Der Anscheinsbeweis bei der Übersendung von Betriebskostenabrechnungen

von Dr. Klaus Lützenkirchen, veröffentlicht am 04.08.2008

Vieler Vermieter übersenden ihre Betriebskostenabrechnungen per Post. Seit Einführung der Abrechnungsfrist in § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB scheint es jedoch häufiger vorzukommen, dass diese Schriftstücke die Mieter nicht erreichen. Zumindest wird immer häufiger der Zugang der Betriebskostenabrechnungen durch Mieter bestritten. Anders als bei der Übersendung per Einschreiben/Rückschein erhält der Vermieter bei der Übersendung mit einfacherem Brief keine Bestätigung durch die Post, dass das Schriftstück auch tatsächlich an den Adressaten ausgehändigt wurde. Es stellt sich dann aber die Frage, ob nicht zugunsten des Vermieters ein Beweis des ersten Anscheins spricht, also ob nicht nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass mit der Post versandte Briefe auch tatsächlich ankommen. Dann müsste der Mieter diese Vermutung durch den Vortrag der ernsthaften Möglichkeit eines anderweitigen Geschehensablauf entkräften (z.B. zeitnahe Unregelmäßigkeiten im Zustellbetrieb; Zeuge der am Tag der Zustellung bei Öffnung des Briefkasten anwesend war (so z.B. AG Erfurt, Urt. v. 20.06.2007 - 5 C 1734/06 - WuM 2007, 580; AG Paderborn, Urt. v. 03.08.2000 - 51 C 76/00, NJW 2000,3722).

Für die Annahme eines Anscheinsbeweises sprechen jedenfalls die geringen Ausfälle bei der Postzustellen, die nach statistischen Erhebungen im Jahre 1980 gerade einmal bei 0,000633 % gelegen haben. Dennoch geht die h.M. auch weiterhin davon aus, dass den Vermieter, der die Betriebskostenabrechnung mittels einfacher Post versendet, die volle Darlegungs- und Beweislast trifft, wenn der Mieter den Zugang bestreitet (LG Düsseldorf, Urt. v. 7.2.2007 – 23 S 108/06 - NZM 2007, 328; zuletzt AG Köln, Urt. v. 16.07.2007 – 220 C 435/07). Gleichermaßen entscheidet die h.M., wenn Betriebskostenabrechnungen mittels Einwurfeinschreiben übersandt werden. Auch in diesen Fällen wird ein Anscheinsbeweis abgelehnt (LG Potsdam, Urt. v. 27.7.2000 – 11 S 233/99, NJW 2000, 3722).

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5 Kommentare

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Die Ablehnung eines Anscheinsbeweises ist auch völlig in Ordnung. Wenn man den statistischen Erhebungen von 1980 glauben will, dann war dieses Jahr für mich wohl das letzte mit nicht angekommenen Lieferungen. 2 Postkarten und ein Brief. Es steht auch fest, dass sie abgesandt wurden. Bei genauer Umsetzung der Quote bedeutet das, dass ich dieses Jahr rund 470.000 Briefe erhalten muss, damit sie stimmt. ;) (schon klar, dass man so nicht rechnen darf)
Mal davon abgesehen ist die Erhebung in Anbetracht der starken Veränderungen auf dem Markt und auch in der Post selber kaum noch heranzuziehen. Ich frage mich auch, was tatsächlich gegen eine Beweislast des Vermieters einzuwenden sein soll - von besagter Untersuchung abgesehen. Mal ganz davon abgesehen benutzen Vermieter die Behauptung des nicht erfolgten Zugangs selber zur Genüge, um Kündigungen als zu spät zugegangen abzulehnen.

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Diskussionspunkt ist wohl kaum die Frage, ob auch Vermieter behaupten eine Kündigung sei nicht zugegangen.
Tatsache ist, dass sich viele Vermieter- auch große Wohnungsunternehmen jährlich vielfach mit der Frage der Beweisbarkeit des Zugangs von Betriebskostenabrechnungen beschäftigen müssen.

Dennoch muss einer Partei die Beweislast obliegen, und dem Mieter ist es nicht möglich den "Nicht-Zugang", also eine negative Tatsache zu beweisen.

Jedoch muss ein Anscheinsbeweis dafür gelten, dass z.B. bei einer per Einschreiben bzw. Einschreiben Rückschein versendeten und nachweisbar eingeworfenen / übergebenen Brief dieser die behauptete Erklärung enthielt.
Es führt zu einem in keinem Verhältnis stehenden Aufwand, wenn obwohl der Zugang eines Briefes bewiesen ist, der Empfänger durch eine einfache Behauptung wie der Briefumschlag habe nichts , oder nur ein weißes Blatt enthalten, den Zugang einer Willenserklärung / Betriebskostenabrechnung weiterhin bestreiten und damit zunichte machen kann.
Es ist offensichtlich, dass der Vermieter kein Interesse daran hat, dem Mieter eine Betriebskostenabrechnung, die für den Mieter mit einem negativen Saldo endet nicht zuzustellen, jedoch Mieter auf Grund der Ausschlusswirkung des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB ein Interesse an einer Verzögerung über die Jahresfrist hinaus hat. Entsprechendes muss bei einer Entscheidung über die Beweislastverteilung bzw. der Zulassung eines Anscheinsbeweises berücksichtigt werden.

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Den Anscheinsbeweis für den Inhalt eines - bewiesenermaßen - zugegangen Schreibens würde ich auch annehmen. Gerade das Argument, das der Vermieter gar kein Interesse daran hat ein leeres Blatt zu versenden, genügt mE voll und ganz. Auch wenn mir durchaus Gründe für ein solches Interesse einfallen, könnte man diese dann noch durch ein Erschüttern des Anscheinsbeweises zum Tragen bringen. Dagegen kann ich einen Anscheinsbeweis für den Zugang selbst nicht nachvollziehen.
Die Anmerkung zu den Kündigungen sollte auch nur zeigen, dass sich doch einige Vermieter mit einem solchen Anscheinsbeweis ins eigene Fleisch schneiden würden. Es hat fraglos keine juristische Begründung für oder gegen einen Anscheinsbeweis geliefert.

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Würde der Anscheinsbeweis gültig, wären dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Die wenigen Mieter, die sich noch gegen unrechtmäßige Betriebskostenabrechnungen etc. wären, bekämen wichtige, fristgebundene Schreiben nicht mehr oder verspätet.

Ich selber bekomme häufig Briefe für meine Nachbarn und ich nehme an, dass es umgekehrt genauso ist, wobei ich weiß, dass meine Nachbarn fehlgeleitete Briefe i. d. R. vernichten. Als Zusteller weiß ich außerdem, wie leicht man gerade in der dunklen Jahreszeit Briefe in den falschen Schlitz jagt.

Früher habe ich mal für ein paar tage für ein privates Unternehmen gearbeitet, bei dem man für wichtige Briefe wie Bußgeldbescheide für die Auslieferung unterschreiben mußte. Der Druck auf die Leute war so groß, dass ich sicher bin, dass viele widerrechtlich unterschrieben haben, wenn sie z. B. die Post in einen Kasten geschmissen haben, der öffentlich zugänglich war z. B. - aber anders war die Arbeit nicht zu schaffen und ein 12h Tag war es eh schon (sollte pauschal 45 Euro pro Tag geben - ich habe sie bis heute nicht gesehen).

Wenn ich meinem Vermieter einen Einspruch schicke, muß ich das auch per Einschreiben machen, da der das im zweifel auch nicht bekommen hat. Wenn der Vermieter das Geld sparen will, dann ist das seine Sache, und sein Risiko.

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Vorab muss einfach folgendes konstatiert werden: es besteht - richtigerweise - schon seit jeher in Lit. und Rspr. die einhellige Auffassung, einen prima facie-Zugang von Willenserklärungen abzulehnen (vgl. statt aller Palandt/Heinrichs, § 130 Rdn. 21).

Warum das jetzt in mietrechtl. Teilgebieten anders sein soll, ist mir schlichtweg schleierhaft; und wird im Übrigen von Lützkirchen auch nicht begründet.

Das einzig angeführte Argument, die zugegebenermaßen niedrige Verlustquote der Dt. Post, ist bei genauer Betrachtung vollauf entkräftbar. Zum einen ist diese Statistik mehr als !ein viertel Jahrhundert! alt und berücksichtigt mithin u.a. nicht, dass mit der Privatisierung eine Vielzahl von anderen Unternehmen in diesem Bereich tätig sind. Daneben muss insbesondere auch beachtet werden, dass in betr. Verlustquoten-Statistik nur jene (verloren gegangene) Sendung eingeflossen ist, welche vom (eigentlichen) Empfänger per !kostenpflichtigen! Nachforschungsantrag gesucht worden ist.

Beachtlich ist auch die Auffassung von Lützenkirchen, es sei h.M., dass bzgl. des Zugangsbeweises ein Einwurfeinschreiben i.E. einem "normalen" Schreiben gleichzustellen ist. Man mag vielleicht noch darüber streiten können, ob das nun h.M., m.M oder streitig ist - zumindest sind gegenteilige OLG-Urt. existent -, aber die "h.M." mit der betr. Entsch. des LG Potsdam zu belegen, ist m.E. wenn nicht vollauf verfehlt, so doch zumindest als höchst irreführend zu bezeichnen. Im hiesigen Falle bestand die Problematik doch einzig darin - sollte sich eigentlich mittlerweile (nach !8 Jahren!) herumgesprochen haben, zudem auch im Palandt a.a.O. angeführt -, dass der Post-Mitarbeiter den vorgeschriebenen Verfahrensablauf bei der Zustellung nicht eingehalten hat.

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