Beschlagnahme des Filmes "Hostel II - Extended Version"

von Prof. Dr. Marc Liesching, veröffentlicht am 24.07.2008

Durch Beschluss des AG München vom 10.06.2008 (Az. 465 Js 306253/08) ist der Spielfilm "Hostel 2 - Extended Version" in einer 91-minütigen Fassung wegen Verstoßes gegen das strafrechtliche Gewaltdarstellungsverbot nach § 131 StGB beschlagnahmt worden. Die Strafnorm untersagt vor allem das Verbreiten und Zugänglichmachen von "Schriften, die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt".

Zuvor war die Juristenkommission der SPIO zu dem gegenteiligen Schluss gekommen, dass der Film den Straftatbestand des § 131 StGB in der 91-minütigen Fassung (nach Vornahme eines Schnittes) nicht erfülle. Vor diesem Hintergrund durfte man gespannt sein auf die Begründung des Beschlusses des AG München. Allerdings verzichtet diese weitgehend auf eine genaue Subsumtion der Tatbestandsvoraussetzungen des Gewaltdarstellungsverbotes zugunsten allgemeinerer Erwägungen wie die der "Aneinanderreihung lang ausgespielter, sadistischer Handlungsweisen", wobei exemplarisch auf zwei besonders drastische Szenen eines Foltermordes und einer Kastration verwiesen wird. Insbesondere zu der zweitgenannten Szene wird eine "Glorifizierung der Selbstjustiz" angenommen, welche im Weiteren mit einer tatbestandsmäßigen "Verherrlichung und Verharmlosung" von "Gewaltausübung" gleichgesetzt wird. Zudem wird darauf abgestellt, dass "Verletzungen und Wunden in Großaufnahme gezeigt werden" und die "Gewaltszenen mit durchdringenden Schmerzens- und Hilfeschreien untermalt werden".

Gerade vor dem Hintergrund der in jüngster Zeit auch im Schrifttum erkennbaren Tendenzen einer von den Tatbestandsmerkmalen des § 131 StGB weitgehend gelösten exzessiven Auslegung des § 131 StGB möchte ich darauf hinweisen, dass trotz der Unbestimmtheit der Tatbestandsmerkmale des § 131 StGB hier ebenso wie allgemein im Strafrecht eine genaue Subsumtion aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 5 GG und Art. 103 Abs. 2 GG) unerlässlich ist. Vor allem die Benennung brutaler Szenen oder die Missbilligung der Glorifizierung von Selbstjustiz genügen nicht für die Annahme des kriminalstrafrechtlichen Absolutverbotes. Dies gilt umso mehr deshalb, weil der Gesetzgeber unterhalb der Schwelle des § 131 StGB nachgerade eine ganze Armada jugendschutzrechtlicher Restriktionen von der FSK-Freigabekennzeichnung über die Indizierung bis hin zu den Jugendschutzverboten des § 15 Abs. 2 JuSchG bei schwer jugendgefährdenden Inhalten bereithält.

Dass Filme wie "Hostel 2" in nur geringfügig kürzeren Fassungen eine Kennzeichnung nach § 14 Abs. 2 Nr. 5 JuSchG ("Keine Jugendfreigabe") erhalten haben und für die hier beschlagnahmte Fassung gar eine strafrechtliche Unbedenklichkeit durch die Juristenkommission der SPIO attestiert worden ist, schließt freilich eine Beschlagnahme wegen § 131 StGB nicht per se aus. Meines Erachtens bedarf es in derartigen Fällen aber schon eines gewissen Begründungsaufwands und in allen Fällen einer umfassenden Subsumtion aller Tatbestandsvoraussetzungen des Gewaltdarstellungsverbotes. Dies gilt selbstverständlich auch dann, wenn zuvor eine Indizierung durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien in den Listenteil B vorgenommen worden ist, weil das Prüfgremium von einer Tatbestandsmäßigkeit des § 131 StGB ausgegangen war.

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18 Kommentare

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Zum Thema "Glorifizierung der Selbstjustiz" müsste man dann doch auch den Film "Ein Mann sieht rot" mit Charles Bronson beschlagnahmen. Und was Folter, Gewalt etc betrifft, wundert es mich, dass die "Saw" Filme nicht beanstandet wurden.

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Sie haben völlig recht. Die positive Akzentuierung des Selbstjustiz ist zum einen überhaupt kein Merkmal des § 131 StGB. Es wird vielmehr oft als Argument für eine Alterkennzeichnung "ab 16" oder "ab 18" und zuweilen auch als Begründung für eine Indizierung wegen Jugendgefährdung (§ 18 Abs. 1 JuSchG) verwandt. In einem Beschlagnahmebeschluss wg. § 131 StGB hat dies per se nichts zu suchen.

Zum anderen: sowohl die "SAW"-Filme als auch andere Machwerke wie "Michael Bay’s Texas Chainsaw Massacre" oder auch "Sin City" weisen drastische Gewaltinhalte auf. Hier wird man aufgrund der im Jugendschutz bestehenden Vagheit der gesetzlichen Vorgaben und den dadurch geschaffenen Beurteilungsspielräumen wohl mit Diskrepanzen in der Bewertung leben müssen. Beim krimnalstrafrechtlichen Absolutverbot des § 131 StGB sind aber die Anforderungen an eine Bejahung im Einzelfall aus verfassungsrechtlichen Gründen m.E. strenger. Bloße allgemeine Gefährdungsprognosen oder gar ungute "Bauchgefühle" aufgrund drastisch empfundener Gewaltinhalte reichen hier keinesfalls aus.

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Sin City verbildlicht doch nur den Grundsatz "Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht.", der in Deutschland teilweise in Art. 20 Abs. 4 seinen Niederschlag gefunden hat.

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oh je, armes deutschland.
das ist nen film, frag ich mich, wozu gibts fsk 18 ?

sarkastische bemerkung: friedmann kokste und war mit zwielichtigen mädchenhändlern zusammen, und der tritt immer noch im fernsehen auf.
da nenn ich dann schon eher verführung minderjähriger

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Ich halte das Urteil für gerechtfertigt. Es mag zwar sein, dass Filme wie die Saw - Reihe oder die Texas Chainsaw - Filme um einiges brutaler sind, jedoch sollte man bei diesen "Vergleichen" nicht vergessen, dass letztere immer noch eine Art Geschichte erzählen bzw. eine sinnvolle Handlung haben (wobei sich natürlich auch hierüber streiten lässt). Diese fehlt meines Erachtens bei der Hostel - Reihe vollkommen. Die Geschichte, die um die Folterszenen gesponnen wird ist lediglich Mittel zum Zweck. Man könnte sie auch weglassen, es würde dem Film an sich keinen Abbruch tun. Bei Sin City, Saw oder TCM Massacre hingegen würden die Gewaltszenen ohne das Vorgeschichten und das Drumherum überhaupt keinen Sinn ergeben - es wird überwiegend eine für Slasher / Horrorfilme verhältnismäßig tiefe Einarbeitung in die Charaktere vorgenommen. Dies fehlt auch bei Hostel völlig. Ich denke, dass man dies in Zukunft als eine Perspektive bei der Bewertung des § 131 StGB mit nutzen sollte: Kann ich die Handlung weglassen, ja oder nein?

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@Kant:

[....]Ich halte das Urteil für gerechtfertigt. Es mag zwar sein, dass Filme wie die Saw[...]

Sorry:

a) Ist es ein Film d.h. es ist Fiktion und zeigt damit kein reales Gesehen, dadurch gibt es auch keine "Betroffenen" im Sinne "Recht aufs eigene Bild" wie z.B. beim Verbreiten von Unglückbildern...

b)Mit welchem Recht nehmen sich ein paar Menschlein das Recht heraus für andrere zu entscheiden ob sie diesen Film sehen dürfen oder nicht, denn was anderes stellt das Verbreitungsverbot im Sinne des §131 StgB nicht da....und der Grund warum nur die Verbreitung verboten ist, begründet sich, daß jede andere Form wie Bestell- oder gar Besitzverbot vorm Bundesverfassungsgericht keinen Bestand hätte, deshalb dieser nette juritische Winkelzug.

c) Egal wie man es wendet....das Endergebnis ist eine Form der Zensur und die gehört bekämpft den für Zensoren gilt meiner Meinung nach der gleiche Spruch wie für Nazis....und den einzigen Zensor den ich für mich akzeptiere, das bin ich selber und kein anderer.....

d) Delikaterweise kennen andere Länder zwar sehr wohl einen Jugendschutz, bloß diese Form (§131, §184a StgB) des Erwachsenenschutzes oder eher Erwachsenenbevormundung ist ihnen fremd...stellt sich die Frage, warum müssen "die Deutschen" da geschützt werden?

bombjack

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Der wilde Jugendschutz heißt Bevormundung von Erwachsene! Ich habe Verständnis, dass der Film Hostel nichts für unter 18 Jährige ist, ich habe aber kein Verständnis, dass ich als über 18 Jähriger nicht die vollständige Fassung sehen kann, weil der Film übelst geschnitten und entschärft ist, oder wegen diesen schwachsinnigen Verboten für mich nicht mehr erhältlich ist.

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[...] gesamten Text inklusive eines kurzen (Rechts-)Kommentars gibt es unter diesem Link hier beim Beck-Blog. Insbesondere die Argumentation der Richter finde ich recht interessant. Es geht [...]

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@ Bombjack: Selbstverständlich stimme ich mit Ihnen darüber ein, dass § 131 StGB einen Eingriff in Art. 5 GG bedeutet. Keine Frage. Da § 131 StGB jedoch bisher nicht für verfassungswidrig erklärt wurde und angesicht immanenter Grundrechtsschranken wohl auch nicht erklärt wird, ist diese Diskussion auf den o.g. Fall bezogen mehr oder minder unsinnig.
Es spielt auch keine Rolle, ob es sich um ein reales Geschehen handelt oder nicht. Gerade für reale Geschehen der Zeitgeschichte gilt die Norm zudem nicht, siehe § 131 III StGB.

Ich denke, dass es im Kern auch nicht um eine Bevormundung geht. Sie argumentieren mit dem Jugendschutz, okay. Dieser ist in Deutschland offiziell strenger als in anderen Ländern (bswp. USA, Frankreich, GB). Jedoch wissen bereits 12 - jährige, dass die Damen bei MediaMarkt eher weniger auf die kleinen Hinweisschildchen achten bzw. gar davon wissen. Man könnte nun wieder entgegenhalten, dass man sich einen solchen Film auch aus dem Internet laden könnte - stellt sich doch meines Erachtens mittlerweile wesentlich schwieriger dar als noch vor einigen Jahren, trotz stark erhöhter Bandbreiten.

Wie man es dreht und wendet, es lassen sich pro und contra - Argumente finden und letztendlich ist es die persönliche Einstellung, die das Zünglein an der Waage ist. Ich für meinen Teil, der gerne Horrorfilme guckt und eigentlich Ihrer Meinung sein sollte, fand Hostel I + II sehr abstoßend und widerwärtig. Der Film machte keinerlei Sinn ... aber dazu mein Beitrag oben.

mfg,

Kant.

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[…] Man könnte nun wieder entgegenhalten, dass man sich einen solchen Film auch aus dem Internet laden könnte - stellt sich doch meines Erachtens mittlerweile wesentlich schwieriger dar als noch vor einigen Jahren, trotz stark erhöhter Bandbreiten.[…]

Dann frag mal einen 12jährigen! Es ist überhaupt garkein Problem an jegliche Filme im Netz zu kommen und es ist viel leichter als noch vor 10 Jahren. Das Angebot ist gigantisch gewachsen.
Man kann über den deutschen Jugendschutz nur lachen, völlig an der Realität vorbei.
p0rn, Computerspiele, Filme, Nazikram alles ist innerhalb von Minuten zu finden.

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"Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt, da mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen."

Schon dieser Satz lässt, was den aufgebrachten Begründungsaufwand angeht, tief blicken...

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[...]@ Bombjack: Selbstverständlich stimme ich mit Ihnen darüber ein, dass § 131 StGB einen Eingriff in Art. 5 GG bedeutet. Keine Frage. Da § 131 StGB jedoch bisher nicht für verfassungswidrig erklärt wurde....[...]

Dann würde mich doch der "Schutzzweck" des §131 StgB interessieren, welches höherstehende Rechtsgut (immerhin geht es hier um eine Form der Zensur gegenüber Erwachsenen)wird durch den 131 geschützt.
Und sorry die Argumentation, daß eventuell Kinder rankommen könnten, ist für mich keine Argumentation pro §131 StgB da andere Baustelle, denn für den Jugendschutz ist immer noch das Jugendschutzgesetz wirksam und nicht das StgB.....hier geht es um einen bevormundenden Erwachsenenschutz, der in meinen Augen keine Berechtigung hat....

bombjack

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Ich teile die Bedenken von Bombjack. Der "Erwachsenenschutz" durch das Absolutverbot in § 131 StGB wird ja vor allem damit begründet, dass der öffentliche Friede durch gravierende Gewaltdarstelungen gefährdet sei. Wenn insoweit vom Schutz der Bevölkerung vor sozialschädlicher Aggression die Rede ist, kann also das abstrakte Gefährdungsdelikt seinem Gedanken nach am ehesten einen sehr weit vorgelagerten Schutz des Einzelnen vor Gewalttätigkeiten - adaptiert durch entsprechende Mediendarstellungen - meinen.

Betrachtet man nun den Fall "Hostel 2 - Extended Version", erscheint diese vom Gesetzgeber vermutete abstrakte Gefährdung reichlich absurd. Denn gegenüber der FSK-18-Fassung, die also für jeden Erwachsenen zugänglich ist, ist die nunmehr beschlagnahmte Fassung ja nur ganz unwesentlich länger. Im Wesentlichen werden lediglich zwei Szenen um wenige Sekunden weiter ausgespielt. Gerade hiermit dann den jugendschutzrechtlichen Quantensprung von der FSK-KJ-Freigabe hin zum Erwachsenenschutz nach § 131 StGB zu rechtfertigen, und damit dazwischenstehende Jugendschutzstufen (Indizierung in Listenteil A, offensichtlich schwere Jugendgefährdung nach § 15 II JUSchG) einfach zu überspringen, erscheint aus meiner Sicht nicht gerade naheliegend.

@Kant: Ich finde ebenfalls, dass der dramaturgische Kontext bei Jugendschutzbewertungen wichtig ist. Von daher kann man bei Filmen wie Sin City eher von einer Einbettung in einen Handlungsrahmen sprechen als bei "Hostel 2", wo die Gewaltdarstellungen doch etwas "selbstzweckhaft" daherkommen. Doch auch dann gilt eigentlich: Die "Selbstzweckhaftigkeit" ist kein Merkmal des § 131 StGB, worauf das BVerfG schon in seiner "Tanz der Teufel"-Entscheidung ausdrücklich hingewiesen hat. Seit 1.7.2008 gilt nach § 15 Abs. 2 JuSchG, dass solche selbstzweckhaften Gewaltdarstellungen unter weiteren Voraussetzungen als schwer jugendgefährdend einzustufen sind, also gerade noch nicht als Fall des § 131 StGB.

Siehe hierzu
http://www.blog.beck.de/2008/07/12/1200-quadratmillimeter-jugendschutz-s...

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vielleicht ist hostel II einfach zu radikalfeministisch für die patriarchal konstituierte BRD.

Das der Film, wenn man genau hinschaut weit tiefgründiger ist als z.b. saw sollte auffallen.

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Ein schwieriges Thema. Ich habe mir Hostel 2 bei einem Videoabend unter Studis auch ansehen müssen. Und ich verabscheue diesen unmenschlichen Gewaltporno. Solche Filme verletzen die menschliche Würde, sie sind es nicht wert, sich hinter der Kunstfreiheit verstecken zu dürfen.

So weit meine eigene Meinung. Aber, wie so oft in der Juristerei: Wehret den Anfängen. Zensur bleibt Zensur. Und jede einzelne strafrechtliche Maßnahme führt zu einer bestimmten Tendenz. Und einen neuen "Zensur-Boom" will sicher keiner von uns, zumal es meist auch Ausstrahlungswirkungen auf andere Kunst- und Medienbereiche gibt.

Daher bleibt am Ende nur, selbst sinnvolle Beiträge zu Kultur zu leisten und in den Schulen dafür zu sorgen, dass Kinder und Jugendliche Tugenden entwickeln, statt ihre Zeit mit sinnlosen Gewaltdarstellungen zu verschwenden.

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Jedes Wort pro-Hostel ist dummes Geschwätz. Die Macher, alle Beteiligten und alle Fans gehören nackt in den Wald, zu den anderen Tieren. Pfui.

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zum Thema Zensur: man muss Art.5 schon ganz durchlesen und nicht nur Abs.1

in Verbindung mit Art.1 (und Art.2 Abs.1) wird deutlich, dass StGB 131 eine Norm ist, die diese unmittelbar geltenden Rechtsvorschriften durchsetzen soll, z.B. indem "grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen [...] in einer die Menschenwürde verletzenden Weise dar[ge]stellt" werden, verboten werden.

wenn bombjack nicht lesen kann und nicht den zu schützenden zentralen Wert der Verfassung und des Rechtssystems dieses Landes erkennt, obwohl er in §131 aufgeführt ist, dann kann ich nur hoffen, dass er nichts mit Juristerei professionell am Hut hat...

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