Das Stammtischgerücht stimmt: Führerscheinentzug nach Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 23.07.2008

Das BVerwG hat am 21.5.2008 – 3 C 32/07 (Kurzmeldung hierzu in NZV aktuell, Heft 7/2008, S. VIII) - über die verwaltungsrechtliche Fahrerlaubnisentziehung nach einer Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad entschieden. Die Entziehung der Fahrerlaubnis hat das BVerwG nicht beanstandet, da es angesichts einer festgestellten BAK von 1,6 % oder mehr die Gefahr sah, dass es künftig auch zu Fahrten mit Kraftfahrzeugen in alkoholisierten Zustand kommen wird. Hintergrund dieser Prognose war eine dem Führerscheininhaber aufgegebene MPU, die zu dem Ergebnis gekommen war, dass ein chronisch überhöhter Alkoholkonsum und eine hiermit einhergehende Unfähigkeit zu einer realistischen Einschätzung der bei einer Teilnahme am Straßenverkehr drohenden Gefahren vorlag. Also kurz für alle nicht verkehrsverwaltungsrechtlich Bewanderten: Das Stammtischgerücht, eine Trunkenheitsfahrt mit Fahrrad reiche für eine Fahrerlaubnisentziehung, stimmt!

Hinzuweisen ist natürlich darauf, dass strafrechtlich im Falle einer Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad zwar eine Strafbarkeit nach § 316 StGB droht, nicht aber eine Fahrerlaubnisentziehung nach §§ 69, 69a StGB bzw. ein Fahrverbot nach § 44 StGB. Diese Normen erfordern nämlich Straftaten mit einem Kraftfahrzeug.

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8 Kommentare

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Da es im aktuellen Focus ("100 Rechtsirrtümer") so nicht steht:

Ist der "Lappen" auch bei 0,3 Promille + Ausfallerscheinungen auf dem Fahrrad weg?

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Das Geurteilte ist kein Stammtischgerücht, sondern gesichertes Wissen von jedem guten Verkehrsrechtler. Oder sollte es jedenfalls sein. Es gibt dazu eine ständige Rspr der Verwaltungsgerichte und OVGs/VGHs und auch ein paar frühere BVerwG-Entscheidungen.

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Hallo Herr Dr. Kettler

Vielen Dank für Ihren Beitrag. Natürlich habe Sie vollkommen Recht. Ich selbst bin natürlich aus der ordentlichen Gerichtsbarkeit, lese aber auch immer gerne und aufmerkasam verkehrsverwaltungsrechtliche Entscheidungen.
Ihr Beitag gibt aber kurz einmal Gelegenheit zur Gestaltung unseres Blog zu nehmen:
Zum einen ist es natürlich immer wichtig, durch eine Überschrift den Leser in den Blog hineinzuziehen. Das ist ja mit Ihnen auch gelungen - was mich wirklich freut. Das die Überschrift vielleicht nicht immer 100%-ernst zu nehmen ist, müssen Sie dabei schon entschuldigen.
Zum anderen ist der Blog nicht nur für Spezialisten auf dem jeweiligen Rechtsgebiet gedacht, sondern auch für neugierige JuristInnen aus anderen Fachbereichen und nicht zuletzt interessierte NichtjuristInnen.
Zum Dritten soll der Blog ja nicht ein reiner "Newsdienst" sein, sondern auch eine Anregung darstellen, sich selbst als Leser zu einzelnen Themen zu äußern.
Insoweit werden auch immer einmal wieder interessante aktuelle Entscheidungen angesprochen werden, die vielleicht nicht wirklich etwas "ganz Neues" bringen, aber ein "Licht" auf ein ganz bestimmtes Thema werfen.

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a.A. OVG Koblenz, Beschluss vom 25.09.2009, Az: 10 B 10930/09.OVG

Es sei unverhältnismäßig, von einem Fahrradfahrer, der nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis für Kfz ist, ein MPU-Gutachten zu verlangen, nachdem er erstmals mit dem Fahrrad, wenn auch erheblich alkoholisiert im Straßenverkehr aufgefallen ist. Ein wegen der Nichtvorlage des Gutachtens ausgesprochenes Verbot, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen, ist damit ebenfalls rechtswidrig. Die Behörde hätte allenfalls ein Verbot für den Wiederholungsfall androhen dürfen.

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Widerspruch!

Auch diese OVG-Koblenz-Entscheidung fügt sich nahtlos in die ständige Rspr der Verwaltungsgerichte ein. Es ging dort um einen Spezialfall eines Fahrradbenutzungsverbots (!) nach Alkoholmissbrauch eines führerscheinlosen Ersttäters, der auf dem Radweg fuhr und niemanden gefährdet hat. Zu klären war die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme.

Mit "Führerscheinentzug nach Trunkenheitsfahrt" (so der Titel dieses Blog-Strangs hier) hat die Entscheidung schon deswegen nichts zu tun, weil der Betroffene keinen Führerschein hatte. Und dass die Verhältnismäßigkeit sorgfältig zu prüfen ist, steht in dieser OVG-Entscheidung wie in vielen anderen VG-Entscheidungen zu den Folgen der Fahrradnutzung nach Alkoholmissbrauch.

Die genannte OVG-Entscheidung ist folglich keineswegs "a.A." als die bisher hier angeführte Rspr.

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Widerspruch. Da koennen Sie es drehen wie Sie wollen. Das eine mit den anderen zu vermischen, sind typisch deutsche juristische Ansichten, gemaess, "in kuenftiger Erwartung!!!". Fahrradfahrer, auch Fussgaenger, koennen meiner Meinung durchaus mit Strafen belegt werden, jedoch nicht eine Entziehung des "Auto-Fuehrerscheins", da diese Massnahme dann eine Schikane ist. Die Strafen koennten dementsprechend auch straff ausgelegt werden. Auf einer Karibik Insel wird so verfahren. Einige meiner Kollegen hatten sich trotz Fahrverbot mit einen fuehrerscheinfreien Fahrzeug eine solche eingehandelt mit 4 Wochen Knast, einschliesslich Feldarbeiten. Das hatte gesessen.

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