der Verfahrensgebühr zu erreichen."

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Da § 91 ZPO eine Prozessvorschrift ist, kann sich die Frage der Notwendigkeit
eines Anwaltswechsel doch eigentlich nur dann stellen, wenn der Wechsel innerhalb
des Rechtsstreits stattfindet.

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§ 91 ZPO und die einschlägigen Kommentierungen hierzu enthalten diese Einschränkung nicht. Es geht um den Gesichtspunkt die Kosten gering zu halten. Die von dem AG Saarbrücken vorgenommene Notwendigkeitsprüfung ist daher konsequent. Sie kann grds. nicht anders ausfallen, als wenn der Anwaltswechsel erst in einem laufenden Gerichtsverfahren erfolgt wäre.

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§ 91 ZPO behandelt die "Kosten des Rechtsstreits". Der Anwaltswechsel ist nicht während des Rechtsstreits vorgenommen worden.

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Unter Berücksichtigung der zu beurteilenden Frage, ob die im einzelfall konkret entstandenen Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, kommt es prinzipiell nicht darauf an, wann der Anwaltswechsel erfolgt ist. § 91 ZPO jedenfalls enthält keine derartige Einschränkung.

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Vielleicht kann jemand helfen:

Bei uns hat ein Anwalt angefangen, der vorher in einer anderen Kanzlei tätig war, diese wurde aufgelöst.

 

Ist die entstandene Geschäftsgebühr nunmehr in der neuen Kanzlei (bei uns) nicht mehr anrechnungsfähig?

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Guten Tag,

wir würden gerne den Anwalt wechseln. Momentan läuft ein Klageverfahren Unterhalt. Wir haben Prozesskostenhilfe bewilligt bekommen.
Mit welchen Zusätzlichen Kosten müssten wir rechnen was die Anwälte angeht aufgrund des Wechsels? Wir sind nicht zufrieden mit dieser Anwältin.

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Der BGH hat die u.a. von Herrn Fölsch in #6 vertretene Auffassung bestätigt - vgl. B. v. 10.12.2009 in VII ZB 41/09.

Aus den Gründen:
b) Die Antragstellerin macht geltend, aus dem Grundsatz, dass eine Partei die Kosten so gering wie möglich zu halten habe und aus Art. 3 GG folge, dass sie so gestellt werden müsse, als habe der Antragsgegner nur einen Anwalt beauftragt; in diesem Fall wäre die Verfahrensgebühr nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor Geltung des § 15 a RVG zu kürzen gewesen.

Diese Rüge ist unbegründet. Die Antragstellerin verkennt, dass die Anrechnungsregelung der Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG VV nicht dem Schutz des Prozessgegners dient. Unabhängig davon, ob § 15 a RVG auf das vor seinem Inkrafttreten eingeleitete und zu diesem Zeitpunkt noch nicht beendete Kostenfestsetzungsverfahren anwendbar ist (vgl. BGH, Beschluss vom 2. September 2009 - II ZB 35/07, NJW 2009, 3101; Beschluss vom 29. September 2009 - X ZB 1/09, in Juris dokumentiert), besteht kein Anlass die Verfahrensgebühr nur deshalb zu kürzen, weil eine Partei vorprozessual einen anderen Anwalt hatte, der allein die Geschäftsgebühr verdient hat.

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