Wie ich einmal Heinrich von Pierer irritierte

von Prof. Dr. Thomas Hoeren, veröffentlicht am 15.06.2008

Die jetzigen Ereignisse rund um den früheren Siemens-Chef Heinrich von Pierer geben mir den Mut, von einer seltsamen Begebenheit zu berichten, die mir 2001 zustiess (man verzeihe altersbedingte Verzerrungen bei der Schilderung des Vorfalls). 2001 war ich eingeladen bei der Internationalen Kartellrechtstagung des BKartA in Berlin, zu einer Podiumsdiskussion mit u.a. Heinrich von Pierer.

Siehe www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/2001_IKK.pdf

Ich - ein junger Hochschullehrer, nervös und beeindruckt von den Mitdisputanden und einem riesigen Auditorium. Gefragt nach der Aufgabe des Rechts in der Internetökonomie trug ich kurz vor, daß das Recht nicht die Aufgabe habe, bedenkenlos den Bedürfnissen der Wirtschaft zu folgen, sondern als Legasthenikerin des Fortschritts langsam zu sein, bedächtig zu (hinter-)fragen und dann eben auch manchmal aus ethischen Gründen zu verbieten. Kaum hatte ich diese (für mich als Binsenweisenheiten klingenden) Statements gesagt, platzte Heinrich von Pierer unerwartet der Kragen. Er brüllte (in etwa nach meiner Erinnerung): Das Recht habe die Aufgabe, der Wirtschaft zu dienen; so ein Schnösel wie ich hätte keine Ahnung. Jura sei eine Hilfswissenschaft im Dienste der Industrie, um das möglich zu machen, was die Wirtschaft wolle und brauche. Raunen im großen Festsaal, betretenes Schweigen der Organisatoren - und Pierer ließ nicht los: Was sich Juristen überhaupt einbildeten, wie man solche Professoren einstellen könne. Wo käme man denn hin, Ethik und Wirtschaft, ha, ha - so was könnten sich nur Theoretiker ausdenken ...

Selbst Versuche aus dem Auditorium , etwa von Mestmäcker, konnten ihn nicht bremsen. Mit rotem Gesicht redete er sich in Rage - und ich ging, klein mit Hut, einsam, verwirrt, durch den Hintergang aus dem Hotel und sofort ab nach Hause. Lange habe ich über den Eklat nachgedacht. Bis vor einigen Wochen, als sich die Siemens-Nachrichten überschlugen. Und deshalb will ich diese Episode (an die sich sicherlich auch noch einige der vielen hundert Zuhörer in Berlin erinnern) nicht der Vergessenheit anheimgeben.

Guten Wochenstart Ihr TH

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