EuGH: Ethnische Diskriminierung aufgrund öffentlicher Äußerungen zur Einstellungspolitik

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 10.07.2008

In der Rechtssache Feryn hat der EuGH am 10.7.2008 über die Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft entschieden (C-54/07). Erwartungsgemäß hat er sich auf den Standpunkt gestellt, dass eine Diskriminierung auch dann vorliegt, wenn keine persönlich identifizierbare Person betroffen ist. Vielmehr genüge es, dass der Arbeitgeber öffentlich erkläre, Arbeitnehmer einer bestimmten Herkunft (hier: Marokkaner) nicht einstellen zu wollen, weil schon dies geeignet sei, potenzielle Bewerber abzuhalten.

Nicht geäußert hat sich der EuGH allerdings zu der im deutschen Schrifttum umstrittenen Frage, ob Kundenerwartungen eine solche Diskriminierung rechtfertigen können (vgl. etwa Kamanabrou RdA 2006, 321 [327]). Der Arbeitgeber, ein auf Verkauf und Einbau von Schwing- und Sektionaltoren spezialisiertes Unternehmen, hatte geltend gemacht, nur einheimische (belgische) Arbeitnehmer beschäftigen zu wollen, weil die Kunden keine Marokkaner in ihren Privathäusern haben wollten. Wörtlich hatte er gesagt: „Ich muss mich nach den Forderungen meiner Kunden richten. Wenn sie sagen, ‚ich will dieses bestimmte Produkt oder ich will es so oder so ausgeführt haben‘, und wenn ich dann sage, ‚das mache ich nicht, ich schicke diese Leute doch vorbei‘, dann werden sie mir sagen, ‚ich brauche diese Tür nicht unbedingt von Ihnen‘. Dann kann ich mein eigenes Geschäft schließen. Wir müssen den Forderungen unserer Kunden nachkommen. Es ist nicht mein Problem, ich habe dieses Problem in Belgien nicht verursacht. Ich will, dass die Firma läuft und dass wir am Jahresende unseren Umsatz erreichen, und wie schaffe ich das? Indem ich es so mache, wie der Kunde es will!“?

Die Bemerkungen des EuGH lassen allenfalls erahnen, dass der Gerichtshof einen Rechtfertigungsgrund hierin nicht zu erblicken vermag.

Die Leitsätze des Urteils lauten:

1.   Die öffentliche Äußerung eines Arbeitgebers, er werde keine Arbeitnehmer einer bestimmten ethnischen Herkunft oder Rasse einstellen, begründet eine unmittelbare Diskriminierung bei der Einstellung im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft, da solche Äußerungen bestimmte Bewerber ernsthaft davon abhalten können, ihre Bewerbungen einzureichen, und damit ihren Zugang zum Arbeitsmarkt behindern.
2.   Öffentliche Äußerungen, durch die ein Arbeitgeber kundtut, dass er im Rahmen seiner Einstellungspolitik keine Arbeitnehmer einer bestimmten ethnischen Herkunft oder Rasse beschäftigen werde, reichen aus, um eine Vermutung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2000/43 für das Vorliegen einer unmittelbar diskriminierenden Einstellungspolitik zu begründen. Es obliegt dann diesem Arbeitgeber, zu beweisen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat. Er kann dies dadurch tun, dass er nachweist, dass die tatsächliche Einstellungspraxis des Unternehmens diesen Äußerungen nicht entspricht. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die gerügten Tatsachen glaubhaft sind, und zu beurteilen, ob die Beweise zur Stützung des Vorbringens des Arbeitgebers, dass er den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt habe, ausreichend sind.
3.   Nach Art. 15 der Richtlinie 2000/43 müssen auch dann, wenn es kein identifizierbares Opfer gibt, die Sanktionen, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie zu verhängen sind, wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.

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